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Editorial

Editorial | | von Stefan Stiletto

Juli 2020

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Es ist nachvollziehbar, dass sich das Interesse, sich mit vielen Menschen in engen Räumen zu befinden, im Moment noch in Grenzen hält. Aber ein Ausflug ins Kino kann schon wieder lohnenswert sein. Gerade im Kinder- und Jugendfilmbereich bewegt sich gerade viel. Und das mit dem Bewegen kann man durchaus wörtlich nehmen. Ab dem 16. Juli lädt „Into the Beat‟ zum schwungvollen Mitgrooven ein, wenn eine Jugendliche nach ihrem Platz zwischen Ballett und Streetdance, zwischen familiärer Verbundenheit und individueller Lebensplanung sucht. Ein bisweilen sehr mitreißender Coming-of-Age-Film, der auf den Spuren der britischen „Streetdance‟-Reihe wandelt, diese aber um klassische Jugendfilmthemen anreichert. Vom Label „Der besondere Kinderfilm‟ sollte man sich dabei nicht irritieren lassen – die Förderung geht noch zurück auf die Idee, die Geschichte mit Protagonist*innen im Kindesalter zu erzählen. Dass man sich davon verabschiedet hat, wirkt angesichts des fertigen Films nur konsequent und kann vielleicht für die Produktion echter Jugendfilme in Deutschland auch ein paar Impulse bieten.

Einen Neustart wagt auch „Zu weit weg‟, den die Kinoschließungen aufgrund der Corona-Pandemie in der Startwoche eiskalt erwischt hatten. Ein lohnender Kinderfilm, der weltweit schon auf einigen Festivals lief und thematisch ähnlich wie „Into the Beat‟ die Frage nach Zugehörigkeit verhandelt. Aber auch sonst gibt es im Kino einiges zu entdecken: Den gegen den Strich gebürsteten Sommerfilm „Sunburned‟ etwa, der von der Begegnung einer Jugendlichen mit einem Flüchtlingsjungen erzählt und zuvor beim Filmfestival Max Ophüls Preis zu sehen war.

Wer zu Hause bleiben will, findet nach wie vor bei den Streamingdiensten genug hochwertige Filmunterhaltung: Einen besonderen Blick lohnt „Nur die halbe Geschichte‟ (Netflix), den man auch gerne auf der großen Leinwand gesehen hätte. Auch Apple TV+ wagt sich vor in Geschichten für ein junges Publikum. Im Mittelpunkt der Serie „Home Before Dark‟ steht etwa eine neun Jahre alte Ermittlerin (auch wenn die Serie erst für Jugendliche geeignet ist). Und mit dem Kurzfilm „Hier sind wir‟ wurde ein großer Bilderbucherfolg von Oliver Jeffers adaptiert; wir nehmen dies zum Anlass, den Stil und die Erzählhaltung der beiden bisherigen Jeffers-Verfilmungen „Hier sind wir‟ und „Pinguin gefunden!‟ unter die Lupe zu nehmen.

Der Corona-Autokino-Hype mag nun schon wieder vorbei sein. Aber interessant ist es, dass die Veranstalter*innen sich dabei bisweilen auch um ein junges Publikum bemüht haben. Reinhard Kleber hat sich während der Hochphase der Krise das Autokino für Kino als besonderes Event genauer angeschaut, bei dem auch das Kinderfilmfestival „Schlingel‟ mitgemischt hat.

Editorial | | von Stefan Stiletto

Mai 2020

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In den letzten Wochen war immer die Rede davon, dass wir „in besonderen Zeiten‟ leben. Und wenn man etwas Positives darüber sagen kann, dann ganz sicher, dass die außergewöhnlichen Umstände keineswegs zu einem Stillstand an Kreativität und Engagement geführt haben. Im Gegenteil: In Windeseile haben etwa Filmfestivals wie das Internationale Trickfilmfestival Stuttgart, das DOK.fest München oder die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen ihre Programme zu Online-Angeboten umgestaltet – und es dabei keineswegs dabei belassen, nur die Filme zu streamen. So findet etwa das Schulprogramm des DOK.fest zum ersten Mal virtuell statt und enthält trotzdem ein medienpädagogisches Begleitvideo und beim Trickfilmfestival gab es eine mehrteilige Trickfilmschule für die jungen Zuschauer*innen zuhause. So sehr bei diesen Online-Festivals auch das „Kinofeeling‟ fehlt, so sehr rückt doch ein anderer Aspekt ins Auge: Wird so nicht vielleicht sogar ein größeres Publikum erreicht? Können solche ergänzenden Angebote in Zukunft vielleicht eine Chance sein, den räumlich begrenzten Festivalort zu öffnen und neue Vertriebswege für tolle Kinder- und Jugendfilme zu schaffen? Oder sollten diese Aktionen eher eine Ausnahme bleiben, weil sie den Vertrieb – im Gegenteil – sogar schwächen könnten? Zu unseren Festivalentdeckungen aus dem Online-Programm des DOK.fest München jedenfalls zählen die Beiträge "Copper Notes of a Dream", „Scheme Birds‟, „Sommerkrieg‟ oder „Acasa, My Home‟ – und Sie müssen nicht in München sein, um sie (noch bis zum 24. Mai) sehen zu können.

Aber auch die öffentlich-rechtlichen Sender haben in den letzten Wochen auf die Krise reagiert. Die Mediatheken sind prall gefüllt mit einer Vielzahl an kostenfrei abrufbaren hochwertigen Spielfilmen für Kinder – vor allem dem KiKA gebührt hier Lob, macht er doch, zum Teil über lange Zeiträume, jüngere Festivalhits wie „Binti‟, „Sune vs. Sune‟ oder „Ich bin William‟ zugänglich, denen sowohl eine Kino- als auch eine Heimkinoauswertung bislang verwehrt geblieben ist.

Eine hochwertige Auswahl an Kinder- und Jugendfilmen bietet auch das Streaming-Portal Filmfriend an, das für Nutzer*innen teilnehmender Bibliotheken verfügbar ist. Reinhard Kleber stellt es vor. Wer physische Medien bevorzugt, findet derweil gute Unterhaltung mit dem bildgewaltigen Anime „Children of the Sea‟ sowie dem preisgekrönten Jugenddrama „Giant Little Ones‟, die beide als Heimkino-Premieren erschienen sind.

In der nächsten Zeit werden wir verstärkt auch das Programm von Streaming-Diensten durchforsten, die zum Teil mit ambitionierten und sehenswerten Eigenproduktionen eigene Duftmarken im Film- und Serienangebot für Kinder und Jugendliche setzen. Die von Detlev Buck (mit)inszenierte Serie „Bibi & Tina‟ (Amazon Prime) zählt leider nicht zu den Highlights, die Netflix-Produktionen „Der Brief für den König‟ und „I Am Not Okay With This‟ hingegen sind sehr sehenswert. Wer sich in diesem Zusammenhang schon gefragt hat, weshalb Jugendliche in Serien der jüngsten Zeit so oft Superkräfte oder magische Fähigkeiten besitzen, findet ein paar Analyseansätze in dem Hintergrundtext von Christopher Diekhaus.

Aber keine Sorge, liebe Kinder- und Jugendfilmverleiher*innen: Wir driften nicht in die Online-Welt ab, sondern freuen uns auf die hoffentlich baldige Wiederöffnung der Kinos, auf „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess‟, auf „Madison‟ und „Into the Beat‟ (die nächsten beiden Filme der Initiative „Der besondere Kinderfilm‟), auf „Mina und die Traumzauberer‟, auf „Sunburned‟ und „Kokon‟.

 

Editorial | | von Stefan Stiletto

März 2020

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Im Februar waren wir noch optimistisch. „Gute Zeiten für den Kinderfilm?‟ lautete die Überschrift unseres Editorials. Zwar mit einem Fragezeichen versehen – aber dennoch mit Vorfreude auf die vielen tollen Kinderfilme blickend, die bald im Kino starten würden. Das ist jetzt vorbei. „Zu weit weg‟, die eindrucksvolle und vielschichtige Geschichte über den Verlust des Zuhauses, hat es besonders hart erwischt. Wenige Tage nach dem Start wurden sämtliche Kinos aufgrund der Corona-Krise geschlossen. Der grandiose „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess‟ wurde erstmal vorsichtig auf Juni verschoben. Der Goldene Spatz wird in diesem Jahr nicht im Frühjahr stattfinden. Und das Trickfilmfestival Stuttgart, bei dem es für ein junges Publikum immer einiges zu entdecken gibt, ist abgesagt.

Was das Blockbuster-Kino vielleicht noch halbwegs abfedern kann, ist für die kleinen Verleiher ebenso wie für die engagierten Kinos und die Festivals, die Kinder- und Jugendfilme auch abseits der einschlägigen Großproduktionen spielen, eine Katastrophe. Die Gewinner der Krise werden die Streaming-Anbieter sein, im Moment der direkte Draht in die isolierten Wohnzimmer. Und ja, so schön das Kino ist, so spannend ist auch deren Angebot (normalerweise ergänzend zum Kino), wenn man sich von der schieren Masse und Unübersichtlichkeit nicht erschlagen lässt.

Weil Kinder und Jugendliche derzeit vermutlich mehr fernsehen werden als sonst, möchten wir zunächst allgemein auf die kostenfreien Online-Angebote des KiKA hinweisen. Nicht selten sind dort einige Fernsehpremieren von Kinderfilmfestivalerfolgen zu finden, die es in Deutschland weder ins reguläre Kino noch auf DVD oder Blu-ray geschafft haben (und die unter normalen Umständen, auch das muss selbstkritisch gesagt werden, von der Berichterstattung kläglich vernachlässigt werden). Für Jugendliche lohnt sich unterdessen immer wieder ein Blick in die Mediathek von Arte, wo es in schöner Regelmäßigkeit auch etwa schroffere Coming-of-Age-Geschichten, auch hier meist Festivalfilme, zu sehen gibt. Das kommerzielle Netflix wartet unterdessen vor allem mit einigen interessanten Serien-Eigenproduktionen für Kinder und Jugendliche auf und auch das neue Disney+ hat bereits erste exklusive Inhalte präsentiert. Ausgewählte Filme und Serien der Mediatheken und Streaming-Dienste werden wir in der nächsten Zeit ausführlich hier im Kinder- und Jugendfilmportal vorstellen. „Der Brief für den König‟ macht den Anfang und richtet sich an Zuschauer*innen ab 12 Jahren, Jugendliche ab 16 Jahren finden mit „I am not okay with this‟ eine schräge Comic-Adaption. Darüber hinaus möchten wir auch auf Filmfriend.de hinweisen, das Nutzer*innen teilnehmender Bibliotheken kostenfrei Zugriff auf handverlesene Kinderfilme bietet.

 

Editorial | | von Stefan Stiletto

Januar 2020

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Wer einen Blick auf das aktuelle Angebot an Kinderfilmen im Kino wirft, reibt sich die Augen. Und nein, Grund dafür sind nicht die mittlerweile üblichen Januar-Trittbrettfahrer, die mit zu Kinoversionen aufgeblasenen, qualitativ unterirdischen TV-Specials wie „Thomas und seine Freunde‟ Eltern mit jüngeren Kindern ins Kino locken wollen. Staunen lässt hingegen ein großes Highlight wie „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl‟, Caroline Links Adaptation des Judith-Kerr-Romans, der schon für ein junges Publikum geeignet ist, weil er aus Kindersicht spürbar macht, was Flucht und Vertreibung bedeutet. Caroline Link beweist erneut ihr ausgeprägtes Gespür für herausragende Kinderdarsteller*innen und ihre Sensibilität für die Perspektive von Kindern. Katrin Hoffmann hat den Start des Films zum Anlass genommen, um sich intensiver mit den Familienbildern im Werk von Caroline Link zu beschäftigen.

Darüber hinaus kommen in nächster Zeit ein paar äußerst bemerkenswerte Kinderfilmfestival-Hits des vergangenen Jahres regulär ins Kino. Den Anfang macht Ende Januar „Romys Salon‟, eine Geschichte über ein zehnjähriges Mädchen, das seine an Demenz erkrankte Großmutter neu kennenlernt und sich dabei auch selbst neu in der Welt verortet. Eine stimmige Erzählung, ganz nah an den Figuren, klug und mit einem guten Sinn für Bildsprache von Mischa Kamp inszeniert. Kirsten Taylor widmet sich der Figurenentwicklung in einem eigenen kurzen Text, der deutlich macht, wie komplex und vielschichtig der Film angelegt ist.

Und damit wirft das Kinofrühjahr nur seine ersten starken Schatten voraus: Vormerken sollten Sie sich schon jetzt „Zu weit weg‟ und „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess‟, zwei ebenso mitreißende wie tiefsinnige Festivalerfolge, die der farbfilm Verleih im März und April ins Kino bringt. Einen Blick in das Geschäft von Filmverleiher*innen, die sich in Deutschland in der jüngeren Zeit um ein besonderes Kinderfilmangebot im Kino verdient gemacht haben und auf dieses Marktsegment setzen, hat Reinhard Kleber in seinem Hintergrundartikel geworfen und dafür mit den Geschäftsführern des farbfilm Verleihs, von eksystent Distribution und Little Dream Pictures gesprochen.

 

Editorial | | von Stefan Stiletto

Dezember 2019

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Der Herbst ist die Zeit, in der sich Kinder- und Jugendfilmfestivals in Deutschland die Klinke in die Hand geben und zu neuen Entdeckungen einladen. Holger Twele hat zu zwei Festivals für das Kinder- und Jugendfilmportal seine Beobachtungen zusammengefasst. Sowohl bei „Lucas‟ in Frankfurt am Main als auch beim „Schlingel‟ in Chemnitz war auffallend, wie oft die Perspektive von jungen Frauen oder Mädchen im Mittelpunkt stand. Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung sind nach wie vor brisante Themen – wenngleich manche Filme auch ohne klassische Genderfragen auskommen und einfach „nur‟ starke und interessante Protagonistinnen in den Mittelpunkt stellen. Eben jene findet man derzeit auch im Dokumentarfilm für Kinder und Jugendliche. Barbara Felsmann war bei doxs!, das nun gleichberechtigter Bestandteil der Duisburger Filmwoche geworden ist, und erzählt über einen Wettbewerb, dessen Beiträge sich durch eine starke Bildsprache ausgezeichnet und zudem mit existenziellen Problemen junger Menschen beschäftigt haben.

Gedankenanstöße über Diversität im Kinderfilm bietet unterdessen ein Bericht von Holger Twele zu einer Veranstaltung, die im Rahmen von „Lucas‟ stattgefunden hat – ein Thema, das uns mit seinen möglichen Chancen und Fallstricken sicher noch länger beschäftigen wird. Dazu passt auch das Interview, das Barbara Felsmann mit Martin Busker über sein Langfilmdebüt „Zoros Solo‟ geführt hat.

Leichtfüßiger und geradezu luftiger ist ein Blick von Christian Exner auf den Schauplatz des Baumhauses, der in so vielen Kinderfilmen zu einem Ort der Freiheit wird, ganz ohne die überwachsamen Augen der Erwachsenen. Damit bauen wir nach einer längeren Pause die Rubrik „Quergedacht‟ wieder aus, die aus etwas anderen Perspektiven über Kinder- und Jugendfilmthemen erzählen will.

 

Editorial | | von Stefan Stiletto

Oktober 2019

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30 Jahre ist es her, dass die Mauer zwischen den zwei deutschen Staaten überwunden wurde. Gleich zwei aktuelle Filme blicken zurück in diese Zeit. Ein dreizehnjähriges Mädchen wird sich bewusst, wie ungerecht vieles in ihrem Land ist und findet sich plötzlich inmitten der Friedlichen Revolution in der DDR im Jahr 1989 wieder. Und eine sechzehnjährige Jugendliche aus Westdeutschland, die sich bei einem Jugendaustausch Mitte der 1980er-Jahre in einen Gleichaltrigen aus Ost-Berlin verliebt, spürt auf einmal, dass die Berliner nicht nur politische Systeme trennt, sondern vor allem Menschen und erlebt die Überwachungsmaßnahmen und die Einschränkungen aus einer ganz eigenen Sicht. Mit „Fritzi – Eine Wendewundergeschichte‟ von Ralf Kukula und Matthias Bruhn und „Zwischen uns die Mauer‟ von Norbert Lechner laufen in diesen Tagen gleich zwei Filme an, die mit dem Blickwinkel von Kindern beziehungsweise Jugendlichen über die DDR erzählen. Beiden gelingt, durch emotionale Geschichten deutlich zu machen, wie sich das Leben damals angefühlt hat. Barbara Felsmann hat für das Kinder- und Jugendfilmportal „Fritzi‟ besprochen, der nach dem Kinderbuch „Fritzi war dabei‟ von Hanna Schott und Gerda Raidt entstand und – hier muss man mal ins Schwärmen geraten – brillant von Beate Völcker in ein Drehbuch übersetzt wurde. Heidi Strobel widmet sich unterdessen „Zwischen uns die Mauer‟, der ebenfalls literarische Wurzeln hat und auf dem autobiografischen Roman von Katja Hildebrand beruht. Zu letzterem hat Barbara Felsmann während des diesjährigen Kinder-Medien-Festivals „Goldener Spatz‟ auch ein Werkstattgespräch mit Norbert Lechner und der Hauptdarstellerin Lea Freund geführt.

Um persönliche Geschichte – und um das Überwinden von Grenzen in einem ganz anderen Sinne – geht es in Filmen wie „Yuli‟, dem Biopic eines Balletttänzers, in dem dessen Kindheit und Jugend eine besondere Rolle spielt. Holger Twele hat dies zum Anlass genommen, einen Blick auf Ballettfilme zu werfen und dabei insbesondere auf Geschlechterrollen zu achten. Ein schöner Anlass, um noch einmal Stephen Daldrys „Billy Elliot‟ zu entdecken, der sich seit seinem Start im Winter 2000 zu einem echten Klassiker entwickelt hat.

 

Editorial | | von Stefan Stiletto

Juni 2019

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Liebe Leserinnen und Leser des Kinder- und Jugendfilmportals,

im Kino geht man gerne auf die Reise – oder begleitet eben die Figuren, die sich dort auf eine solche begeben. Ob zu Fuß, mit dem Motorrad, mit dem Schiff oder mit einem gestohlenen Wohnmobil. So beginnt auch „Roads“, der neue Film von Sebastian Schipper. In Marokko klaut ein junger Brite an seinem 18. Geburtstag kurzerhand das luxuriöse Wohnmobil des Stiefvaters und macht sich auf den Weg. Er will nach Frankreich, zu seinem leiblichen Vater. Aber eigentlich ist auch das nicht so wichtig. Ein genaues Ziel vor Augen hat hingegen der gleichaltrige Kongolese, der sich ihm bald anschließt und der sich in Europa auf die Suche nach seinem Bruder machen will.

Wieder gelingt es Sebastian Schipper, einen klugen und vor allem sehr zu Herzen gehenden Film über das Jungsein und das Erwachsenwerden zu drehen. Wer sich die fünf Filme ansieht, die Schipper mittlerweile als Regisseur gedreht hat, der erkennt gewisse Konstanten. So richtig erwachsen sind die Figuren in seinen Filmen nicht, auch wenn sie vom Alter her erwachsen sein sollten. Den Kinostart von „Roads“ – der nach vielen Verschiebungen nun endlich zu sehen ist – nehmen wir zum Anlass für ein ausführliches Interview mit Sebastian Schipper über die Jugendthemen in seinen Filmen. Kirsten Taylor hat das Gespräch mit dem Regisseur geführt.

Vertieft wird das Thema Roadmovies in einem eigenen Hintergrundartikel, den Sie ab Mitte Juni hier im Portal finden. Dabei liegt der Fokus nicht auf dem Genre an sich, sondern vor allem darauf, was erzählt wird, wenn Jugendliche sich auf die Reise machen und den Aufbruch wagen.

Dazu passt auch der Hinweis auf ein ungewöhnliches aktuelles Roadmovie, in dem zwar keine Jugendlichen im Mittelpunkt stehen, das aber durch seine Machart und seinen Witz für sich einnimmt. Nicht nur Sebastian Schipper hat mittlerweile seinen fünften Film inszeniert, auch das Laika-Studio hat die große Fünf erreicht. „Mister Link“ von Chris Butler führt die düstere Tradition der bisherigen Laika-Puppentrickfilme nicht fort, wohl aber deren technische Perfektion.

Ziemlich perfekt geworden ist auch der neue Film von Mamoru Hosoda, der mittlerweile endgültig in der A-Kategorie der Anime-Regisseure angekommen ist. „Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft“ erzählt über einen vierjährigen Jungen, der nach der Geburt seiner Schwester seine Rolle in der Familie neu finden muss – und Hilfe in magischen Begegnungen mit Familienmitgliedern findet, unter anderem mit einer zukünftigen Version seiner Schwester, in der diese bereits eine Jugendliche ist. So wird auch „Mirai“ zu einem Reisefilm – durch die Zeiten.

 

Editorial | | von Stefan Stiletto

Mai 2019

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Fast zehn Jahre sind bereits vergangen, seitdem der erste „Grüffelo“-Film erschienen ist und ein mustergültiges Beispiel dafür geliefert hat, wie hochwertiges und ungemein spannendes Filmvergnügen für Kindergartenkinder aussehen kann. Perfekt übersetzt der Kurzfilm überdies die Geschichte und Gestaltung der Bilderbuchvorlage von Julia Donaldson und Axel Scheffler – und reichert sie um weitere Ebenen an. In den kommenden Tagen wird auf dem Animationsfilmfestival in Annecy der neueste Streich des Studios Magic Light Pictures zu sehen sein – die Donaldson/Scheffler-Verfilmung „Zog“. Wir nehmen das zum Anlass, unseren Schwerpunkt zu Filmen für jüngste Zuschauer*innen zu vertiefen und werfen in einem Hintergrundtext einen Blick auf die bisherigen Adaptionen des Autorenduos.

Auch „Kommissar Gordon & Buffy“ verfolgt uns noch immer. In der Rubrik „Junge Held*innen“ porträtiert Katrin Hoffmann den ungewöhnlichen Protagonisten dieses Zeichentrickfilms, der eigentlich gar nicht jung ist und gerade deshalb im Kinderkino eine Sonderstellung einnimmt. Warum? Weil wir mit dieser Reihe unbedingt ein paar Filmfiguren vorstellen möchten, die uns im Gedächtnis geblieben sind. Und schließlich sind es gerade interessante Figuren, die für Kinder und Jugendliche zu biografischen Begleiter*innen werden können.

Außergewöhnlich ist auch die Protagonistin von „Fight Girl“. Am 5. Mai wurde die niederländisch-belgische Koproduktion von Kindern und Jugendlichen aus Europa mit dem EFA Young Audience Award ausgezeichnet und setzte sich gegen „Thilda & die beste Band der Welt“ und „Old Boys“ durch. Im Mittelpunkt steht eine Teenagerin, die eine enorme Wut in sich trägt, auch auf die Eltern, die sich getrennt haben, und im Kickboxen ein Ventil und Anerkennung findet.

Womit wir nun bei Trennungsgeschichten wären, die sich offenbar in diesem Monat häufen. Unser aktueller Filmtipp „Die kleinen Hexenjäger“ erzählt von einem Mädchen, das die neue Freundin des Vaters für eine Hexe hält. Warum sonst sollte er die Familie verlassen haben, wenn er nicht verhext worden ist? Lassen Sie sich nicht von dem ziemlich einfallslosen Filmplakat abschrecken. „Die kleinen Hexenjäger“ ist ein starker Film mit Fantasie, Witz und Herz. Aber vielleicht kann man über Scheidungsgeschichten auch am besten erzählen, indem man sich in die Vorstellungswelt der betroffenen Kinder begibt. Das hat schon „Karo und der liebe Gott“ gemacht – und der wird ab dem 16. Mai im Kino wiederaufgeführt.