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Editorial

Filmbild aus "Lauras Stern"
"Lauras Stern" © 2020 Westside Film / Warner Bros. Ent. / Tom Trambow

Editorial | | von Stefan Stiletto

Ein bunter Strauß Filme

Juni 2022

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Ein kleiner Film hat Joya Thome (zumindest) in der Kinderfilmszene berühmt gemacht: Ihr Debütfilm „Königin von Niendorf‟ hat seit 2017 nicht wenige zum Schwärmen gebracht. Kinderfilme ohne Formeln machen? Ja, das geht! Wir freuen uns sehr, dass Joya Thome Zeit für ein Interview für das Kinder- und Jugendfilmportal gefunden hat. Ulrike Seyffarth hat mit ihr ein ausführliches Gespräch geführt, über ihren zweiten Film „Lauras Stern‟ (der nun fürs Heimkino veröffentlicht wurde), über ihre Arbeit als Regisseurin, über ihr Interesse für Kinder- und Jugendstoffe – und über ihren neuen Dokumentarfilm „One in a Million‟, der Ende Juni im Rahmen des Kinderfilmfest München seine Premiere feiert.

Wo wir gerade beim Kinderfilmfest München sind: Wenn sie ihn bei der Berlinale verpasst haben, können sie dort den großartigen „Comedy Queen‟ von Sanna Lenken nachholen (zu dem Sie hier auch ein kurzes Interview finden). Oder die niederländische Puppenanimation „Oink‟. Oder die bolivianisch-deutsch-spanische Koproduktion „Die Tochter der Sonne‟ entdecken.

Keine Lust auf Reisen? Kein Problem. Spannendes Couchkino gibt es auch, ein bisschen jahreszeitlich antizyklisch und erfrischend mit „Lauras Stern‟, genremäßig mit „Captain Nova‟, der im vergangenen Jahr bei CineKid lief und nun im Netflix-Portfolio ein bisschen unter dem Radar läuft, oder in der KiKA-Mediathek mit „Martin und das Geheimnis des Waldes‟, mit schönen magischen Momenten, die Petr Oukropecs wunderbaren Kinderfilm „Der blaue Tiger‟ noch einmal ins Gedächtnis rufen.

Mal wieder ins Kino vor Ort? Gerne! Auf der großen Leinwand im regulären Kino – und genau da gehört er auch hin – ist seit dem 9. Juni endlich mal wieder ein Anime zu entdecken. Und was für einer! „Belle‟, der neue Film von Mamoru Hosoda, der im vergangenen Jahr auch im Cannes-Wettbewerb präsentiert wurde, ist eine wilde, energiegeladene, visuell opulente Coming-of-Age-Geschichte, bei der trotz aller Übertreibung und Überhöhung auch das Herz nicht zu kurz kommt. Auch über diesen Film lässt sich viel schwärmen.

 

Filmbild aus "Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess"
"Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess" © Bert Nijman, Bind, Ostlicht Filmproduktion, Farbfilm

Editorial | | von Stefan Stiletto

Wegweiser und Bezugspunkte

April 2022

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Manchmal gibt es sie: Kinderfilme, die alles überstrahlen, die sofort zu persönlichen Favoriten und zugleich zu wichtigen Bezugspunkten für die gesamte Kinderfilm-Produktionslandschaft werden. Um solche Meilensteine geht es in der dritten Ausgabe des Dossiers #ich sehe was, das das Kinder- und Jugendfilmportal in Kooperation mit filmdienst.de veröffentlicht. Die Texte beschäftigen sich damit, was diese Referenz-Kinderfilme auszeichnet und was sie über ihre Entstehungszeit erzählen, sie zeigen auf, wie persönlich prägende Filmerfahrungen sich auf das eigene Filmschaffen übertragen, und sie beleuchten die Bedeutung von Mut und Vertrauen bei der Stoffentwicklung. Wie passend, dass pünktlich zum Erscheinen des Dossiers auch wieder „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess‟ in der Mediathek des KiKA zu sehen ist, der für Christian Exner den Status eines Referenz-Kinderfilms hat.

Um Bezugspunkte einer ganz anderen Art geht es unterdessen in einem Hintergrundtext von Christopher Diekhaus. Er wirft anlässlich des Starts von „Come on, Come on‟ einen Blick auf Filme, in denen Kinder zwar nur eine Nebenrolle spielen, aber zu wichtigen Wegweisern für die erwachsenen Protagonist*innen werden (meist sind es nur Männer, aber das nur am Rande ...).

Schließlich möchten wir Sie noch auf ein echtes Kino-Highlight hinweisen und Ihnen den Dokumentarfilm „Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann – Ein autistischer Junge erklärt seine Welt‟ ans Herz legen, der auf dem gleichnamigen Buch des damals 13 Jahre alten Naoki Higashida beruht. Der deutsche Titel klingt erklärender und nüchterner als der Film tatsächlich ist. Denn diesem gelingt es formal herausragend, dem Publikum eine andere Form der Weltwahrnehmung zu eröffnen und es zum Nachdenken anzuregen. Ein zukünftiger Referenzfilm womöglich?

 

Filmbild aus "Rot"
"Rot" (c) Disney/Pixar

Editorial | | von Stefan Stiletto

Veränderungen und Konstanten

März 2022

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Standen Sie schon einmal vor dem Spiegel und haben sich erschreckt über das, was Sie da sehen? Vermutlich schon – aber Sie haben sich bestimmt nicht so doll gewundert wie die 13-jährige Mei, die eines morgens plötzlich in das Gesicht eines riesigen Roten Pandas blickt (der immerhin ziemlich knuffig und flauschig ist). In dem Pixar-Film „Rot‟, der nun (leider) nur auf Disney+ startet, wird aus dieser Verwandlung eine wilde, unterhaltsame Geschichte über Veränderungen während der Pubertät, über Gefühlsüberschwänge und kleine Rebellionen – und vor allem über die Kunst, seinen eigenen Weg zu finden, sich von den Erwartungen der Mutter zu lösen und dieser doch nahe zu bleiben.

Wo wir gerade bei Müttern und Töchtern sind: Nahezu zeitgleich läuft im Kino endlich „Petite Maman‟ von Céline Sciamma an, der im vergangenen Jahr im Wettbewerb der Berlinale lief und in dem eine Tochter auf magische Weise ihrer kindlichen Mutter im Spiel begegnet. So laden beide Filme zu einem Vergleich ein, wie unter ganz unterschiedlichen Vorzeichen über Mutter-Tochter-Beziehungen erzählt werden kann.

Aber die Filme legen auch weitere Spuren, denen es zu folgen lohnt: Eine Hilfe, das Werk und die Leitthemen von Céline Sciamma zu entdecken, finden sie in dem Text von Holger Twele über die Regisseurin. Und „Rot‟ verneigt sich ehrfurchtsvoll vor dem manchmal oft übertriebenen Stil und der Poesie von Animes, insbesondere den Filmen von Mamoru Hosoda und dessen „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang‟.

Eine Mischung aus Veränderungen und Konstanten gab es auch bei der diesjährigen Berlinale: Noch ist nicht bekannt, wer die Nachfolge von Maryanne Redpath antritt, die 2022 zum letzten Mal die Sektion Generation geleitet hat. Unverändert war im Programm allerdings, was Redpath schon Anfang 2015 mal augenzwinkernd in einem Interview mit der Kinder- und Jugendfilm-Korrespondenz über das Profil der Sektion gesagt hat: „Süß und seicht ist nicht unsere Stärke.‟ Und so blicken auch die aktuellen Festivalberichte über die Reihen Kplus (von Katrin Hoffmann) und 14plus (von Holger Twele) eher zurück auf ernstere, schwierigere Stoffe. Ausgewählte Filme aus dem Generation-Programm werden ausführlich bei unseren Festivalentdeckungen vorgestellt. Zudem konnte Holger Twele während der Berlinale auch ein Interview mit Sanna Lenken führen, die nach „Stella‟ nun auch für ihren zweiten Langfilm „Comedy Queen‟ mit dem Gläsernen Bären ausgezeichnet wurde und spätestens jetzt als feste Größe im Kinder- und Jugendfilmbereich gelten kann.

In diesem Zusammenhang und aus aktuellem Anlass möchten wir auch auf einen anderen Film hinweisen. 2020 lief bei Generation der Dokumentarfilm „The Earth Is Blue As An Orange‟ über die Situation einer Familie im seit Jahren umkämpften ukrainischen Donbas. Dieser ist nun bei Vimeo abrufbar.

Nun haben Sie die Wahl: Eskapismus mit Tiefgang, poetische Märchen oder politische Bildung – das hochwertige Angebot an Kinder- und Jugendfilmen ist gerade auf den unterschiedlichsten Kanälen reichhaltig vorhanden.

Filmbild aus "Encanto"
"Encanto" (c) Walt Disney Germany

Editorial | | von Christian Exner

Ein wenig Zauber

Dezember 2021

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Eben noch im Kino, jetzt schon auf dem vielleicht gar nicht mal so kleinen Schirm zu Hause: Dass Stream- und Heimkinoveröffentlichungen so kurz nach dem Kinostart folgen, ist neu. So lässt sich ab dem 24. Dezember etwa Disneys neuester Animationsfilm „Encanto‟, der erst im November im Kino angelaufen ist, über den hauseigenen Streamingdienst abrufen. Und auch „Elise und das vergessene Weihnachtsfest‟ liegt via Stream oder auf DVD und Blu-ray bereits für den Heimkino-Familiennachmittag vor. Für die Kinos, die sich gerade redlich darum bemühen, ein gutes Programm trotz massiver Einschränkungen aufrechtzuerhalten, ist das sicher nicht erfreulich. Um „kleinere‟ Filme wie „Elise‟ tatsächlich legal zum Publikum zu bringen, scheint es wohl trotzdem in der gegenwärtigen Situation der richtige Weg. Zumal die Auswertungsmöglichkeiten von Weihnachtsfilmen ja auch zeitlich eng begrenzt sind.

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was Weihnachtsfilme eigentlich auszeichnet? Rochus Wolff hat für das Kinder- und Jugendfilmportal einen Blick darauf geworfen und versucht, begleitend zum Plätzchenduft ein wenig Ordnung in dieses Genre zu bringen, in dem es keineswegs nur um die große Geschenkeverteilung geht, sondern auch um Rituale, Bewusstseinswandel, Gemeinschaft, Wertevermittlung und ja, natürlich auch ein wenig Zauber.

Zumindest so zauberhaft wie Weihnachtsfilme sind auch die Stop-Motion-Animationen aus dem Aardman Studio. In diesem Jahr gibt es gleich zwei Neuerscheinungen: Das halbstündige Musical „Rote Robin‟ und das ebenfalls halbstündige Weihnachtsspecial „Shaun das Schaf: Es ist ein Schaf entsprungen‟. Nicht minder sehenswert sind unterdessen die Verfilmungen der beliebten Bilderbücher von Julia Donaldson und Axel Scheffler aus dem Hause Magic Light Pictures, die in den kommenden Wochen – flankiert vom neuen Kurzfilm „Zogg und die Retter der Lüfte‟ – allesamt in der ZDF-Mediathek (neu) zu entdecken sind.

Editorial | | von Stefan Stiletto

Blick zurück und Blick nach vorn

November 2021

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Spätestens Mitte November wird auch im Kino und im Heimkino die Vorweihnachtszeit eingeläutet. Wer dann einen Blick in die Kinoprogramme wirft, fühlt sich jedenfalls schon ganz besinnlich: „Ein Junge namens Weihnacht‟ und „Elise und das vergessene Weihnachtsfest‟ heißen zwei der Neustarts, die Christopher Diekhaus und Horst Peter Koll für das Kinder- und Jugendfilmportal besprochen haben.

Aber auch ein Rückblick lohnt sich gerade – zum Beispiel auf eine Auswahl der großen Kinder- und Jugendfilmfestivals, die traditionell im Herbst stattfinden und nahezu im Wochentakt staunen lassen, was es in diesem Bereich wieder zu entdecken gibt. Gemeinsam mit dem Filmdienst blickt das Kinder- und Jugendfilmportal in der zweiten Ausgabe des Dossiers # ich sehe was zurück auf „Lucas‟ und „Schlingel‟, die Nordischen Filmtage und doxs! Auf unserer Sonderseite finden Sie ausführliche Hintergrundberichte zu ausgewählten Schwerpunkten ebenso wie Kritiken bemerkenswerter Filme.

Es wird noch etwas dauern, bis die rezensierten Festival-Highlights ihren Weg ins reguläre Kino oder ins Heimkino gefunden haben. Doch anregende Filmentdeckungen gibt es jederzeit. Aktuell sind das überraschende Neuerscheinungen im Kino wie etwa „Lene und die Geister des Waldes‟ und außerdem trumpft wieder einmal der KiKA mit seiner Mediathek auf, in der einige großartige Filme der letzten Jahre nochmal zu sehen sind, von „Der Fall Mäuserich‟ bis hin zu „Binti‟.

 

"Räuberhände" (c) Salzgeber

Editorial | | von Stefan Stiletto

Diese seltsame Zwischenphase

September 2021

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Können Sie sich noch an das Ende Ihrer Schulzeit erinnern? An diese seltsame Zeit, in der sich sehr vertraute Beziehungen lösen, in der die Weichen neu gestellt werden und in der die Welt – zumindest für einen kurzen Augenblick – offen zu stehen scheint? Zu viel Offenheit kann einen andererseits auch an den Rand des Wahnsinns treiben, wenn man noch keine Richtung findet, in die es gehen soll. Mit ihren widerstreitenden Gefühlen und vielfältigen Stimmungen ist diese Lebensphase eine wahre Fundgrube für das Kino. Auch der Roman „Räuberhände‟ von Finn-Ole Heinrich ist in dieser angesiedelt; nun wurde er von İlker Çatak für die große Leinwand adaptiert. Horst Peter Kolls begeisterte Kritik finden Sie bei uns im Portal. Und wenn Sie noch ein wenig in Erinnerungen schwelgen wollen, treffen vielleicht ein paar der Schulabschlussfilme, die Christopher Diekhaus in seinem Hintergrundtext streift, Ihren Nerv oder bieten Anregungen für Wieder- und Neuentdeckungen. Dazu zählt übrigens auch „Verstehen Sie die Béliers?‟ über eine Jugendliche, die als einzige Hörende ihrer Familie für die gehörlosen Eltern dolmetschen muss und eigentlich ganz andere Interessen – nämlich die Musik – hat. Anfang des Jahres hat das sympathische US-amerikanische Remake „CODA‟ bei Sundance einige der wichtigsten Preise abgeräumt. Bei AppleTV+ ist es seit Mitte August zu sehen.

Mit Filmen für jüngere Kinder sieht es gerade ein wenig mau aus, was die Neustarts im Kino angeht. Sehenswert ab 12 Jahren ist sicherlich „Ein bisschen bleiben wir noch‟, der zweite Teil der geplanten Flucht-Trilogie von Arash T. Riahi, den sich Barbara Felsmann fürs Kinder- und Jugendfilmportal angesehen hat. Ein Highlight ist auch beim Arthouse-Streamingdienst MUBI versteckt: Rochus Wolff hat den brasilianischen Animationsfilm „Tito and the Birds‟ rezensiert, der vor drei Jahren nach dem Festival von Annecy auch auf Kinderfilmfestivals wie LUCAS zu sehen war. Einziger Wermutstropfen für ein junges Publikum: Er liegt dort nur auf Portugiesisch mit zuschaltbaren Untertiteln vor. Und wo wir – oder Sie – gerade bei MUBI sind: Hier können Sie sich gleich auch noch „Psychobitch‟ ansehen. Den Jugendfilm, der mit Klischees bricht, hat Christiane Radeke besprochen. Und er spielt in der Schule – womit sich der Kreis dieses Editorials schon fast wieder schließt.

 

Editorial | | von Stefan Stiletto

Unangepasst und frech geht gar nicht? Doch! Soll sogar.

Juli 2021

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„Titane‟ heißt der überraschende Gewinner der diesjährigen Filmfestspiele von Cannes, eine offenbar krude Mischung aus Body Horror, Serienmördergeschichte, Identitätswechseln und vielem mehr. Nein, sicher kein Jugendfilm – aber ein guter Anlass, um noch einmal auf den Debütfilm der Regisseurin Julia Ducournau hinzuweisen: „Raw‟. Ja, auch der ist wild, anstößig und eben roh, aber eben auf seine eigene Art im Genre des Horrorfilms auch ein spannender Coming-of-Age-Film, der mit den Mitteln des Genrefilms über das Erwachsenwerden, die Veränderungen des Körpers, die Auseinandersetzung mit der Identität erzählt. Eine kurze Kritik, die anlässlich der Veröffentlichung fürs Heimkino entstand, finden Sie in der Kinofilmwelt.

Bleiben wir kurz beim Mut, Erwartungen zu unterlaufen. Oft viel zu harmonisch und in Watte gepackt wirken viele Kinderfilme, wenn sie auf Biegen und Brechen alles ausblenden, womit man irgendwie anecken könnte. Wie schön ist es, wenn dann die Kinderjury beim Goldenen Spatz mit „Mission Ulja Funk‟ einen Film auszeichnet, der wild und ungewöhnlich ist! Barbara Felsmann plädiert für mehr solcher Kinderfilme, die Frechheit wagen. Und bei den Projektvorstellungen, die ebenfalls im Rahmen des diesjährigen Kinder Medien Festivals stattgefunden haben, hat sie ein paar weitere, in dieser Hinsicht vielversprechende Stoffe gefunden.

 

Editorial | | von Stefan Stiletto

In Bewegung

Juli 2021

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Nach sieben Monaten öffnen die Kinos wieder. An einem Angebot für Kinder und Jugendliche wird es in den kommenden Monaten nicht mangeln: Mit „Die Olchis‟ und „Ostwind – Der große Orkan‟ stehen noch im Juli kommerziell vielversprechende Titel in den Startlöchern. Aber auch Festivalperlen wie „Erdmännchen und Mondrakete‟ (Schlingel 2018) und „Die Adern der Welt‟ (Berlinale Generation 2020) sollen ins Kino kommen. Ist also alles bald wieder so wie früher?

Sicher nicht. Zum ersten Mal hat man bei Disney etwa beschlossen, einen Pixar-Film – also eine Produktion aus einem der derzeit renommiertesten Animationsstudios – ausschließlich auf dem hauseigenen Streamingdienst zu starten, obwohl eine Kinoauswertung möglich wäre. „Luca‟ gibt es, trotz passender sommerlicher Atmosphäre und „großer‟ Bilder, nur für den kleinen Schirm zu Hause. Nun gut, könnte man sagen, so bleiben mehr Leinwände frei für viele andere Filme. Aber ein mulmiges Gefühl bleibt trotzdem, wenn hochwertige Kinder- und Jugendfilmproduktionen keinen Platz im öffentlichen Raum erhalten.

Andererseits haben die vergangenen eineinhalb Jahre viele Filmjournalist*innen gelehrt, dass sich auch ein genauer Blick in das Angebot der Streamingdienste und DVD- oder Blu-ray-Veröffentlichungen lohnt. Es ist sicher nicht so, dass es in dieser Zeit nichts zu entdecken gegeben hätte. Und mit der teils langen Verfügbarkeit ausgewählter Titel in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender waren es nicht nur Bezahldienste, die hier mit vielfältigen sehenswerten Filmen für Kinder und Jugendliche aufgewartet haben.

Schlicht beeindruckend ist auch, wie viel Kinder- und Jugendfilmkultur auf einmal in Klick-Nähe war durch alle Festivals (jüngst wieder die Kurzfilmtage Oberhausen, das Trickfilm-Festival Stuttgart, das DOK.fest München, der Goldene Spatz), die sich Online-Formaten geöffnet haben. Es bleibt zu hoffen, dass diese Mehrgleisigkeit der Filmpräsentation und Zugänglichkeit zu außergewöhnlichen Filmen für Kinder und Jugendliche in Zukunft bestehen bleibt und kein Tabu mehr ist.

Apropos Tabu: Die Frage, was man Kindern in Filmen zumuten kann und darf, ist beileibe nicht neu – aber ein spannendes Thema, das es in regelmäßigen zeitlichen Abständen immer wieder neu zu verhandeln gilt. Barbara Felsmann und Bernd Sahling haben das für das Kinder- und Jugendfilmportal gewagt. In einem 40-minütigen Gespräch, das Sie ausnahmsweise nicht nachlesen, wohl aber nachhören können, haben sie über Tabus im Kinderfilm nachgedacht.

 

Editorial | | von Stefan Stiletto

Jubeln und schimpfen

April 2021

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Ein Festival ohne Publikum und Gemeinschaftserlebnis ist eine traurige Sache, das gilt für die kleinen Kinder- und Jugendfilmfestivals ebenso wie die große Berlinale. Letztere fand nun zum ersten Mal nur digital statt. Trotz merklich reduziertem Programm gab es aber einiges zu entdecken. Vorfreude auf das zeitversetzte Berlinale-Publikumsevent im Sommer wecken die Berichte über die Reihen Kplus (von Katrin Hoffmann) und 14plus (von Reinhard Kleber), die inhaltlichen oder ästhetischen Verbindungen nachgehen, sowie mehrere Einzelbesprechungen, die Sie in der Rubrik Festivalentdeckungen finden. Anlässlich der Aufführung von „Petite Maman‟ im Wettbewerb wirft Holger Twele zudem in einem Hintergrundtext einen Blick auf das bemerkenswerte Werk von Céline Sciamma, der es gelungen ist, sich sowohl im Arthouse-Kino für Erwachsene als auch im Kinder- und Jugendfilmbereich einen Namen zu machen.

Jubeln kann man im Augenblick auch über das tolle Spielfilm-Programm des KiKA, das im Free-TV mit einigen Perlen aufwartet – und diese oft sogar noch über mehrere Wochen in seiner Mediathek zugänglich macht. Dort ist etwa noch „Mein Bruder, der Superheld‟ zu finden, der letztes Jahr unter dem Titel „My Brother Chases Dinosaurs‟ mit dem EFA Young Audience Award ausgezeichnet wurde. Sollten Sie den letztjährigen Kplus-Eröffnungsfilm „Das Blubbern von Glück‟ („H is for Happiness‟) verpasst haben, müssen Sie sich jedoch bis zur bald anstehenden DVD-Veröffentlichung gedulden.

Moment! Eine Veröffentlichung nur auf DVD im Jahr 2021? Das bringt uns jetzt leider auch mal zum Schimpfen. Manch ein toller Kinderfilm, der zuvor auf Festivals weltweit zu sehen war, wird heute ausschließlich auf DVD veröffentlicht. Eine Blu-ray-Ausgabe mit einer ordentlichen zeitgemäßen Bildqualität sucht man auf dem deutschen Markt vergebens. Bei jedem einzelnen Kinderfilm mag es nachvollziehbare Verkaufsargumente für dieses Downgrading geben. In der Summe ist es aber nicht schön zu sehen, dass der Hang zum Billigen typischerweise die Sparte Kinderfilm trifft und dann obendrein besonders diejenigen Filme technisch verramscht werden, die eigentlich inhaltlich hervorstechen.

Das Schicksal des schmerzhaften DVD-Downgradings hat neben „Das Blubbern von Glück‟ und „Mein Bruder, der Superheld‟ auch den sehenswerten französischen Animationsfilm „Königreich der Bären‟ ereilt, der nach seiner Aufführung in Annecy und beim Schlingel als Heimkinopremiere erscheint. Volle Qualitätsansprüche erfüllt hingegen der Arthaus-Bezahldienst MUBI, wo Sie derzeit noch den absolut sehenswerten „Une Colonie‟, preisgekrönt bei Generation Kplus 2019, nachholen können. Und jenseits von Kinderfilmen finden Sie auf Starzplay die von Luca Guadagnino inszenierte Serie „We are who we are‟.

 

Editorial | | von Stefan Stiletto

Kino zuhause - und ein TV-Star im Festivalgeschäft

Februar 2021

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Wie generiert man online schnell viele Klicks? Ganz einfach: Man schreibt über Sex. Das machen wir jetzt auch mal. Denn um Sex geht es in „Yes, God, Yes‟. Oder genauer: Es geht um das Verbot von Sex, denn Körperlichkeit und Lust sind in der konservativen religiösen Welt, in der die jugendliche Protagonistin aufwächst, tabu. Ein Drama ist der kurzweilige Debütfilm von Karen Maine zum Glück nicht geworden, sondern eine sympathische Komödie. Weil der Kinostart gestrichen wurde, lässt sie sich nun via Streaming oder klassisch auf DVD und Blu-ray zu Hause entdecken und ist schon aufgrund des komischen Talents der Hauptdarstellerin einen Blick wert.

Ein echtes Highlight hat unterdessen Netflix neu im Programm. Knapp drei Jahre nach der Uraufführung beim Sundance Filmfestival ist dort „Eighth Grade‟ zu sehen. Authentisch und humorvoll erzählt der Coming-of-Age-Film über eine Jugendliche, die als Vloggerin weitaus selbstbewusster ist als im doch recht steinigen Alltag. Grund genug, noch einmal auf unsere Kritik zu verweisen, die Holger Twele schon anlässlich der deutschen Premiere beim Filmfest München 2019 geschrieben hat.

Auch MUBI, der Streamingdienst für Filmbegeisterte, wartet in diesem Monat (zeitlich begrenzt) noch mit zwei absolut sehenswerten Produktionen auf, die nach ihren Festivalpremieren wieder vom Radar verschwunden sind: die Langzeitdokumentation „Jugend‟ von Sébastien Lifshitz sowie „Kuessipan‟ von Myriam Verreault über zwei Freundinnen in einer kanadischen First-Nations-Community.

Eine Ahnung von Kino bringt Ihnen der Festivalbericht von Reinhard Kleber über Jugendfilme auf dem kürzlich zu Ende gegangenen Festival Max Ophüls Preis. Sicher, das Festival fand nur digital statt. Aber vielleicht sind die gezeigten Filme ja in baldiger Zukunft doch noch im Kino zu sehen.

Den Sprung ins Kino hat Tobias Krell alias Checker Tobi schon hinter sich. Die Kinodoku „Checker Tobi und das Geheimnis unseres Planeten‟, die erste Adaption der beliebten KiKA-Wissenssendung, hat uns schon vor zwei Jahren mit ihrer schönen Mischung aus Leichtigkeit, Unterhaltung und Tiefgang außerordentlich gut gefallen. Nun taucht Tobias Krell in die Kinderfilmfestivalszene ein – und zwar nicht nur als Moderator, sondern als neuer Leiter des Kinderfilmfests München. Wir können uns gut vorstellen, dass in Zukunft allein Krells Bekanntheit einige Kinder mehr zum Filmfest locken wird. Und wir sind gespannt, welche Ausrichtung Krell dem Programm geben wird. Zweifellos ist es eine frohe Botschaft für eine Kinokultur, die sich mit der Power eines bekannten und inhaltlich allseits geschätzten Kinderfilm- und TV-Spezialisten für den hoffentlich baldigen Neustart präpariert.