Editorial | | von Stefan Stiletto
Gesehen werden
November 2025
Festivalfilme, die verschwinden. Festivaleindrücke, die bleiben. Filme über Trennungskinder, die auch mal Wut und Trauer zulassen. Und ein Film, der wiedergefunden wurde. Zum Glück!
Filmfestivals bergen immer auch eine gewisse Tragik in sich: Dort lassen sich zwar sehr viele Filme sehr kompakt entdecken. Aber danach sind sie weg. Und kommen vielleicht auch nie wieder. Zugegeben: Bei manchen Filmen ist das nicht weiter schlimm. Bei anderen schon. Hoffen wir also, dass „Aus Versehen Bestseller“ an entscheidender Stelle genauso gut ankommt wie bei unserer Autorin Katrin Hoffmann und ins deutsche Kino oder Fernsehen gebracht wird. Oder dass „Runt – Der kleine Streuner“ irgendwo in der deutschen Auswertungslandschaft ein neues Zuhause findet. Die „Wild Foxes“ jedenfalls, bei uns von Holger Twele gefeiert, wurden glücklicherweise schon von Grandfilm eingefangen. Merken Sie sich diesen Film also schon einmal für einen Kinobesuch vor!
Gestreift
Wenn Sie auch ein bisschen vom Drumherum der jüngsten Kinder- und Jugendfilmfestivals „Lucas“ und „Schlingel“ erfahren wollen, sind Sie bei unseren Pinnwänden genau richtig. Zusammenstellungen von Notizen, Eindrücken und Gedanken, betont subjektiv und nicht selten überraschend. Denn nur hier erfahren Sie, welche Bedeutung Kinotoiletten bei einem Festival haben können oder weshalb junge Besucher mit aufgeschrammten Backen durchs Frankfurter Filmmuseum laufen. Oder ganz ernsthaft: Wie schön die Festivals eine Publikumsbindung herstellen oder wie sie an ästhetischen Experimenten der Filmgeschichte anknüpfen.
Getrennt
„Paternal Leave“ hatte übrigens auch seine große Premiere bei einem Festival. Der Debütfilm von Alissa Jung feierte in diesem Jahr im Rahmen der Reihe 14plus bei der Berlinale seine Weltpremiere und kommt Ende November ins Kino. Thomas Hartmann hat den Film zum Anlass genommen, um sich differenziert mit Filmen über Trennungskinder zu beschäftigen. Glücklicherweise ist die Darstellung vielfältiger Familienformen heute eher der Normalfall. Trotzdem gibt es wichtige Filme, die auch dem Schmerz über Trennungen Raum bieten.
Gefunden
Schmerzhaft fühlt sich auch „We Grown Now“ an, der 2024 bei „Lucas“ gezeigt und prämiert wurde und danach von der Bildfläche verschwand – zumindest für die meisten. In den Tiefen der Streamingdienste lässt sich das eindrucksvoll inszenierte Drama (mit deutscher Synchronisation und sogar FSK-geprüft) leihen oder kaufen und ist unbedingt eine Entdeckung wert. Vor dem Hintergrund einer Jungsfreundschaft in einem sozialen Brennpunkt in Chicago erzählt die Regisseurin Minhal Baig über Rassismus und den Wunsch, gesehen zu werden.
Gesehen werden, wahrgenommen werden – damit schließt sich der Kreis unseres Editorials.
