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Hintergrund | | von Marius Hanke

Filmkritik für Jugendliche

Wo, wie & vor allem: wie relevant?

Seiten mit Filmkritiken gibt es im Netz viele. Manche richten sich an ein cinephiles Publikum, manche gehen kaum in die Tiefe und sind ausschließlich werblich ausgerichtet – und nur wenige sprechen ein junges Publikum direkt an. Ein Überblick über Filmkritik-Angebote für Jugendliche mit Gedanken über die Popularität von Bestenlisten-Filmjournalismus und die Macht der Algorithmen.

Die Website der FBW Jugend Filmjury; Quelle: https://www.jugend-filmjury.com/

Das Angebot an Filminfos im Internet ist riesig – und reicht von oberflächlichen Filmtipps mit Clickbait-Überschriften bis hin zu tiefgreifenden Kritiken. Umso schwieriger ist es, dieses Angebot zu filtern und die passenden Anlaufpunkte zu finden. Dadurch stellen sich einige wesentliche Fragen: Wo können sich Jugendliche zu Filmen gut informieren? Wie sind diese Angebote ausgerichtet und welche Ziele verfolgen sie? Spielen die klassischen Jugendfilme dabei noch eine tragende Rolle oder geht es hauptsächlich um die sowieso schon vielbesprochenen Blockbuster? Und weil letztendlich hiervon alles abhängt: Wo informieren sich Jugendliche tatsächlich, wenn sie nach Filmtipps und Filmkritiken suchen? Eine erste Orientierung.

Es gibt sie, die qualitativen Filmkritiken für Jugendliche…

Das Angebot an qualitativen Filmbesprechungen und weiteren Informationen zur Einordnung von Jugendfilmen ist auf jeden Fall vorhanden und frei zugänglich:

FBW Jugend Filmjury
Ein Angebot der Film- und Medienbewertung, nur dass hier Schüler*innen im Alter von 10 bis 17 Jahren bewerten. Also ideal, um sich Empfehlungen zu holen, die aus der Welt von Jugendlichen selbst kommen. Mit einer guten Mischung aus Blockbustern und anspruchsvollen Jugendfilmen.

Kinofilmwelt
Herausgegeben vom Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum (wie das Kinder- und Jugend-Filmportal) verfügt die Kinofilmwelt über eine riesige Datenbank mit Filmkritiken aus mehreren Jahrzehnten. Mit ersten Eindrücken, Infos zu inhaltlichen Schwerpunkten und konkreten Altersempfehlungen.

Youci
Die Online-Plattform vom Sächsischen Kinder- und Jugendfilmdienst e. V. zeigt Videokritiken, bei denen jeweils mehrere Jugendliche von ihren Eindrücken und Gedanken rund um einen Film erzählen. Richtig schön gemacht mit einer qualitativen Filmauswahl im Kinder- und Jugendbereich.

fluter
Das Jugendmagazin der Bundeszentrale für politische Bildung umfasst einige ebenso informativ wie ansprechend geschriebenen Filmrezensionen. Auf der Website leider unsortiert, sodass sich das Portal vor allem zum Stöbern eignet.

VICE
Das provokante Lifestyle- und Jugendmagazin hat nur eine überschaubare Anzahl an Filmbesprechungen, vorwiegend für bekanntere Filme. Dafür meist tiefgehend und mit Biss geschrieben.

Wie sehr diese Anlaufstellen tatsächlich von Jugendlichen genutzt werden, lässt sich ohne konkrete Mediadaten natürlich nur vermuten. Erste Anlaufstelle werden sie wohl eher nicht sein. Abgesehen von einer kleinen Community, die sich hier regelmäßig informiert – vielleicht auch auf einen Tipp aus dem persönlichen Umfeld hin. Oder wenn Jugendliche über die Google-Suche auf einem der Portale landen. Wobei hierfür die folgenden Websites wesentlich besser funktionieren.

Die Website der kinofilmwelt; Quelle: https://kinofilmwelt.de

… aber auch viele oberflächliche Bestenlisten

Sucht man im Internet nach Filmbesprechungen, tauchen natürlich häufig ebenjene Informationsangebote auf, die auf ein gutes Google-Ranking ausgelegt sind. Dabei handelt es sich größtenteils um Bestenlisten zu verschiedenen Genres und/oder Themen – beispielsweise „Die besten Jugendfilme“ auf kino.de oder „Jugendfilme: Die 50 besten Filme für Jugendliche“ auf popkultur.de. Diese Listen geben meist nur einen sehr oberflächlichen Eindruck der genannten Filme und selbst die Auswahl ist nur bedingt nachvollziehbar. Doch mittlerweile arbeiten nahezu alle größeren Filmportale nach diesem Prinzip. Und auch thematisch breiter aufgestellte Magazine und Communitys ziehen damit Suchende auf ihre Website oder den zugehörigen YouTube-Channel.

Das Prinzip funktioniert, nur geht es hier vor allem um das Geschäft mit Werbung und provisionsbasierten Verlinkungen. Für die Besucher*innen bieten die Listen meist nur oberflächliche Impulse ohne fachliche Kuration. Doch gibt es dankenswerterweise zumindest vereinzelte Artikel unter den ersten Suchergebnissen, die tiefer gehen. Ein Positivbeispiel zeigen hier „Die zehn besten Coming-of-Age-Filme der Zehnerjahre“ auf jetzt.de. Schön gemacht und außerdem mit Nennung der jeweiligen „Hauptgegner an der Kinokasse“.

Fernab der Bestenlisten läuft der Suchmaschinen-Traffic vor allem über die Suche nach konkreten Filmen. Führend sind dabei neben Wikipedia bekannte Portale wie kino.de, IMDb, Filmstarts und Moviepilot. Besonders die letzten beiden bieten zu vielen Filmen sehr ausführliche Rezensionen mit wertvollen Hintergrundinformationen. Nur richtet sich das Angebot generell an ein kinoaffines Publikum und nicht besonders an Jugendliche.

Persönliche Empfehlungen – und Algorithmen

Hört man sich einmal im eigenen Umfeld um, wird schnell klar: Die meisten Jugendlichen werden die Informationsangebote rund um passende Filme vermutlich nur selten bis gar nicht wahrnehmen. Wer sich leidenschaftlich für Filme interessiert, ist auf einschlägigen Szeneportalen wie den bereits genannten unterwegs und unterscheidet wohl kaum nach altersgerechten Kategorien. Ansonsten holt man sich Filmempfehlungen eher aus dem persönlichen Bekanntenkreis oder über Social Media. (Nicht selten gibt es Posts wie: „Bin gerade mit XY durch. Was für Filme/Serien könnt ihr mir gerade empfehlen?“)

Nicht zu unterschätzen sind auch die Streaming-Anbieter selbst mit den plattforminternen Empfehlungen, die auf Auswertungen der eigenen Nutzungshistorie basieren. Eine große Herausforderung der Filmkritik wird daher wohl künftig daraus entstehen, dass das Film- und Serienprogramm der Jugendlichen immer mehr von Algorithmen bestimmt sein wird. Dass ausgerechnet Netflix als Marktführer nur minimale und oberflächliche Infos rund um das eigene Programm zur Verfügung stellt, könnte da vielleicht sogar eine Chance bieten: indem hochwertige Kritiken diese Lücke füllen. Aber das funktioniert nur, wenn die Angebote auch gefunden und genutzt werden. So bleibt als große Frage: Wie können wir dazu beitragen, dass die Rezeption qualitativer Filmkritiken zum selbstverständlichen Teil der Mediennutzung Jugendlicher wird?

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