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Comedy Queen

Gläserner Bär Kplus! Eine 13-Jährige weigert sich, die Trauer um ihre verstorbene Mutter zuzulassen.

Nein, Sasha weint nicht. Weinen war Sache der Mutter. Die hat immer geweint, bis sie es in der Welt gar nicht mehr ausgehalten und sich das Leben genommen hat. Deshalb wird die Tochter nicht weinen, sie will ja nicht so werden wie ihre Mama. Im Gegenteil. Die 13-Jährige macht einen vierstufigen Plan, um anders zu sein. Die Mutter hatte lange blonde Haare – Sasha rasiert ihre blonden Haare komplett ab. Die Mutter las gerne – Sasha nimmt kein Buch mehr in die Hand. Für jemanden Verantwortung übernehmen? Auf keinen Fall! Und viertens wird Sasha „Comedy Queen“, um ihren Vater wieder aufzumuntern. Denn der weint immerzu, seit die Mutter nicht mehr da ist. Ein Masterplan für das Leben, an den Sasha sich klammert, um nicht doch noch ihr Innerstes spüren zu müssen und womöglich die große Traurigkeit zuzulassen, die sie ganz tief in ihrem Herzen vergraben hat.

Die Haare sind schnell abrasiert und Bücher könnte man durch das Internet ersetzen, wäre da nicht die Lehrerin, die auf ihren Schulbüchern beharrt. Und was macht sie, wenn sie den lange ersehnten Hund zum Geburtstag geschenkt bekommt? Verantwortung übernehmen? Mit ihren selber auferlegten Zwängen bringt Sasha sich ein ums andere Mal in große Schwierigkeiten und es wird nichts leichter, sondern alles immer komplizierter. Selbst der schnell geschorene Kurzhaarschnitt exponiert sie überall, wo sie hinkommt. Immer muss sie sich erklären und Stellung beziehen. Dabei will sie eigentlich nur ihre Ruhe und nie wieder an Mama denken müssen. Die erscheint ihr allerdings oft ganz unvermittelt als sehr reale Erinnerung. Ein Lied im Radio oder ein Geburtstagskuchen – und schon taucht die Mutter auf, anstatt sich endlich endgültig zu verabschieden.

Regisseurin Sanna Lenken hatte 2015 mit ihrem Debütfilm „Min lilla syster/Stella“ neben dem Gläsernen Bären der Berlinale unzählige weiter Preise gewonnen. Nun ist ihr wieder eine beeindruckende Studie einer verzweifelten Jugendlichen gelungen, der wir bei ihrem Ringen zusehen, den großen Verlust zu verarbeiten, den sie erlitten hat. Dazu müsste sich Sasha zunächst eingestehen, wie traumatisch es ist, dass ihre Mutter sich umgebracht hat. Hatte Sasha nicht manchmal insgeheim gehofft, Mama wäre tot, weil der Alltag mit ihr so unerträglich war? Das erfahren wir aus den Rückblenden, die für Sasha manchmal so schmerzlich sind, dass sie sich auf den Boden legen muss und einen stummen Schrei von sich gibt. Ob es wirklich gelingt, mit Komik dagegen anzukämpfen? Mit einem flotten, schlechten Spruch auf den Lippen oder einem aufgesetzten Lächeln, wenn sie gefragt wird, wie es ihr geht?

Die junge Schauspielerin Sigrid Johnson ist wirklich eine Wucht. Spielerisch wechselt sie zwischen den verschiedenen Emotionen und ist mit ihren stummen Schreien genauso glaubwürdig wie als schlechte Witzeerzählerin. Gebannt folgen wir ihr in ihrer Trauer, die immer da ist, aber von ihr meist mit dem verzweifelten Versuch überspielt wird, ihre vier selbst auferlegten Regeln umzusetzen. Sasha kämpft ausschließlich gegen sich selbst, denn egal was sie tut, trifft sie immer auf Verständnis und Wohlwollen ihrer Umgebung.

Es gibt kein Patentrezept, wie man mit Trauer umgehen sollte, außer dass man sie zulassen muss. Das erkennt schließlich auch Sasha nach einem kathartischen Comedy-Auftritt auf einer Kleinkunstbühne. Endlich kann sie mit dem Vater gemeinsam weinen und auch wieder lachen. Der Verlust ihrer Mutter tut immer noch weh, aber indem sie die Trauer nun akzeptiert und thematisiert, geht es ihr schon ein bisschen besser. Sasha kann wieder nach vorne sehen auf ein Leben ohne Mama, mit den schönen und traurigen Erinnerungen, die sie an sie hat.

Katrin Hoffmann

© Johan Paulin
10+
Spielfilm

Comedy Queen - Schweden 2022, Regie: Sanna Lenken, Festivalstart: 13.02.2022, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 10 Jahren, Laufzeit: 93 Min. Buch: Linn Gottfridsson, nach dem Roman „Comedy Queen“ von Jenny Jägerfeld. Kamera: Simon Pramsten. Musik: Irya Gmeyner, Martin Hederos. Schnitt: Andreas Nilsson. Produzentinnen: Rebecka Lafrenz, Anna Anthony. Produktion: FLX, Stockholm. Verleih: offen. Darsteller*innen: Sigrid Johnson (Sahsa), Ellen Taure (Märta), Oscar Töringe (Abbe), Iggy Malmborg (Ossie) u. a.

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