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Editorial | | von Stefan Stiletto

Sex und Horror und noch ein paar andere Sachen

Oktober 2023

Standfoto aus Sex Education - Staffel 4
"Sex Education - Staffel 4" (c) 2023 Netflix, Samuel Taylor

Es geht auch unverkrampft

Einer Serie mit dem Titel „Sexualerziehung“ grünes Licht zu geben – das ist schon mutig. Denn sexy klingt das ganz sicher nicht. Wie gut, dass die britische Serie „Sex Education“ dann ganz anders geworden ist und nichts mit Schulbuchsachlichkeit zu tun hat. Im Gegenteil: Offenherzig, ehrlich, manchmal schrill, manchmal auch ein bisschen derb, manchmal aberwitzig, manchmal berührend, vor allem aber in vielerlei Hinsicht divers und sexpositiv ist sie zu einem Aushängeschild der Serienproduktionen bei Netflix geworden. Wo US-amerikanische High-School-Filme schnell mal ausdruckslos werden, weil sie sich zwischen verbaler Obszönität, fetischisierten Körperbildern, konventionellen Gendererwartungen und Bild-Tabus verklemmen, nimmt „Sex Education“ kein Blatt vor den Mund. Die Serie bleibt dabei immer ganz nah an den Figuren. Die nun erschienene 4. Staffel ist zugleich der Abschluss der Serie – Christiane Radeke hat sie für das Kinder- und Jugendfilmportal gesehen und bringt in ihrer Kritik ihre Leistung und Bedeutung noch einmal gut auf den Punkt. Wer bislang noch unschlüssig war, hat nun also beste Bedingungen, alle Folgen am Stück wegzubingen.

Nochmal Unterricht, aber dieses Mal mit vielen Regeln

Wo wir gerade bei Unterrichtsfragen sind: Die Schule ist im Kinderfilm gerade mal wieder ein beliebter Schauplatz. Gut, das ist jetzt gar nicht so besonders. Aber gleich zwei Filme tragen sie auch im Titel: „Das fliegende Klassenzimmer“ reaktiviert noch einmal die bekannte Kästner-Geschichte, „Die unlangweiligste Schule der Welt“ adaptiert einen jüngeren Kinderbuchbestseller. Die Regelverstöße dabei fallen leider recht moderat aus, meint unser Rezensent Horst Peter Koll in seiner Kritik. Aber trotzdem hat dieser Film zumindest was die Schularchitektur angeht doch einen deutlichen Gestaltungswillen. Die spiegelt nämlich den reinsten Horror. Womit wir beim nächsten Leitthema unserer schönen clickbaitingtauglichen Überschrift wären.

Seelenmonster

Denn Halloween steht vor der Tür und damit auch der perfekte Anlass, sich mal wieder ein wenig mit dem Horrorgenre zu beschäftigen. Dass es auch ganz tolle Filme mit gruseligen horrenden Figuren, Themen und Ästhetiken für Kinder – ja, auch für die jüngeren – gibt, haben in diesem Jahr zwei Themenschwerpunkte beim Kinderfilmfest München und zuletzt bei „Lucas“ bewiesen. Dass Horror und Jugend manchmal eine enge Verbindung eingehen, ist dagegen eher schon trivial. In Filmen allerdings setzen viele Drehbuchautor*innen dann oft nur darauf, die jungen Menschen möglichst spektakulär ableben zu lassen. In letzter Zeit jedoch hat Christopher Diekhaus ein paar schöne Filme gesehen, die inmitten all des Grauens auch mehr über die Psyche der jungen Menschen zu erzählen wissen.

Junge Held*innen

Damit Sie sich jetzt nicht gruseln, spenden wir noch ein bisschen Trost. So wie der große Bruder in Lukas Dhonts eindringlichem Drama „Close“. Ulrike Seyffarth hat sich für unsere Reihe bemerkenswerter Figuren im Kinder- und Jugendfilm – die „Jungen Held*innen“ – diesen genauer angesehen. „Close“ ist übrigens ein toller Titel, der die Themen und die Ästhetik dieses Films ganz wunderbar trifft.

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