Editorial | | von Stefan Stiletto
Manege frei!
Mai 2025
Zwei Dokumentarfilmerinnen besuchen den Zirkus, in Neuseeland entpuppt sich ein gescheiterter Vater als trauriger Clown und ein Kino in Nürnberg lädt Kinder zum gemeinsamen Sehen, Staunen und Verweilen ein.

Im Kinderfilmbereich lohnt sich ein langer Atem. Oft dauert es sehr lange, bis ein Festivalhighlight ins reguläre Kinoprogramm durchgesickert ist – so wie nun „Lars ist LOL“. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat der Kinderfilm über Freundschaft, Scham und Vorurteile eine bemerkenswerte Festivaltournee hinter sich gebracht, im Februar schließlich wurde er mit dem ECFA Award als bester europäischer Kinderfilm ausgezeichnet
Zahlreiche Festivalerfolge hat auch das Regie-Duo Julia Lemke und Anna Koch zu verbuchen. Ihr bildstarker Dokumentarfilm „Glitzer & Staub“ über Mädchen im US-Rodeosport (und vielleicht mehr noch: über das Verhältnis der Mädchen zu ihren Eltern) lief weltweit rauf und runter und hat damit den Weg zu „Zirkuskind“ bereitet. Der neue Dokumentarfilm feierte seine Weltpremiere in der Sektion Generation bei der diesjährigen Berlinale und ist überdies der erste Dokumentarfilm, der im Rahmen der Initiative „Der besondere Kinderfilm“ gefördert wurde. Parallel zur gerade laufenden Festivalauswertung hat Holger Twele mit den Regisseurinnen gesprochen. Ein Werkstattinterview über ihre Schwerpunkte, ihre Vorbilder und ihre Herangehensweise.
Hier kommen die traurigen Clowns
Der Gedankensalto vom Zirkus zu den traurigen Clowns ist nicht allzu schwer. Und ein trauriger Clown ist Taika Waititi in seinen Filmen bisweilen. Etwa in „Boy“, der in Neuseeland übrigens gemäß der New Zealand Film Commission der zweiterfolgreichste Kinofilm überhaupt ist (und damit auf „Wo die wilden Menschen jagen“ folgt, einem anderen Kinder- beziehungsweise Jugendfilm von Taika Waititi). Eigentlich spielt Waititi in „Boy“ einen coolen Vater. Doch seine Vorbildfunktion wird gnadenlos entzaubert. Wie Waititi grundsätzlich immer wieder in seinem Werk von Generationenbeziehungen erzählt, über reife Kinder und unreife Erwachsene, das beleuchtet Marius Hanke in seinem Hintergrundtext und hat sich dafür tief in Waititis Werk eingegraben. Wer seinen Spuren folgen will, hat es in Deutschland durchaus schwer. „Boy“ läuft gerade untertitelt im Programm von MUBI, aber eine deutsche Synchro gibt es trotz Berlinale-Auswertung (2010, lange ist’s her) mitsamt Großem Preis der Internationalen Jury von Generation Kplus nicht. Manchmal reicht ein langer Atem leider nicht aus ...
Hereinspaziert!
Vom Streamingtipp zum Kinotipp: Wenn Sie mal in Nürnberg sind, sollten Sie einen Blick in das Programm des Casablanca Kinos und dabei vor allem auf den Casa Kids Club werfen. Ein vorbildliches Projekt, das Kindern die Freude am gemeinsamen Filmegucken im Kino vermittelt und damit einen Grundstein für die Publikumsbindung legt. Reinhard Kleber stellt das Casablanca vor, das nichts weniger sein will als ein „Kino zum Wohlfühlen“. Klingt gut, oder?