Und morgen die ganze Welt
Ist Gewalt als politisches Mittel gegen den Rechtsruck legitim? Eine junge Frau muss sich damit auseinandersetzten, wie weit sie gehen will.
Eigentlich hätte „Und morgen die ganze Welt“ ihr erster langer Spielfilm werden sollen, meint Regisseurin Julia von Heinz und ist froh, dass sie sich für diesen Stoff nun doch mehr Zeit gelassen hat. Insgesamt 13 Jahre, denn ihr bemerkenswertes Spielfilmdebüt „Was am Ende zählt“ feierte bereits 2007 seine Premiere in der Sektion Perspektive Deutsches Kino bei der Berlinale. Die Zeit haben Julia von Heinz sowie ihr Ehemann, der Drehbuchautor John Quester, gebraucht, um sich dem schwierigen Thema in ihrem neuen Film vielschichtig zu nähern, in dem es um die Frage geht, ob Gewalt als politisches Mittel in der heutigen Zeit legitim ist. Geht sie von der rechten Szene aus, wird die Frage mit einem klaren „Nein“ beantwortet. Wie ist es aber, wenn die linke Antifa-Bewegung auf militante Aktionen von rechts selbst mit Gewalt reagiert? Mit Gewalt gegen Sachen, aber auch gegen Menschen?
Die 20-jährige Jura-Studentin Luisa will etwas gegen den Rechtsruck im Land unternehmen. Luisa stammt aus einer wohlhabenden Familie, in der Traditionen und Jagdrituale großgeschrieben werden. Sie wächst behütet als Einzelkind in einem Herrenhaus auf, ihr Studium finanzieren die Eltern. Nun will sie zu ihrer besten Freundin Batte ziehen, die schon länger in einem linken Wohnprojekt in Mannheim, dem P 81, lebt. Vom P 81 aus plant die örtliche Antifa ihre Aktionen gegen Rechtsradikale. Demnächst wollen sie gegen eine Wahlkampfveranstaltung der populistischen Liste 14 demonstrieren. Batte beharrt darauf, friedlich zu protestieren, doch die beiden Freunde Lenor und Alfa meinen: „Gewaltfreier Widerstand gegen Nazis? Das ist absoluter Schwachsinn!“ Und in der Tat eskaliert die Situation, als die ersten Farbeier und Torten fliegen und es zu einer Schlägerei kommt.
Im Trubel wird auch Luisa verletzt und von Alfa gerettet, von dessen Kompromisslosigkeit sie zunehmend fasziniert ist. Bei einer Gegenaktion gegen einer weitere Demo einige Zeit später beginnt auch Luisa, mit Alfa und Lenor Autos der Rechten zu demolieren – und wird dabei empfindlich verletzt. Eigentlich wäre eine OP nötig, doch Lenor und Alfa haben Angst, sie ins Krankenhaus zu bringen und sich damit zu enttarnen. Nachdem sie bei einem ehemaligen Mitglied der Revolutionären Zellen, der für seine Aktionen jahrelang im Gefängnis saß, Unterschlupf finden, überschlagen sich die Ereignisse und die drei, allen voran Luisa, müssen sich entscheiden, wie weit sie für ihre Überzeugungen gehen wollen.
„Und morgen die ganze Welt“ feierte seine Premiere bei den 77. Internationalen Filmfestspielen in Venedig – eine große Auszeichnung. In der Tat ist dieser Film engagiertes, politisches Kino, das eindeutig in der heutigen Zeit angesiedelt ist und die Akzeptanz von linker Gewalt als politisches Mittel von vielen Seiten aus beleuchtet. Diese Facetten macht der Film an den verschiedenen Hauptfiguren fest, allesamt dargestellt von einem hervorragenden Schauspielensemble. So zeigt beispielsweise Andreas Lust („Einer von uns“, Stephan Richter, 2015) als ehemaliger linker Aktivist, wie eine Haftstrafe ein Leben zerstören und einen Menschen in die Isolation bringen kann. Oder es lässt Mala Emde („Offline – Das Leben ist kein Bonuslevel“, Florian Schnell, 2016) als Luisa durchblicken, dass ihre kompromisslose Haltung nicht allein politisch motiviert ist. Sie ist von Alfas kämpferischen Methoden fasziniert und in ihn verliebt. Problematisiert wird auch, dass Antifa-Aktivist*innen gern aus gutsituierten, behüteten Verhältnissen stammen und spätestens dann, wenn es um die Karriere geht, der extremen linken Szene den Rücken kehren. Denn selbst der radikale Alfa, wunderbar gespielt von Noah Saavedra („Egon Schiele – Tod und Mädchen“, Dieter Berner, 2016), ist fest entschlossen, legt heimlich großen Wert auf einen guten Studienabschluss.
Doch bei aller Vielschichtigkeit machen Julia von Heinz und John Quester, die selbst aus der Antifa-Bewegung kommen, ihre eigene Haltung zu offensichtlich kenntlich. So werden die Rechten maskenartig als Schläger, meist ohne Gesichter und schon gar nicht mit eigenen Biografien gezeigt. Vor allem aber wird die Haltung der Regisseurin und des Drehbuchautors durch das radikale Ende dokumentiert. Es ist ein Ende, das politischen Diskurs provoziert, aber auch unbedingt nötig macht. Ich persönlich hätte mir einen offenen Schluss gewünscht, in dem verschiedene Ansichten zugelassen werden.
Barbara Felsmann
Hinweis: Anlässlich des Kinostarts hat Holger Twele ein Interview mit Julia von Heinz geführt.
Und morgen die ganze Welt - Deutschland 2020, Regie: Julia von Heinz, Kinostart: 29.10.2020, FSK: ab 12, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 111 Min. Buch: Julia von Heinz, John Quester. Kamera: Daniela Knapp. Musik: Neonschwarz. Schnitt: Georg Söring. Produktion: Fabian Gasmia, Julia von Heinz. Verleih: Alamode. Darsteller*innen: Mala Emde (Luisa), Noah Saavedra (Alfa), Tonio Schneider (Lenor), Luisa Céline-Gaffron (Batte), Andreas Lust (Dietmar) u. a.
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