Alfons Zitterbacke (2019)
In der DDR war der Junge mit dem seltsamen Namen überaus bekannt. Die Neuverfilmung der Buchreihe hat den Stoff nun modernisiert.
„Zitterbacke, Hühnerkacke“ – so schallt es auch heute wieder über die Straße, wenn Alfons vorbeigeht. „Zitterbacke“, ein Nachname zum schnell Davonrennen, bevor die Rufe lauter werden. Den Jungen mit dem auffälligen Namen kennen die Menschen im Osten Deutschlands aus den Büchern von Gerhard Holtz-Baumert. 1958 erschien „Alfons Zitterbacke – Geschichten eines Pechvogels“, zwei weitere Bände folgten 1962 und 1992. Bereits 1966 eroberte der Pechvogel in dem DEFA-Film „Alfons Zitterbacke“ von Konrad Petzold die Herzen der Zuschauer*innen und erhielt spätestens 1986 mit seiner Serie im DDR-Fernsehen Kultstatus. In Westdeutschland hingegen kennen Alfons nur wenige. Aber das wird sich mit dem aktuellen Film ändern.
Im Gegensatz zu den Büchern hat Alfons in der neuen Literaturadaption einen sehr klaren Plan für seine Zukunft: Er will Astronaut werden. Gleich zu Beginn erleben wir ihn in einer Raumkapsel, die er mit dem Kosmonauten Sergej steuert, während Astronaut Alexander Gerst draußen am Raumschiff etwas zu reparieren versucht. Doch dann richtet Alfons versehentlich ein totales Chaos an – und wacht schweißgebadet auf. Diese Alptraumsequenz zeigt das grundlegende Dilemma, in dem Alfons steckt. Er hat immer tolle Ideen, aber ständig geht etwas schief und er macht sich ein ums andere Mal zum Gespött der Leute. Sowohl seine Mitschüler*innen als auch sein Lehrer finden Alfons’ Vortrag über die Toiletten auf der Raumstation ISS langweilig. In der nächsten Szene rammt er beim Fahrradfahren ein Auto, später muss er sich nach einer Karussellfahrt übergeben und im Schwimmbad stürzt er vom Sprungbrett. Sein Vater jedoch hätte gerne einen Sohn, der ein „normales“ Referat hält, einen Sohn, der richtige Muskeln hat und einen vollendeten Kopfsprung in den Pool absolvieren kann. Alfons’ Mutter unterdessen hält zwar zu ihrem Sohn, aber weil Mama und Papa oft über die richtige Erziehung in Streit geraten und Papa dann draußen im Zelt schlafen muss, fühlt sich Alfons auch noch am Zwist seiner Eltern Schuld.
Als Alfons in der Schule ein Plakat entdeckt, das zu einem Flugobjekte-Wettbewerb einlädt, bei dem als Gewinn ein Besuch im ESA-Weltraumlabor winkt, ist er Feuer und Flamme. Er überredet seinen einzigen Freund Benni, gemeinsam daran teilzunehmen. Aber die Zeit bis zum Wettbewerb verstreicht mit Chaostagen. Vor allem stehen Alfons und Benni in Konkurrenz zu Nico, der Alfons’ Idee für eine Rakte erst kopiert und schließlich von seinem reichen Opa tatkräftig unterstützt wird. Und dann droht Alfons auch noch vom Wettbewerb ausgeschlossen zu werden, nachdem er durch ein Missgeschick den Chemiesaal der Schule in Schutt und Asche legt. Sein Traum scheint zu platzen.
Regisseur Mark Schlichter gelang es, für den Film bekannte Schauspieler*innen zu engagieren, angefangen bei Devid Striesow als Alfons’ Vater über Katharina Thalbach als Direktorin sowie Wolfgang Stumph als Nicos Opa. Olaf Schubert verkörpert in einem Cameo-Auftritt den Chemielehrer, während Helmut Rossmann, der in der Rolle des Alfons im Film von 1966 berühmt wurde, als Würstchenverkäufer eine rührende Referenz erwiesen wird. Ein wahrer Coup aber ist der echte Alexander Gerst, der aus dem Weltraum mit Alfons skypet. Als die Dreharbeiten 2018 in Halle stattfanden, hat Gerst sich die Zeit genommen, aus dem Orbit die Nachricht zu senden, stets an seinen Träumen festzuhalten – der entscheidende Satz für Alfons, sich in der Nacht vor dem Wettbewerb noch einmal an die Raketenbaupläne zu setzen.
Während der tollpatschige Alfons sehr ernsthaft von Tilman Döbler verkörpert wird und Leopold Ferdinand Schill und Lisa Moell („Königin von Niendorf“) glaubhaft seine Teamkolleg*innen darstellen, gibt es bei den erwachsenen Figuren so viele Slapstickeinlagen, dass es mehr absurd als lustig ist. Der Sportlehrer kann zum Finale des Films mit zwei blau geschlagenen Augen kaum noch etwas sehen und der ständig panisch wirkende Herr Flickendorf ist ein so ungerechter Klassenlehrer, dass die Diskrepanz zu Alfons unglaubwürdig wird. Wieso sollten die Schüler*innen ihre klamaukigen Lehrkörper eigentlich ernst nehmen? Auch die DDR-Schauspielikone Katharina Thalbach spielt mittlerweile in zu vielen Kinderfilmen immer wieder dieselbe Rolle und scheint leider gar nicht mehr aus dem Klischeekorsett der überkandidelten Alten herauszufinden.
Trotz dieser Einschränkung bleibt die nachdrückliche Botschaft hängen: Folge konsequent deinen Zielen und lass dich nicht entmutigen! Alfons steht jedes Mal wieder auf. Welches Malheur auch geschieht: er hat schon wieder neue Pläne. Nach einer desaströsen Woche hat Alfons auf jeden Fall dazugelernt und konnte sein Umfeld davon überzeugen, dass auch einem Pechvogel Geniales gelingen kann. Wenn mal wieder alles schief läuft, dann wissen auch wir, dass aus großem Chaos geniale Ideen entstehen können, die selbst die schärfsten Kritiker*innen zum Schweigen bringen.
Sowohl die Bücher als auch die ersten Verfilmungen haben damals ein realistisches Zeitkolorit widergespiegelt. Die aktuelle Adaption hat den Hintergrund nun modernisiert und transportiert in satten Farben gegenwärtige Themen und Wünsche der jungen Generation wie Forscher- und Teamgeist.
Katrin Hoffmann
Alfons Zitterbacke (2019) - Deutschland 2019, Regie: Mark Schlichter, Kinostart: 11.04.2019, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 8 Jahren, Laufzeit: 92 Min., Buch: John Chambers, Mark Schlichter, Anja Flade-Kruse nach den Büchern von Gerhard Holtz-Baumert, Kamera: Christof Wahl, Schnitt: Claus Wehlisch, Musik: Egon Riedel, Produktion: Nicole Kellerhals, Uwe Schott, Stefan Arndt, Verleih: , Besetzung: Tilman Döbler (Alfons), Alexandra Maria Lara (Mutter Zitterbacke), Devid Striesow (Vater Zitterbacke), Leopold Ferdinand Schill (Benni), Lisa Moell (Emilia), Katharina Thalbach (Direktorin), Wolfgang Stumph (Opa von Nico) u. a.
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