Drachenzähmen leicht gemacht 3: Die geheime Welt
Die epische Geschichte über einen jungen Wikinger und seinen Drachen neigt sich dem Ende zu - in einem überaus gelungenen Finale.
Fast die Spanne einer Kindheit ist es mittlerweile her, dass ein schmächtiger Wikingerssohn auf der großen Leinwand auszog, um den gefährlichsten aller Drachen zu töten und sich damit die Anerkennung seiner Dorfgemeinschaft und vor allem seines Vaters zu sichern. Die Muskelstärke, die sich dieser für ihn gewünscht hätte, besaß der Junge nicht, aber dank seiner Intelligenz und technischen Begabung lag das Tier schließlich gefesselt und wehrlos vor ihm. Doch der Junge zeigte Mitgefühl und ließ den Drachen wieder frei.
Nicht erst zum finalen Spannungshöhepunkt von „Drachenzähmen leicht gemacht“ (Dean DeBlois, Chris Sanders, 2010), sondern genau in dieser Szene wurde in einer fantastischen Vergangenheit ein zeitgemäßer Held geboren. Statt zum Drachentöter wurde der junge Wikinger Hicks zum Drachenreiter; statt sich während eines Abenteuers zu ändern und seine vermeintlichen Schwächen zu überwinden, änderte er die Gesellschaft, in der er lebte. Zum verschonten Drachen baute er langsam eine Freundschaft auf und ihr Flug durch die Wolken war vor allem in 3D ein echter Höhenflug beim Kinoerlebnis. Aus dem Publikumsliebling erwuchs ein Franchise: Erst begann die Ausstrahlung einer Fernsehserie, dann folgte ein zweiter Kinofilm (erneut unter der Regie von Dean DeBlois, 2014) mit mehr Drachen und mehr Action. Doch obwohl der Junge ein Elternteil wiederfand und ein anderes verlor, schloss die Fortsetzung nicht an die emotionale Intensität des ersten Teils an. Nun bringt ein dritter Spielfilm die Geschichte rund um die Freundschaft zwischen Hicks und seinem Drachen Ohnezahn zu einem Abschluss, der ihrem starken Anfang beinah ebenbürtig ist.
Hicks’ Wohnort Berk ist inzwischen ein Refugium für Drachen aller Art geworden, die wie ein skurriler, farben- und formenreicher Vogelschwarm über dem Wikingerdorf kreisen, dort jeden Winkel bevölkern und friedlich mit den Menschen zusammenleben. Regelmäßig zieht Hicks mit einer Gruppe zu „Drachenbefreiungsaktionen“ aus, um weitere geflügelte Geschöpfe aus den Fängen von Drachenjägern und -tötern zu retten. Die Dorfgemeinschaft befürchtet allerdings, dadurch zur Zielscheibe für ebendiese zu werden. Tatsächlich hat Hicks’ Drache Ohnezahn, ein „Nachtschatten“, die Aufmerksamkeit des Drachentöters Grimmel erregt, der jeden seiner Artgenossen erlegen will. Mit einem Drachenweibchen plant der hagere H.P. Baxxter-Lookalike, Ohnezahn von Hicks und den restlichen Drachen zu trennen. Hicks wiederum, der seit dem Tod seines Vaters Wikingerhäuptling ist, beschließt, all seine Hoffnung auf ein friedliches Weiterleben auf einen alten Seefahrermythos zu setzen. Er will nach dem Land suchen, aus dem der Legende nach die Drachen stammen und in dem diese vor dem Zugriff von Jäger*innen geschützt sind.
„Er denkt, er muss uns alleine anführen“, sagt Hicks’ Mutter in einer Szene über ihren Sohn zu dessen tougher Freundin Astrid. „Ihm ist nicht klar, wie stark ihr zu zweit seid.“ Wie wunderbar hätte es zu den Figuren und ihrer Geschichte gepasst, hätte Astrid schließlich einen größeren Raum als gleichberechtigte Partnerin eingenommen, wie folgerichtig wäre es gewesen, hätte sich die Wikingertruppe auch von der Vorstellung verabschiedet, wie die Drachen ein einzelnes, sie anführendes „Alphatier“ zu benötigen! Schließlich nahm die Trilogie just mit der Absage an einengende Rollenbilder ihren Anfang. Schade, dass diese erzählerische Möglichkeit ungenutzt bleibt – und ironisch, dass man dies vielleicht nicht wahrgenommen hätte, wäre man nicht durch eine der Figuren darauf gestoßen worden.
Die Versäumnisse mit Blick auf Geschlechterbilder macht der Film jedoch in Punkto Mensch-Tier-Beziehungen wieder wett und rückt erneut die Freundschaft zwischen Hicks und Ohnezahn ins Zentrum sowie die Veränderungen, die das Auftauchen des Drachenweibchens und die Steigerung der Bedrohung bewirken. Wie in zahlreichen Kinderfilmen über die Freundschaft eines Kindes zu einem Wildtier setzt letztlich die Erkenntnis ein, dass für ein anderes Geschöpf Sorge zu tragen auch bedeuten kann, sich von diesem Geschöpf verabschieden zu müssen. So endet die Erzählung, wie sie begann: mit dem Mut zu einer klugen Entscheidung statt einer bequemen, mit Mitgefühl und einer Freilassung.
Erneut werden die Möglichkeiten der stereoskopischen Bildgestaltung gelungen eingesetzt, bringen die Zuschauer*innen emotional und perspektivisch noch näher an die Figuren und ihre Handlungen heran, statt sie durch jahrmarktschreierische Effekte aufzuschrecken. Und so wie sich der erste Film ausreichend Zeit nahm, die Annäherung zwischen Hicks und Ohnezahn zu bebildern, nimmt sich der dritte Zeit für jene zwischen Ohnezahn und dem Drachenweibchen, arbeitet mit viel visuellem Witz, kreiert heitere, verspielte Momente ebenso wie rührende. Das Drachenweibchen selbst mag auf Plakaten etwas schlicht wirken, erst auf der Leinwand kommt die Schönheit ihrer Animation zum Tragen: Sie ist nicht bloß ein komplementär gefärbtes Gegenstück zu Ohnezahn, ihre Haut wirkt nicht ledrig und schuppig wie die seine, sondern erinnert an glitzernden Mamor und evoziert dessen glatte Kühle und Eleganz. Die durchflogene, visuelle Pracht einer Drachenhöhle ist ebenso beeindruckend wie die Sorgfalt, mit der Texturen animiert wurden, die sanfte Schönheit von windbewegtem Haar oder aufziehendem Nebel. Der Film bringt zum Staunen, zum Mitfiebern, stimmt melancholisch, erheitert – kurz: Hätte er nicht selbst verraten, wie es noch ein Quäntchen besser gegangen wäre, man hätte sich diesen Abschluss kaum schöner vorstellen können.
Natália Wiedmann
How to Train Your Dragon: The Hidden World - USA 2019, Regie: Dean DeBlois, Kinostart: 07.02.2019, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 9 Jahren, Laufzeit: 104 Min., Buch: Dean DeBlois, nach der Buchreihe von Cressida Cowell, Schnitt: John K. Carr, Musik: John Powell, Produktion: Bonnie Arnold, Brad Lewis, Verleih: Universal
Altersempfehlung 6-9 Jahre
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