Die unglaubliche Reise von der Riesenbirne
Nicht mit einem Boot, sondern im Bauch einer riesigen Birne treten drei Freund*innen eine abenteuerliche Seereise an.
Pirat*innen fahren auf schwarzen Piratenschiffen, Seefahrer*innen auf großen Segelschiffen, Schiffbrüchige in hölzernen Kanus – aber der kleine Elefant Sebastian und seine Katzenfreundin Mitcho nehmen eine riesige Birne, um über das Meer zu segeln. Klingt absurd? Das soll es auch sein. Die zwei Freunde leben in Sonnenstadt, einem – wie der Name schon sagt – stets sonnigen Städtchen, das ausnahmslos von freundlichen Menschen bewohnt wird. Nur der zweite Bürgermeister Herr Knorzig hat dubiose Pläne. Er würde am liebsten einen hohen Rathausturm bauen, der allen Sonnenstädtern die Sonne raubt. Als eines Tages der erste Bürgermeister Jeremias Bartholomäus Severin Olsen, kurz J.B., verschwindet, wird der Turm von dessen Stellvertreter in die Tat umgesetzt. Das bildet die Ausgangssituation dieses CGI-Animationsfilms und markiert den klassischen Beginn einer Rettungsmission.
Nach dem beliebten dänischen Bilderbuch von Jakob Martin Strid ist dieser sehr obskure Film entstanden, der mit farbenfrohen Bildern über eine Reise über das Meer in einer gigantischen Birne anstatt an Bord eines ordentlichen Schiffs erzählt. Die Birne ist vor dem Haus der beiden Freunde über Nacht gewachsen, den Samen dazu hatte der verschollene J.B. per Flaschenpost gesandt – mit dem Hinweis, er befinde sich auf der geheimnisvollen Insel, auf der schon Sebastians Uropa verschwunden war. Mit Unterstützung des Erfinders Glykose finden sich die Freunde plötzlich auf dem Meer wieder. Kurs: Verschollene Insel.
Auf der abenteuerlichen Reise sind selbstverständlich verschiedene Hindernisse zu überwinden, angefangen bei einer seltsamen Piratenbande bis hin zu einem pechschwarzen Nebelmeer, das die Freund*innen durchfahren müssen und über dem nun die Geister Verschollener schweben. Auch Sebastians Uropa erscheint als helles Licht und wenn man genauer hinsieht, wandelt sich die dunkel wabernde Szenerie in ein Lichtermeer aus Sternen und Feuerwerk. Es kommt immer auf die Perspektive an, das gibt der Geist des alten Elefanten seinem Urenkel mit.
Dies gilt auch für das Publikum: Man kann in der reich ausgestatteten Computeranimation so manch liebevoll inszeniertes Detail entdecken. Die Szenerien sehen aus, als seien sie Spielzeugen aus dem Kinderzimmer nachempfunden. Allen voran dient das klassische Puppenhaus als Vorbild, denn es gibt von jedem Domizil einen Querschnitt, sodass wir in die Birne, in das Haus und später in die Insel hineinschauen können, dadurch einen Überblick erhalten, wo sich welche Figur gerade aufhält und wie das Innere architektonisch angeordnet ist. Unsere drei Retter*innen reisen wahrlich nicht nur in ihrer Birne, sondern es gibt noch die unterschiedlichsten Möglichkeiten, sich auf dem Meer fortzubewegen. Das originellste „Schiff“ ist wohl der Meeresdrache aus rostigem Stahl, der von einem einsamen Wissenschaftler gesteuert wird, der die Freund*innen am liebsten in seinem Drachenbauch behalten würde, damit sie ihm Gesellschaft leisten. Aber Freundschaft kann man nicht erzwingen, auch nicht mit den köstlichsten Schokodrachen.
Leider sind die beiden Hauptfiguren am langweiligsten charakterisiert, sehr glatt und nicht so individuell gestaltet wie die menschlichen. Dabei stellt sich übrigens die Frage, wieso es nur zwei sprechenden Tiere im gesamten Kosmos der Sonnenstadt gibt. Viel deutlicher fällt aber der Umstand auf, dass außer Mitcho kein einziges weibliches Wesen in diesem Universum existiert. Bei einem Personal von neun sprechenden Figuren ist die Katze die einzige feminine Heldin. Ein Ärgernis.
Die Regisseur*innen haben mit ihrem Film 2018 die Reihe Kplus der Berlinale-Sektion Generation eröffnet. Vom Publikum wurde der Film begeistert aufgenommen, denn er erzählt nicht nur eine originelle Geschichte, sondern funktioniert über weite Strecken auch vorhersehbar und mit berechenbarem Klamauk. Die Kinder lachen über fliegende Melonen, die die Piraten bombardieren, über den kleinen Möchtegern-Bürgermeister, der vor Wut rot anläuft, oder wenn unsere Held*innen durch die Luft fliegen, stolpern und sich mit Farbe bekleckern. Das ist offenbar der Minimalkonsens eines lustigen Films für junge Zuschauer*innen, aber bei 75 Minuten auf Dauer doch recht anstrengend. Es wäre wertvoller gewesen, wenn die Filmemacher*innen nicht um jeden Preis für einen Lacher inszeniert und ihre Zuschauer*innen ernster genommen hätten, um ihre Botschaft zu vermitteln, dass Freundschaft über allem steht und dass es sich lohnt, für seine Ziele zu kämpfen. Wenn am Schluss alle zusammen in Sonnenstadt leben, einschließlich der Piraten und des einsamen Drachenbootlenkers, ist das mehr wert als das Haschen nach dem nächsten Schenkelklopfer. „Die unglaubliche Reise von der Riesenbirne“ wird dadurch zu beliebig und man fragt sich, ob die ethischen Werte beim Publikum überhaupt ankommen und ob es hinter der Action noch den Kern der Geschichte erkennt.
Katrin Hoffmann
Den utrolige historie om den kaempestore paere - Dänemark 2017, Regie: Amalie Næsby Fick, Jørgen Lerdam, Philip Einstein Lipski, Homevideostart: 22.11.2018, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 6 Jahren, Laufzeit: 75 Min., Buch: Bo Hr. Hansen, nach dem Bilderbuch von Jakob Martin Strid, Kamera: Niels Grønlykke, Schnitt: Hans Perk, Anders Sørensen, Musik: Fridolin Nordsø, Produktion: Trine Heidegaard, Thomas Heinesen, Anbieter: Kochfilms
Altersempfehlung 6-9 Jahre
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