Chicken Run: Operation Nugget
Auf Netflix: Vom Paradies in die Hölle: Dieses Mal müssen die tapferen Hühner in eine Schlachtfabrik einbrechen.
„No chicken escapes from Tweedy’s Farm“, hatte der Bauer noch wütend und bestimmt gerufen. Gebracht hat es nichts. Am Ende von „Chicken Run – Hennen rennen“ (Nick Park, Peter Lord, 2000) war das Hühnergehege verlassen und der Plan der Tweedys, mit Hühnerpasteten zu Reichtum zu kommen, durchkreuzt. Seither leben der aus Amerika stammende ehemalige Zirkushahn Rocky und die mutige Ginger in geradezu paradiesischen Zuständen auf einer abgeschiedenen Insel. Ende gut, alles gut und eigentlich kein Grund für eine Fortsetzung. Es sei denn, Ginger und Rocky hätten Nachwuchs. Und der fände es bei den Eltern zu langweilig. Und genau das tritt ein.
Junghenne Molly will raus und etwas erleben, genauso wie ihre neue Freundin Frizzle. Wäre es nicht toll, den ganzen Tag Spaß zu haben so wie die Hühner, die mit dem Lkw mit der schönen Werbung einen Ausflug machen? Freiwillig und abenteuerlustig lassen Molly und Frizzle sich mitnehmen in die Fabrik, die außen zwar an die Festung eines Bond-Bösewichts erinnert, im Inneren aber wie ein großer Spielplatz aussieht. Noch ahnen Molly und Frizzle nicht, welche Absicht damit verbunden ist. Denn Hühner, die vor dem Schlachten Angst haben, schmecken nicht gut. Gechillte Hühner hingegen werden zu leckeren Chicken Nuggets – einer brandneuen Erfindung für das Fast-Food-Business. Während Molly allmählich begreift, was in der Fabrik wirklich vor sich geht, sind auch ihre Eltern in Aufruhr – und planen eine Rettungsaktion.
Einbrechen statt ausbrechen lautet die Devise. Hatte „Chicken Run“ noch Ausbruchsfilme wie „Gesprengte Ketten“ (John Sturges, 1963) oder „Stalag 17“ (Billy Wilder, 1953) als Vorbilder, so standen nun Heist-Movies wie „Mission: Impossible“ (Brian De Palma, 1996) Pate, gemischt mit James-Bond-artigen Bösewichten und Schauplätzen. Und tatsächlich ist auch diese Umkehrung erst einmal sehr lustig. Die Heist-Filme leben vom Witz der Einbrecher*innen, dieser Animationsfilm von den ulkigen Figuren, die radikal gegen den Strich gebürstet werden. Hühner sind eigentlich Feiglinge, aber keine Held*innen. Und schon gar keine mit aberwitzigen Plänen.
Ästhetisch und animationstechnisch geht der Plan voll auf: Die künstlichen Welten, die im Aardman Studio entstanden, sehen schlicht perfekt aus, die Bewegungen der Figuren, ihre Mimik und Gestik sind fein und differenziert und zugleich sehr komisch. Nur die Handlung schwächelt ein wenig, weil sie schon so bekannt vorkommt. Das Sequel spiegelt viele Szenen des Originals und wirkt daher manchmal eher wie ein Remake unter leicht veränderten Vorzeichen. Andererseits folgt man den Hennen und den Hähnen auch hier wieder gerne in das Abenteuer, weil die sorgsam ausgearbeitete Welt so viel zum Entdecken bereithält.
Mit Molly steht überdies nun zum ersten Mal eine junge Figur im Mittelpunkt, die – gerade auch durch die Konfrontation mit den Eltern – für Kinder eine noch bessere Identifikationsfigur darstellt. Mal etwas alleine machen wollen, mit Freund*innen ein Abenteuer erleben, sich hinaus in die Welt wagen – all das sind Themen, die ganz an alltägliche Wünsche von Kindern anknüpfen. Wenn sie die unzähligen dialogischen, visuellen und akustischen Zitate und Anspielungen auf die Filmgeschichte auch noch nicht verstehen mögen, so funktioniert der Film für sie auf der Ebene von Molly.
Was dem Film dennoch ein bisschen fehlt, ist der feine Witz von Nick Park und dessen Blick auf alltägliche Kuriositäten sowie der anarchische Witz von Peter Lord; beide haben den ersten Teil mitgeschrieben und gemeinsam inszeniert. Dieses Mal tauchen sie in den Credits nur noch als zwei der ausführenden Produzent*innen auf. Insgesamt wirken die etablierten Figuren hier viel glatter und haben weniger Tiefe. Der moralische Verrat durch Rocky aus „Chicken Run“ findet in der Fortsetzung keine Entsprechung, auch nicht die leisen Szenen.
Spaß macht der Film aber immer noch, weil das Timing stimmt und die Bilder mit so vielen Details aufwarten, dass diese kaum beim ersten Sehen alle wahrnehmbar sind. Darüber hinaus ist es der Charme des (weitgehend) Handgemachten, durch den „Chicken Run: Operation Nugget“ sich von CGI-Animationen abhebt. Es wirkt eben doch etwas greifbarer und echter, wenn auf den Figuren manchmal noch kleine Fingerabdrücke und Spuren des Menschlichen zu erkennen sind.
Stefan Stiletto
Chicken Run: Dawn of the Nugget - Großbritannien 2023, Regie: Sam Fell, Homevideostart: 15.12.2023, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 8 Jahren, Laufzeit: 98 Min. Buch: Karey Kirkpatrick, John O’Farrell, Rachel Tunnard. Kamera: Charles Copping. Schnitt: Stephen Perkins. Musik: Harry Gregson-Williams. Produktion: Aardman, Netflix. Anbieter: Netflix.
Altersempfehlung 6-9 Jahre
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