Alfons Zitterbacke – Endlich Klassenfahrt!
Im Kino: Neue Geschichten des Kinderbuch-Pechvogels, der nun zum Teenager geworden ist.
Drei Jahre sind seit „Alfons Zitterbacke – Das Chaos ist zurück“ (Mark Schlichter, 2019) vergangen – und Alfons, der als Grundschüler nach den Sternen griff und unbedingt Kosmonaut werden wollte, ist kaum wiederzuerkennen. Zum einen, weil er nicht mehr von Tilman Döbler, sondern nun von Luis Vorbach dargestellt wird, den wir bereits aus „Auf Augenhöhe“ (Evi Goldbrunner, Joachim Dollhopf, 2016) und „Unheimlich perfekte Freunde“ (Markus H. Rosenmüller, 2019) kennen. Zum anderen, weil der etwa Fünfzehnjährige nun ganz andere Probleme hat. Er ist in Leonie verknallt, die neue Mitschülerin in seiner Klasse. Und wo hätte er besser Gelegenheit, sich ihr anzunähern, als auf einer Klassenfahrt?
Der Topos Klassenfahrt bietet sich an, Beziehungen innerhalb der Klasse unter die Lupe zu nehmen. Alles passiert gleichsam wie unter einem Brennglas und auch in dieser Geschichte beschleunigen sich die Ereignisse, einerseits zwischen Alfons und seinem fiesen Klassenkameraden Nico, der keine Gelegenheit auslässt, Alfons lächerlich zu machen und über ihn herzuziehen, andererseits zwischen Alfons und Leonie. Doch Alfons ist, das ist so in den Kinderbuchvorlagen von Gerhard Holtz-Baumert angelegt, die in der DDR ungemein beliebt und erfolgreich waren, ein geborener Pechvogel. So passieren ihm auch in der Neuadaption (nach einer DEFA-Spielfilmadaption von Konrad Petzold 1966 und einer DDR-Fernsehserie 1986) ständig Missgeschicke, während der Lehrer ihn nicht leiden kann und er Nicos Attacken über sich ergehen lassen muss. Nico ist es dann auch, der Alfons zu einer Wette überredet: Wenn Leonie am Ende der Klassenfahrt nicht Alfons’ feste Freundin ist, muss dieser einen Tag lang alles tun, was Nico von ihm verlangt – oder umgekehrt. So ein dummer Wettkampf um die Gunst eines Mädchens kann ja nur zu schrecklichen Verwicklungen führen.
Leider gelingt es den Figuren nicht, diese emotionalen Achterbahnen auch wirklich spürbar zu vermitteln. Stattdessen arbeitet der Film als Behelfsmittel mit Kommentaren von Alfons aus dem Off, die in ihrer Häufung darauf hinweisen, dass dem Skript der richtige Zugriff auf seine Figuren fehlt. Wenn in der Kernszene, in der Alfons und Nico um Leonie wetten, Kommentare das noch erläutern müssen, zeigt dies die dramaturgische Schwäche des Drehbuchs. Auch dass Emilia Alfons’ beste Freundin ist, wissen wir nur aus dem Off-Kommentar. Zu sehen aber ist das nicht. Und nicht einmal Alfons wird so charakterisiert, dass wir wirklich mitfühlen können. Stattdessen stolpern wir mit Alfons von einem Unglück ins nächste, seien es fliegende Nudeln mit Tomatensoße, fliegende Waffeln oder ein fliegender Lehrer Flickendorf, den Alfons unglücklicherweise ins Meer befördert.
Klamauk gehörte vor allem zum ersten Film. Jetzt, da die Protagonist*innen in der Pubertät sind, haben sich die Schwerpunkte verlagert. Die Erwachsenen dürfen ganz ernst bleiben. Lediglich der neue Freund von Alfons’ Mutter ist ein ähnlicher Chaot wie Alfons, der die Mama genauso zur Weißglut bringen kann. Als kabelndes Paar dürfen hier Alexandra Maria Lara und ihr Mann Sam Riley die sorgenden Erwachsenen spielen. Sie reisen der Klasse hinterher, weil es eine verhängnisvolle Kofferverwechslung zwischen Mutter und Sohn gab. Und da die Klasse – Alfons ist schuld – von ihrem ursprünglichen Ferienort Usedom einmal quer durch die Republik in den Harz fahren muss, um ihre Unterkunft zu wechseln, tuckern auch Mutter und Freund von hier nach dort, immer in ihrem alten, kaputten, rosa Straßenkreuzer, was als Running Gag wirklich lustig ist.
Die durch die Corona-Pandemie bedingte lange Zeit zwischen dem ersten und zweiten Film hat aus den Kindern, von denen mit Ausnahme des Hauptdarstellers alle erfreulicherweise wieder in ihren Rollen mit von der Partie sind, nun Jugendliche werden lassen. Aber Luis Vorbach sieht definitiv noch einmal älter aus, als seine Figur im Film sein soll, und bringt dadurch das Ensemble in Ungleichgewicht. Zudem ist schwer auszumachen, welche Zielgruppe der Film im Auge hat. Es ist fraglich, ob Jugendliche sich mit dem vermeintlichen Pechvogel Alfons Zitterbacke noch identifizieren wollen.
Katrin Hoffmann
Alfons Zitterbacke – Endlich Klassenfahrt! - Deutschland 2022, Regie: Mark Schlichter, Kinostart: 07.07.2022, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 9 Jahren, Laufzeit: 92 Min. Buch: Mark Schlichter und John Chambers nach den Büchern von Gerhard Holtz-Baumert. Kamera: Conrad Lobst. Musik: Klaus Wagner. Schnitt: Julia Oehring. Produzentin: Nicole Kellerhals. Produktion: X Filme Creative Pool, N8-Filmproduktion. Verleih: X Verleih. Darsteller*innen: Luis Vorbach (Alfons Zitterbacke), Leni Deschner (Leonie), Ron Antony Renzenbrink (Nico), Leopold Ferdinand Schill (Benni), Thorsten Merten (Herr Flickendorf), Haley Louise Jones (Frau Hoffmann) u. a.
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