Die Häschenschule – Der große Eierklau
Im Kino: Ein animiertes Abenteuer über die Überwindung von Vorurteilen – mit Humor, moderater Spannung und Fantasy
Auch turbulente Unterhaltung kann ein guter Schutz für die Seelen jüngerer Zuschauer*innen sein. Das hat bereits das flott-sympathische Oster-Abenteuer „Die Häschenschule – Die Jagd nach dem goldenen Ei“ (2016) bewiesen, auf dem nun diese Fortsetzung aufbaut. Im ersten Teil bewährte sich der „coole“ Stadthase Max in vielen Abenteuern, nachdem er mitten in die geheime Idylle der Häschenschule geplatzt war. Zunächst machte er sich noch lustig über die fleißigen Häschenmädchen und Häschenjungen, die den Kindern zu Ostern die bunten Eier bringen. Dann aber erkannte er Sinn und Zweck dieses schönen Brauchs, wuchs über sich hinaus und rettete sogar das sagenumwobene Goldene Ei, das die Schule beschützt und ihren Schüler*innen magische Fähigkeiten verleiht. So fand der im Grunde recht einsame Max einen Platz im Leben, schloss das sanfte und doch tapfere Hasenmädchen Emma ins Herz und verinnerlichte die asiatisch gefärbten Lebensweisheiten der Schulleiterin Madame Hermine.
Nebenbei wurde angesprochen, dass der Film auf einem alten Kinderklassiker beruht. Als Max in der Häschenschule einmal das gleichnamige Bilderbuch von Albert Sixtus aus dem Jahr 1924 unter die Mümmelnase kam, war er entsetzt: „Das olle Märchenbuch!?“ Tatsächlich können auch die wunderbaren Zeichnungen von Fritz Koch-Gotha nichts daran ändern, dass das Originalbuch heute eher etwas für Nostalgiker*innen ist, während die betuliche Geschichte verstaubt und pädagogisch-oberlehrerhaft, mitunter gar autoritär daherkommt. Für eine angemessen zeitgenössische Verfilmung des Stoffs fand man eine deutliche Auffrischung der Grafik wie auch des Sujets, das im Kern doch eigentlich unverwüstlich und beständig ist. So entstand „Die Häschenschule“ neu als moderner Animationsfilm, getaucht in knallbunte (Computer-)Bildwelten von Stadt- und Naturleben, gewürzt mit kindgerechtem Witz und Humor, moderater Spannung, etwas Poesie und noch etwas mehr Fantasy. Spielerisch warb der Film somit für sanftes Lernen und mehr Verantwortung für sich wie für andere.
Eigentlich aber hatte Max mit der erfolgreichen Jagd nach dem Goldenen Ei längst noch nicht ausgelernt, und so muss er im neuen Abenteuer noch einiges mehr über Vertrauen, Teamgeist und Freundschaft erfahren. Wieder einmal steht Ostern vor der Tür, und Max freut sich besonders darauf, weil er der erste Stadthase ist, der als Meisterhasenkandidat ausgewählt wurde. Kurz bevor er sich auf den Weg zur Häschenschule macht, um sich dort besondere Spezialfähigkeiten anzueignen, legt er sich mit Leo an, dem Chef einer Großstadthasen-Bande. Er flieht auf Leos Motorrad zu Emma in den Wald, wo die beiden prompt an die neidische Fuchsmutter und ihre zwei fressgierigen Söhne mit ihren fiesen Fallen und Tricks geraten. Doch es gibt noch einen dritten Fuchsbruder: Der kluge, gerechte Ferdinand denkt völlig anders, hat überhaupt nichts gegen Hasen und hilft ihnen schließlich, als Leo auftaucht, um die aktuelle Ostereierproduktion zu torpedieren. Einst war Leo selbst auf der Häschenschule, die er wegen unwürdigen Verhaltens verlassen musste, jetzt will er sich rächen, indem er die bunten Eier stehlen und das Osterfest mit aller Gewalt stören will.
Übergangslos schließt der Film ans erste Abenteuer an, dennoch dürfte er auch ohne Kenntnis von Teil 1 weitgehend gut nachvollziehbar sein. Wieder geht es heiter, ausgelassen und in Maßen abenteuerlich zu, wobei die Gefahrensituationen stets durch freundliche, entspannende Momente abgemildert werden. Während der Film die bunte Vielfalt aller Tiere und Tierarten feiert und so eine Lanze für Toleranz bricht, bewahrt er sich stets etwas Aufmüpfig-Freches, sodass die Geschichte nie in devoter Niedlichkeit versandet, sondern immer wieder neu Gas gibt und mit immer verrückteren Einfällen auftrumpft. So ist die monumentale Eiersammel- und Färbemaschine ein ausgeklügeltes Fantasieprodukt, das am Ende selbst Leos „ausgefuchste“ Attacken übersteht. Auch werden die etlichen mythischen Anflüge nebst Prophezeiungen, magischen Fähigkeiten und moderat buddhistischen Weisheiten nicht allzu ernst genommen und sind vorrangig verspielte Zutaten im prall gefüllten, filmischen Osterkörbchen. Am schlechtesten kommt überraschenderweise der „böse“ Leo weg: Warum er eigentlich wirklich so gemein und rachedurstig ist, wird ebenso wenig vertieft wie er eine Chance auf Läuterung und Einsicht bekommt. Vielleicht braucht man Leo ja noch für einen dritten Teil?
Horst Peter Koll
Die Häschenschule – Der große Eierklau - Deutschland, Österreich 2021, Regie: Ute von Münchow-Pohl, Kinostart: 17.03.2022, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 7 Jahren, Laufzeit: 76 Min. Buch: Katja Grübel, Dagmar Rehbinder, frei nach Motiven des Kinderbuchs „Die Häschenschule“ von Albert Sixtus und Fritz Koch-Gotha (Illustrationen). Musik: Alex Komlew. Schnitt: Ute von Münchow-Pohl, Erik Stappenbeck. Produktion: Akkord Film/SERU Animation/arx anima animation studio/NDR/SWR/HR. Verleih: Leonine. Sprecher*innen: Noah Levi (Hasenjunge Max), Senta Berger (Madame Hermine), Friedrich von Thun (Lehrer Eitelfritz), Elise Eikermann (Emmi), Tim Kreuer (Ferdinand), Jule Böwe (Fuchsmutter Ruth), Katharina Strasser (Oberhenne Gudrun) u. a.
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