Lauras Stern
Im Kino: Geglückte Realverfilmung und fesselndes Traum-Spiel über ein junges Mädchen und seinen Sternenfreund.
Laura ist wieder da, dieses Mal aber nicht gemalt wie im beliebten Kinderbuch und auch nicht wie in den Animationsfilmen und -serien, sondern „in echt“: Da steht sie in ihrem roten Bademantel, aus dem ihre Schlafanzughosen herausschauen, auf der geräumigen Dachterrasse, breitet staunend die Arme aus und blickt lächelnd auf ihren magischen Stern, dem sie ein dickes Pflaster auf seine abgebrochene Zacke geklebt hat. Die war nämlich abgebrochen, als der Stern vom Himmel fiel und im Stadtpark nahe ihrer elterlichen Wohnung strandete. Nun kann er wieder zum nächtlichen Himmel emporschweben und bleibt doch bei Laura, vorerst – denn das Mädchen braucht seinen Beistand, nachdem es mit seinen Eltern und seinem kleinen Bruder Tommy in eine große Stadt umgezogen ist und sich dort so entwurzelt und heimatlos fühlt wie der Stern. Da mögen ihre Eltern noch so fürsorglich und das neue Zuhause noch so perfekt sein: Das wohlige Zuhause-Gefühl will sich einfach nicht von selbst einstellen.
Alles ist also vertraut an dieser Geschichte und wirkt doch erfrischend neu. Die siebenjährige Laura erlebt genau dasselbe Abenteuer wie schon vor 25 Jahren, als der Siegeszug des Kinderbuchs von Klaus Baumgart begann, welches seitdem mehrere Fortsetzungen, eine Fernsehserie und drei animierte Kinofilme erhielt. Jetzt wurde aus der Geschichte um den verletzten Stern und das ebenfalls (seelisch) verletzte Mädchen zwar ein munterer Realfilm, an dem aber ist allenfalls realistisch, dass nun echte Schauspieler*innen und Schauspieler vor Hamburgs Großstadtkulisse agieren.
Liebevoll und zugleich sehr akribisch bis in winzige Details hat die Regisseurin Joya Thome nach „Königin von Niendorf“ (2017) in ihrem zweiten Spielfilm den Look der Vorlage übernommen – und ist dabei auf verblüffende Weise fast noch poetischer und verträumter als das Original. Elegant fließen die in warme Farben getauchte Ausstattung und die digitalen Computereffekte ineinander, wobei nicht nur der heimatlose Stern, sondern auch Lauras Kuscheltiere Mini-Hase und Bär, Tommys Beschütz-mich-Hund sowie die skurrile Weltraum-Katze zu fotorealistischen Lebend-Versionen erwachen. So entstand ein märchenhaftes Traum-Spiel, das der Vorlage zeitgenössische Frische einhaucht und doch stets ein schönes Märchen an der Schnittstelle von Fantasie und Wirklichkeit bleibt.
Als Glücksgriff erweist sich die Wahl der kindlichen Darsteller, die behutsam durch die in angemessenem Erzähltempo entwickelte Handlung geführt werden, der auch jene bequem folgen können, die Lauras Erlebnissen zum ersten Mal begegnen. Selbst die dauerpräsente Musik von Hans Zimmer, Nick Glennie Smith und Henning Lohner wahrt weitgehend behutsam die Balance und bringt die magische Wirkung des kleinen Sterns ebenso zum Leuchten wie die Effekte-Abteilung, die mitunter sogar das komplette Planetensystem in Lauras Zimmer hineinzaubert. Dann fühlt man sich ein wenig wie Lauras getigerte Katze Muschka, die nach allem greift, was sich da um sie dreht, fliegt und schwebt.
Das größte Wunder des Films bleibt indes die kleine Emilia Kowalski als Laura, der man in ihrer charmanten Natürlichkeit einfach alles abnimmt – auch, dass sie vor dem Einschlafen ihre kleinen Sternenfreund charmant-lakonisch-bittet: „Könntest du bitte mal dein Licht ausmachen?“ Da ist es dann wieder: dieses schöne Schweben zwischen Realität und Träumen, aus denen (nicht nur) Kinder Kraft schöpfen, wobei man wie auf einem fliegenden Teppich schwerelos durch magische Bilderwelten, ja sogar durchs Universum gleitet – durch Farben und Formen, Schattierungen und Spiegelungen, Töne und Klänge.
Horst Peter Koll
Deutschland 2020, Regie: Joya Thome, Kinostart: 09.12.2021, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 5 Jahren, Laufzeit: 79 Min. Buch: Claudia Seibl, Claudia Thieme, nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Klaus Baumgart sowie dem Animationsfilmdrehbuch von Klaus Baumgart, Piet de Rycker, Michael Mädel, Alexander Lindner. Kamera: Daniele Knapp. Musik: Hans Zimmer, Nick Glennie Smith, Henning Lohner. Schnitt: Jamin Benazzouz. Produktion: Warner Bros./Rothkirch Cartoon Film/Westside Filmprod. Verleih: Warner Bros. Darsteller*innen: Emilia Kowalski (Laura), Michel Koch (Tommy), Giuseppe Bonvissuto (Paul), Luise Heyer (Mutter), Ludwig Trepte (Vater) u. a.
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