Lene und die Geister des Waldes
Im Kino: Ein ungewöhnlicher, vielschichtiger Dokumentarfilm über ein Mädchen, dass die Wunder und die Schönheit der Natur entdeckt.
Schmollend fährt die siebenjährige Lene mit ihrer älteren Schwester Lynn und ihrem Vater in den Urlaub. Statt ans Meer geht es in den Bayerischen Wald, wo dem aufgeweckten Mädchen alles ziemlich verschlafen erscheint und die Menschen einen Dialekt sprechen, der kaum zu verstehen ist. Papa aber will in Ruhe die Berge malen, mault Lene, „und wir sollen die Natur genießen ...“
Dass Lene und Lynn dann tatsächlich ihren Urlaub in der Natur genießen, hätte Lene selbst nie für möglich gehalten. „So weit hatte ich noch nie gesehen!“, staunt sie. „Die sieben Berge sehen aus wie im Märchen.“ Märchen und Sagen mischen sich bald in ihre Träume, und auch der dichte Wald mit seinen alten Bäumen, Grotten, Seen und kristallklaren Bächen ist voller geheimnisvoller Geschichten. Eine davon handelt von Peter, der so alt wie Lene war, als er spurlos verschwand. Ein Waldgeist soll ihn gerettet und in tausend Regentropfen verwandelt haben. Seitdem ruht er, so heißt es, in der Grotte bei den schlafenden Seelen und kehrt erst zurück, wenn Kinder die Schönheit und die Geheimnisse des Waldes neu zu entdecken.
All diese Geschichten und auch Lenas Ferienabenteuer könnte man sich als spannend erzählten Spielfilm vorstellen, vielleicht auch als farbenprächtiges Animationsfilm-Märchen. „Lene und die Geister des Waldes“ aber ist ein Dokumentarfilm, er erzählt also eine „echte“ Geschichte. „Das heißt“, so liest man gleich zu Beginn auf einer Schrifttafel, „so, wie die Menschen erscheinen, sind sie auch in Wirklichkeit. Manches ist ein bisschen fantastisch und geheimnisvoll. Aber auch das soll ja im wirklichen Leben vorkommen.“ Lene, Lynn und ihr Vater haben also ihre Urlaubsreise wirklich unternommen und sich dabei vom Regisseur und von den beiden Kameramännern im Nationalpark Bayerischer Wald sowie in der Ortschaft Waldhäuser filmen lassen. Dabei hat Lene tatsächlich neue Freund*innen gefunden, mit denen sie den Wald erkundet, Wiesen, einen Fischteich, einen Gebirgsbach und, vor allem, viele Tiere entdeckt: Schmetterlinge, Grillen, Spinnen, Bienen, alte Esel auf einem Tierhof, Wachteln und Schildkröten, die zum Wettrennen um eine saftige Walderdbeere antreten.
Auf Erkundungsgang mit der „coolen“ Rangerin Christin lernt Lene den Borkenkäfer kennen, staunt ungläubig über den Fuchsbandwurm und lässt sich angesichts eines riesigen Steinhaufens auf einer Bergspitze von einem Schatz berichten. Ein erfahrener Waldhüter, den die Kinder den „Wald-Obelix“ nennen, führt sie nicht nur zu magisch leuchtendem Moos, sondern bereitet den Kindern ein zünftiges Essen aus Gesammeltem und eigenhändig Geerntetem, und wenn Lene sogar beim Bau eines Baumhauses selbst Hand anlegen kann, strahlt sie vor Stolz: „Das hätte mir Papa nie zugetraut. Ich und eine echte Holzsäge!“ Auch übernachtet Lene mit den anderen im Freien und beobachtet mit ihnen während einer abenteuerlichen Nachtwanderung unter kundiger Führung sogar einen Wolf. So beginnt sie, den Wald und die Natur überhaupt mit anderen Augen zu sehen.
All dies und noch viel mehr zeigt der ungewöhnliche Dokumentarfilm, wobei er eine ganz besondere Erzählform für Lenes Welt- und Walderfahrungen findet. Meistens nämlich lässt er sie selbst erzählen, sodass eine Art kindliches Reisetagebuch entsteht, in das dann auch einfließt, dass sich Lene mitunter von ihrer Schwester schlecht behandelt und deshalb einsam fühlt. Indem sie höchst charmant ihre Gedanken, Träume und auch Sorgen mitteilt, entsteht ein lebendiges, mitunter fantastisches Sommererlebnis, reich an Entdeckungen, ebenso an feinen Stimmungen und Atmosphären. Die bisweilen romantisierend-idyllischen, dabei stets liebevollen Naturbetrachtungen werden von mal sanfter, mal ansteckend fröhlicher Musik begleitet und lassen aus den Geistern des Waldes schließlich den Geist des Waldes hervortreten: der Wald als eine Persönlichkeit, der sein Lebensrecht hat. Ohne belehrenden Zungenschlag, im guten Sinne naiv, neugierig und stets welt- und waldoffen begeistern Lene und „ihr“ Film für die Natur, die es respektvoll und nachhaltig zu entdecken gilt.
Auf einer weiteren Erzählebene begegnet man einer alten, an zwei Stöcken gehenden Frau, die alle die „Wald-Ursel“ nennen. Lene sieht sie nur noch auf einigen Fotografien, denn Ursula Sauer, wie sie in Wahrheit hieß, starb 2017 vor dem Beginn der eigentlichen Dreharbeiten. Immerhin finden noch einige Szenen mit ihr Eingang in den Film, um Lenes Ferientagebuch behutsam zu ergänzen und zu erweitern. Während „Wald-Ursel“ begeistert ihre Hände auf eine Felswand legt oder die feine Struktur der Bodengewächse bewundert, hört man, wie sie den Wald als ständige Veränderung erläutert: „Alles darf kreuz und quer wachsen, wie es will“, sagt sie, und ein wenig fühlt man sich an Lene und die anderen Kinder erinnert, denen man ähnliche Freiräume wünscht. Lene wiederum reagiert mit neuen, immer tiefgründigeren Fragen: Was ist eine Seele? Kann man sie sehen? Kann man davon auch träumen? Haben Tiere auch eine Seele? Nicht zuletzt solche „organisch“ eingefügten Gedanken machen den Film zu einem reichen, anrührenden und hoffnungsstiftenden Kleinod nicht nur für Kinder.
Horst Peter Koll
Lene und die Geister des Waldes - Deutschland 2020, Regie: Dieter Schuhmann, Kinostart: 25.11.2021, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 7 Jahren, Laufzeit: 99 Min. Buch: Dieter Schuhmann (Konzept), Grit Lemke (Konzept). Kamera: Thomas Riedelsheimer, Rainer M. Schulz. Musik: Sven M. Brandt, Marc Bohnacker, Jans-Jörg Eberle. Schnitt: Philipp Schindler. Produktion: Basthorster Filmmanufaktur/NDR. Verleih: Real Fiction.
Kino
» Tony, Shelly und das magische Licht
» Blitz
» Tandem – In welcher Sprache träumst du?
» Samia
» Dìdi
» Animalia
» Wonka
» Elaha
» Die unlangweiligste Schule der Welt
» L‘amour du monde – Sehnsucht nach der Welt
» Deep Sea
» Ernest & Célestine: Die Reise ins Land der Musik
» Besties
» Spider-Man: Across the Spider-Verse
» Oink
» Suzume
» Sara Mardini – Gegen den Strom
» Wann wird es endlich wieder so wie es nie war
» Im Himmel ist auch Platz für Mäuse
» Ein Weihnachtsfest für Teddy
» Die Mucklas … und wie sie zu Pettersson und Findus kamen
» Die Schule der magischen Tiere 2
» Mein Lotta-Leben – Alles Tschaka mit Alpaka
» Alcarràs
» Alfons Zitterbacke – Endlich Klassenfahrt!
» Belle
» Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann
» Die Häschenschule – Der große Eierklau
» Petite Maman - Als wir Kinder waren
» Belfast
» Der Pfad
» Sing – Die Show deines Lebens
» Das große Abenteuer des kleinen Vampir
» Weihnachten im Zaubereulenwald
» Lene und die Geister des Waldes
» Encanto
» Platzspitzbaby – Meine Mutter, ihre Drogen und ich
» Elise und das vergessene Weihnachtsfest
» Die Schule der magischen Tiere
» Youth Unstoppable – Der Aufstieg der globalen Jugend-Klimabewegung
» Die fabelhafte Reise der Marona
» Die Pfefferkörner und der Schatz der Tiefsee
» Lionhearted – Aus der Deckung
» Herr Bachmann und seine Klasse
» Madison – Ungebremste Girlpower
» Bori
» Ein bisschen bleiben wir noch
» Hilfe, ich hab meine Freunde geschrumpft
» Niemals Selten Manchmal Immer
» Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess
» Yalda
» Kokon
» Into the Beat – Dein Herz tanzt
» Meine Freundin Conni – Geheimnis um Kater Mau
» Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte
» Monos – Zwischen Himmel und Hölle
» Lassie - Eine abenteuerliche Reise
» Die Heinzels – Rückkehr der Heinzelmännchen
» Die fantastische Reise des Dr. Dolittle
» Latte Igel und der magische Wasserstein
» Als Hitler das rosa Kaninchen stahl
» Auerhaus
» Die Götter von Molenbeek – Aatos und die Welt
» Fünf Dinge, die ich nicht verstehe
» Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar
» Nevrland
» Maleficent: Mächte der Finsternis
» Fritzi – Eine Wendewundergeschichte
» Mein Lotta-Leben – Alles Bingo mit Flamingo!
» Paranza: Der Clan der Kinder
» A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando!
» TKKG – Jede Legende hat ihren Anfang
» Roads
» Tito, der Professor und die Aliens
» Club der roten Bänder – Wie alles begann
» Drachenzähmen leicht gemacht 3: Die geheime Welt
» Checker Tobi und das Geheimnis unseres Planeten
» Capernaum – Stadt der Hoffnung
» Raus
» Yuli
» Feuerwehrmann Sam – Plötzlich Filmheld!
» Der kleine Drache Kokosnuss – Auf in den Dschungel!
» Der Junge muss an die frische Luft
» Astrid
» Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot
» Der Nussknacker und die vier Reiche
» Wildhexe
» Girl
» Ava
» Thilda & die beste Band der Welt
» Power to the Children – Kinder an die Macht
» Das Haus der geheimnisvollen Uhren
» Mary und die Blume der Hexen
» Pettersson und Findus – Findus zieht um
» 303
» Hotel Transsilvanien 3 – Ein Monsterurlaub