Morgen gehört uns
Im Kino: Dokumentarfilm über engagierte Kinder, die ihre Welt von morgen lebenswerter machen wollen.
José Adolfo, ein 13-jähriger peruanischer Junge, schreitet in einem großen Festsaal etwas unsicher zwischen feierlich gedeckten Tischen hindurch Richtung Bühne. Wir befinden uns in Stockholm bei der Verleihung des Internationalen Kinder-Klimapreises 2018. Gleich wird José die Ehrung für den ersten Platz entgegennehmen. Aber zuvor führt der Dokumentarfilm „Morgen gehört uns‟ sein Publikum zu vielen anderen Kindern aus unterschiedlichsten Ländern, die wie José mit ihren Aktionen die Welt verändern.
Regisseur Gilles de Maistre hat schon einige Dokumentationen über das Leid von Kindern weltweit gedreht, ob über Kindersoldaten, Straßenkinder oder über Kinder, die an Hunger sterben. Es sind Filme und Bilder, die erschüttern, jedoch – wie de Maistre in einem Interview sagt – auch nichts verändern. In seinem neuen Film stellt er junge Menschen vor, die aktiv werden und anderen dadurch ein Vorbild sein können, weil sie dazu motivieren, sich selbst zu engagieren.
José bekommt den Kinder-Klimapreis, weil er bereits mit sieben Jahren eine Umweltbank für Kinder gründete, eine Institution, die Kinderarmut und Umweltproblematik verknüpft. Schüler*innen sammeln recycelbaren Müll und tauschen ihn gegen ein Guthaben bei der Umweltbank ein. Damit können sie sich dann Schulutensilien leisten – eine im Prinzip ebenso einfache wie geniale Idee.
Die zwölf Jahre alte Aïssatou kämpft in ihrer Heimat Guinea dagegen, dass Mädchen unter 16 Jahren schon verheiratet werden. Zwangsehen sind in ihrem Land zwar verboten, aber trotzdem immer noch Alltag. Wenn Aïssatou von einer bevorstehenden Hochzeit erfährt, tut sie alles, um diese zu verhindern. Die Behörden helfen ihr dabei und halten auch schon mal das Auto einer Hochzeitsgesellschaft auf, um ein junges Mädchen vor der Ehe mit ihrem 30-jährigen Cousin zu befreien.
Sehr nah an der Alltagserfahrung aus europäischen Großstädten ist der Einsatz des zehnjährigen Arthur im französischen Cambrai, der sich um Obdachlose kümmert. Mit einer entwaffnenden Offenheit geht er auf die am Boden kauernden Menschen zu und fragt nach ihren Bedürfnissen. Dann kauft er Essen oder besorgt Decken und Anziehsachen. Um dies alles zu finanzieren, malt er Bilder und gibt sie gegen eine Spende an Interessente ab. Er ist in seinem Ort mittlerweile fast schon ein kleiner „Heiliger“, der auch vom Bürgermeister empfangen wird. Jeder in der Stadt kennt ihn und seine Vision ist es, später einmal ein Heim für Obdachlose zu errichten. Auch Khloe in Los Angeles hilft Obdachlosen. Sie packt Tüten mit alltäglichen nützlichen Utensilien und verteilt sie an Bedürftige.
In Indien gibt die elf Jahre alte Heena mit anderen Kindern die Zeitung Balaknama („Die Stimme der Kinder“) heraus. Drei Jungen in Bolivien engagieren sich in einer eigenen Kindergewerkschaft. Sie arbeiten in Minen oder Ziegeleien und setzten sich gegen Ausbeutung und Ungerechtigkeiten ein. Aber sie kämpfen auch dafür, dass sie überhaupt arbeiten dürfen, denn Kinderarbeit ist für arme Familien oft die einzige Chance, halbwegs über die Runden zu kommen. Zudem ermöglicht ihr Verdienst ihnen, sich eine Schulbildung leisten zu können.
José stellt all diese Kinder vor, die er nicht persönlich kennt, die aber genauso mutig und ideenreich sind wie er. Der Regisseur verschränkt ihre Geschichten mit der Ehrung in Stockholm, denn alle hätten es verdient, für ihr Engagement ausgezeichnet zu werden. Einige von ihnen, wie Aïssatou in Guinea, sind täglichen Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt, denn mit ihren Aktionen provozieren sie, fordern die Erwachsenen heraus und stellen Traditionen in Frage.
Nicht zuletzt ist es dem Mut und der Unbeirrbarkeit engagierter Kinder zu verdanken, dass Gerichte nun Regierungen zwingen, Gesetze neu zu formulieren, wenn es beispielsweise um Klimagerechtigkeit für die nachfolgende Generation geht. Gilles de Maistre gibt in seinem Film einigen Kindern eine Stimme und macht sie stellvertretend für unzählige andere junge Aktivisti*innen sichtbar. Ein Film der Mut macht und zum Handeln auffordert.
Katrin Hoffmann
Demain est à nous - Frankreich 2019, Regie: Gilles de Maistre, Kinostart: 15.07.2021, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 9 Jahren, Laufzeit: 84 Min. Buch: Prune de Maistre. Kamera: Gilles de Maistre. Musik: Marc Demais. Schnitt: Michèle Hollander. Produktion: Mai Juin Productions. Verleih: Neue Visionen. Mitwirkende: José Adolfo, Arthur, Aïssatou, Heena, Khloe, Jocelyn, Kevin und Peter u. a.
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