Frühling in Paris
Eine kleine Sensation aus Frankreich: Ungemein stimmungsvoll erzählt der Film über die erste Liebe einer Teenagerin – zu einem erwachsenen Mann.
Mit 15 Jahren begann Suzanne Lindon, Tochter der französischen Schauspielerin Sandrine Kiberlain und des Schauspielers Vincent Lindon, an ihrem Drehbuch für „Frühling in Paris“ zu schreiben. Fünf Jahre später war dann ihr Film fertig, schaffte es sogleich in die offizielle Auswahl der Filmfestspiele von Cannes und wurde beim Internationalen Filmfestival Toronto in der Sektion Discovery gezeigt. Suzanne Lindon erzählt eine sehr stille, sensible Geschichte, die höchstwahrscheinlich an eigenen Gefühlen und Empfindungen anknüpft.
Es geht um die 16-jährige Suzanne, die in ihrem Pariser Bezirk, dem Künstlerviertel Montmartre, einen ganz besonderen Frühling erlebt. Suzanne ist anders als ihre Mitschüler*innen, irgendwie erwachsener, ernster. In deren Runde fühlt sie sich nicht wohl. Gehen sie alle nach der Schule noch ins Café, langweilt sich Suzanne eher. Die Gespräche rauschen an ihrem Ohr vorbei, während sie selbst vor sich hinträumt und gedankenverloren ihre rote Diabolo Grenadine trinkt. Sie liest Bücher des Existenzialisten und Kultautors Boris Vian, doch austauschen darüber kann sie sich mit niemanden aus ihrer Klasse. Als sie von einer der nervenden Partys nach Hause kommt, entdeckt sie vor dem kleinen Theater in der Nähe den 35-jährigen Schauspieler Raphaël, der gerade Probleme mit seinem Motorroller hat. Irgendwie fühlt sich Suzanne magisch von ihm angezogen. An den kommenden Tagen beginnt sie, ihn zu beobachten, ihm ins Theater zu folgen, bis er eines Tages lächelnd auf sie zukommt und um Feuer bittet. So beginnt für das Mädchen und den 20 Jahre älteren Mann ein Frühling voller Gefühle, voller Zweisamkeit und Romantik.
Unaufgeregt, manchmal auch rätselhaft und dabei unglaublich zauberhaft nähert sich Suzanne Lindon dem Phänomen der ersten Liebe. Mit der Kamera immer nah an den Gesichtern der beiden Liebenden fängt sie jede Gefühlsregung ein, schildert sie die anfänglichen Ängste und Zweifel der beiden, Suzannes Aufgeregtheiten vor den Treffen, ihr heimliches Werben um den zurückhaltenden Mann, ihre zunehmende Zuversicht, die Innigkeit, wenn beide durch die menschenleere Straße tanzen, den ersten Kuss auf den Hals. Wunderbar auch, wenn Suzanne ihrer Mutter weinend gesteht, dass sie sich „in einen Erwachsenen verliebt hat“. Und ebenso wunderbar das Ende dieses einmaligen Frühlings, das ein „verwandeltes Mädchen“ voller Lust und Erwartungen auf den Sommer blicken lässt. Verwandelt deshalb, weil Suzanne ihre Andersartigkeit, ihr erwachsenes Empfinden, ihre Ernsthaftigkeit und ihr Interesse für Kunst und Philosophie endlich annehmen kann und sich nicht mehr als Außenseiterin fühlt. Im Zusammensein mit Raphaël kann sie sich spiegeln und so zu sich finden, eben erwachsen werden. Dass ihre erste Liebe so viel älter ist als sie, stellt für Suzanne kein Problem dar. Im Gegenteil! Sie ist die Aktive, die sich um den zunächst zögerlichen Mann bemüht und letztendlich auch den „Gang der Dinge“ bestimmt.
Alles in allem ist „Frühling in Paris“ ein Film, der eine ungemein charmante Atmosphäre entfaltet und sein Publikum neugierig macht auf die Fortsetzung dieser Frühlingsgeschichte.
Barbara Felsmann
Seize Printemps - Frankreich 2020, Regie: Suzanne Lindon, Kinostart: 17.06.2021, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 15 Jahren, Laufzeit: 74 Min. Buch: Suzanne Lindon. Kamera: Jérémie Attard. Musik: Vincent Delerm. Schnitt: Pascale Chavance. Produktion: Avenue B Productions, Eskwad, Bangumi. Verleih: MFA+. Darsteller*innen: Suzanne Lindon (Suzanne), Arnaud Valois (Raphaël Frei), Frédéric Pierrot (Suzannes Vater), Florence Viala (Suzannes Mutter), Rebecca Marder (Marie) u. a.
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