Thilda & die beste Band der Welt
Einmal quer durch Norwegen führt dieses Road Movie seine vier jungen Helden. Ihr Ziel: Ein Rock-Wettbewerb in Tromsø.
Die Zauberformel für den perfekten Kinderfilm gibt es zum Glück nicht. Andernfalls würden die nach diesem Muster produzierten Filme sehr schnell langweilig sein. Gerade das Nicht-Perfekte ist zutiefst menschlich, sowohl inhaltlich wie formal. Darum gibt es Filme, die berühren, obwohl sie unübersehbare dramaturgische Mängel aufweisen, und andere, die nur deshalb floppen, weil die Darsteller*innen nicht überzeugen können oder ein Handlungselement allzu abwegig und unglaubwürdig erscheint. Der norwegische Kinderfilmregisseur Christian Lo gehört zu den Filmemacher*innen, die mit solchen dramaturgischen Schwächen bei einer eher abgedrehten Story geradezu spielerisch umgehen und ihre Filme so drehen und gestalten, dass sie den Nerv eines noch jungen Publikums treffen, es auf eher unkonventionelle Weise unterhalten und mit einem ausgesprochenen Wohlgefühl aus dem Film entlassen. Das war schon bei Los Debütwerk „Rafiki – Beste Freunde“ der Fall, in dem zwei Mädchen ihre eigenen Ängste und Schwächen überwinden müssen, um ihrer von der Abschiebung bedrohten Freundin aus Afrika zu helfen.
In seinem dritten Spielfilm geht Christian Lo sogar noch einen Schritt weiter, denn hier stehen zunächst zwei Jungen im Mittelpunkt, die mit ihrer Rockband „Los Bando Immortale“ – auf diesen Namen spielt der Originaltitel des Films an – an einem Musikwettbewerb teilnehmen wollen. Der eine möchte auf diese Weise seine zerstrittenen Eltern wieder zusammenbringen, der andere einer Klassenkameradin imponieren, in die er hoffnungslos verliebt ist, obwohl er nicht die geringsten Chancen bei ihr hat. Seinen besonderen Reiz bezieht der Film aber nicht aus dieser eher konventionell wirkenden Grundidee, sondern aus den Problemen, die sich für die beiden Jungen ergeben und die ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellen werden. Denn die Suche nach einem erforderlichen dritten Bandmitglied erweist sich als nahezu aussichtslos. Als dann einzig und allein die neunjährige Thilda – hochbegabt und eine krasse Außenseiterin in ihrer Klasse – mit ihrem Cello vorspielt, das auch noch größer als sie selbst ist, und artig ein klassisches Musikstück vorträgt, zerplatzen die Träume der beiden Jugendlichen hörbar. Doch dann rockt Thilda auf ihrem Cello, dass es eine reine Freude und ein Hörgenuss obendrein ist. Mit einer gefälschten Erlaubnis ihrer Eltern, was später die Polizei auf den Plan rufen wird, könnte die mehrtägige Reise nun beginnen, die in den hohen Norden von Norwegen zum Austragungsort des Rockwettbewerbs führen soll. Aber wer kann die drei Kinder dort hinbringen? Für öffentliche Transportmittel fehlt das Geld und die Eltern haben keine Zeit. Zum Glück können die Jungen einen knapp volljährigen Jugendlichen dazu überreden, sie gegen etwas Geld dorthin zu bringen, der zwar Autorennen fährt, aber noch keine Fahrerlaubnis besitzt. Und der macht es nicht etwa aus Mitleid oder Gefälligkeit, sondern um seinem Vater und seinem Bruder Paroli zu bieten, die seinen Wunsch, Musiker statt Automechaniker zu werden, ziemlich brachial ignoriert haben.
Wie es sich dann für ein echtes Road Movie gehört, gibt es auf der abenteuerlichen Reise noch zahlreiche Überraschungen und Wendungen, bis alle vier ihre Lektionen gelernt haben und „zur besten Band“ der Welt werden. Thilda spielt dabei zwar nicht die Hauptrolle, wie es der deutsche Verleihtitel suggeriert, aber sie bringt mit ihren außerordentlichen Talenten, die weit über die Musik hinausgehen, die Handlung immer wieder neu voran.
Nicht alles im Film ist exakt ausgearbeitet. Die Rolle der Eltern beispielsweise bleibt diffus, Thildas Eltern tauchen im Film nicht einmal auf. Mitunter entsteht der Eindruck, in ganz Norwegen gäbe es nur einen Polizisten, der die Verfolgung der Jugendlichen aufnimmt und obendrein kurz vor seiner Pensionierung steht. Wenn das den sehr positiven Gesamteindruck des Films dennoch nicht zerstört, liegt das an den überaus stimmigen Charakteren und den gut ausgesuchten Darsteller*innen. Diese geben ihren Sorgen und Nöten, aber auch ihrer Freude und ihrem unzerstörbaren Glauben an sich selbst und die Gestaltungsmöglichkeit ihrer Zukunft leicht nachvollziehbar und sehr glaubwürdig Ausdruck. Diese innere Kraft und dieser Mut wirken so ansteckend, dass selbst die unterschiedlichen Altersstufen der vier Protagonist*innen keine Rolle mehr spielen und als selbstverständlich hingenommen werden. Allein das ist schon eine bemerkenswerte Leistung dieses in seinen Charakteren stimmigen und stimmungsvollen Unterhaltungsfilms.
Holger Twele
Los Bando - Norwegen/Schweden 2018, Regie: Christian Lo, Kinostart: 20.09.2018, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 10 Jahren, Laufzeit: 94 Min., Buch: Arild Tryggestad, Kamera: Bjørn Ståle Bratberg, Schnitt: Arild Tryggestad, Musik: Eirik Myhr, Produktion: Nicholas Sando, Trine Aadalen Lo, Verleih: Farbfilm Verleih, Besetzung: Tage Johansen Hogness (Grim), Jakob Dyrud (Aksel), Tiril Marie Høistad Berger (Thilda), Jonas Hoff Oftebro (Martin), Nils Ole Oftebro (Aslak) u. a.
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