Die fantastische Reise des Dr. Dolittle
Die neue Adaption besticht durch sympathische Figuren und Schauwerte – und enttäuscht durch ihre Vorhersehbarkeit.
Vor 100 Jahren veröffentlichte der englische Schriftsteller Hugh Lofting sein Kinderbuch „Doktor Dolittle und seine Tiere“, das so erfolgreich war, dass er gleich mehrere Fortsetzungen schrieb. Auch wurde die Geschichte des genialen Tierarztes aus dem England des 19. Jahrhunderts mehrfach verfilmt, schon sehr früh als Silhouetten-Animationsfilm (1927) von Lotte Reiniger, dann als berühmtes Hollywood-Musical mit Rex Harrison (1967), später auch als Eddie-Murphy-Komödie (1998) oder als Trickserie.
Nun bringt der Schauspieler Robert Downey jr. (bekannt durch seine Rollen als Sherlock Holmes oder auch Iron Man) John Dolittle ins Kino zurück, den er als leicht verschrobenen, wehmütig trauernden Aussteiger spielt, der nur langsam wieder ins Leben und in die Welt zurückfindet. Dabei helfen ihm vor allem seine tierischen Freunde, die mit ihm auf seinem von der Außenwelt abgeschirmten Anwesen leben, ebenso der tierliebende Junge Stubbins, der erstmals im zweiten Dolittle-Roman „Doktor Dolittles schwimmende Insel“ auftaucht. Ansonsten verbindet der Film viele Motive auch aus anderen Dolittle-Büchern zu einem ereignisreichen, turbulenten Familienfilm, der durchaus gut unterhält, aber in seinen etwas atem- und zunehmend auch einfallslos aneinander gereihten Abenteuerepisoden nicht ganz die Erwartungen erfüllt, die er am Anfang geweckt hat.
Doktor Dolittles berühmtestes Tier, das scheue Stoßmichziehdich, ist zwar nicht dabei, dafür begleiten andere Freund*innen den genialen Arzt, der mit Tieren sprechen kann, und sind die wahren Stars des Films. Die weise Papageiendame Polynesia, der ewig fröstelnde Eisbär Yoshi, der ängstliche, tief verunsicherte Gorilla Chee-Chee, die putzmuntere Ente Dab-Dab, die mutige Giraffe Betsy oder der ständig lässige Sprüche klopfende Strauß Plimpton und noch viele Tiere mehr stehen Dolittle in seinem großen Abenteuer bei. Und in dem geht es um nichts weniger als die Rettung der englischen Königin.
Eigentlich hatte sich John Dolittle zurückgezogen und seine Praxis aufgegeben. Während er sich kranken Tieren widmete, gehörte sein Herz allein seiner geliebten Frau, die sich eines Tages auf eine Abenteuerreise machte und nie zurückkehrte. Dolittle versank in tiefer Trauer, sein prächtiges Anwesen wurde von der Welt vergessen. Nun aber wird es von gleich zwei unerwarteten Gästen entdeckt: Der Junge Stubbins bringt ein Eichhörnchen, das er ohne Absicht angeschossen hat, und das Mädchen Lady Rose kommt im Auftrag der todkranken Königin. Dolittle soll sie retten und hat gar keine andere Wahl, denn wenn die Regentin stirbt, müssen er und alle Tiere das Anwesen räumen. So beginnt seine abenteuerliche Reise voller turbulenter und gefahrvoller Ereignisse, bis Dolittle, seine Tier-Freund*innen und Stubbins am Ende die geheimnisvolle Insel finden, auf der ein Drache das rettende Heilmittel bewacht.
Bevor sie in See stechen, kann man die prächtig ausgeschmückte englische Welt des 19. Jahrhunderts entdecken und zahlreiche Tiere bestaunen, die der Computer eindrucksvoll zum Leben erweckt hat. Jedes von ihnen schließt man sofort ins Herz, denn jedes hat seinen ganz besonderen Charakter, seine Schrullen und Eigenarten, über die man herzlich lachen kann. Die Einfälle sprudeln nur so, etwa in lustigen Dialogen, beim Schach mit Mäusen als Spielfiguren oder bei einer Operation, bei der Ente Dab-Dab auch schon mal eine Zange mit einer Lauchstange verwechselt.
Die Abenteuerreise ist dann zwar noch leidlich unterhaltsam, aber irgendwie kennt man alles schon aus anderen Geschichten, Märchen und Abenteuerfilmen. Schade, dass das sympathische Mädchen Rose gar nicht mit auf die Fahrt darf, und auch Stubbins wird als Dolittles gelehriger Schüler ein bisschen zu sehr von den atemlosen Ereignissen an den Rand gedrängt. Auch die Erwachsenen sind eher von der Stange gezeichnet, sind mal wild und zornig, mal hinterlistig und machtgierig. Vor allem der fiese Dr. Blair Müdfley (Michael Sheen) hätte das Zeug zu Dolittles handfestem Gegenspieler gehabt, und in den schönsten Momenten zeigt er auch, wie ihn die schiere Eifersucht auf Dolittles Talente und Erfolge zum Bösen treibt. Letztlich aber wird er nur als skurriler Stichwortgeber gebraucht und lieblos aus einer Handlung genommen, die selbst die seelischen Wunden des nach Erlösung suchenden Tierarztes nicht allzu tief auslotet.
So sind es vor allem die perfekt animierten und großartig gesprochenen Tiere, die das Interesse bis zum Schluss wachhalten. Wie sie zusammenhalten und mit viel Mut, Solidarität und Freundschaftssinn alle Gefahren, aber auch ihre eigenen Schwächen überwinden, das bleibt auf der schönen Habenseite des Films.
Horst Peter Koll
The Voyage of Doctor Dolittle - USA 2020, Regie: Stephen Gaghan, Kinostart: 30.01.2020, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 8 Jahren, Laufzeit: 102 Min. Buch: Stephen Gaghan, Dan Gregor, Doug Mand, nach Motiven aus Romanen von Hugh Lofting. Kamera: Guillermo Navarro. Musik: Danny Elfman. Schnitt: Craig Alpert. Produktion: Perfect World Pictures/Team Downey/Universal Pictures. Verleih: Universal. Darsteller*innen: Robert Downey jr. (Dr. John Dolittle), Harry Collett (Tommy Stubbins), Antonio Banderas (König Rassouli), Jessie Buckley (Queen Victoria), Jim Broadbent (Lord Thomas Badgley) u.a.
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