Milch ins Feuer
Im Kino: Ein dokumentarisch anmutender Blick auf den ereignisreichen Sommer junger Bäuerinnen.
„Wir treffen uns nurmehr zum Kastrieren.“ – „Besser als die Alten, die treffen sich nur noch auf Beerdigungen.“ In diesem kurzen Austausch steckt schon fast alles, worum es in Justine Bauers Debütfilm geht: Gemeinschaft, Fortpflanzung, der Übergang zwischen den Generationen, auch der Tod. Allerdings trifft das Zitat nicht, wie viel Gemeinschaft in diesem Film gelebt und gezeigt wird.
Katinka würde gern den Hof ihrer Eltern weiterführen, aber den erbt selbstverständlich ihr Bruder. Also ist sie, wie Freundin Anna es aus dem Off erzählt, auf die Berufsschule gegangen, „um jemanden mit guten Hektar zu finden“.
Anna, die in diesem Sommer viel Zeit mit Katinka und ihren Schwestern auf den Wiesen und im Wasser verbringt, ist von Katinkas Bruder schwanger. Kurz glaubt sie, die Bäuerin habe das nicht bemerkt. Natürlich hat sie das, doch ein Drama ist das nicht – die Schwangerschaft wird schlicht zur Kenntnis genommen. Wie Anna sich entscheiden will, bleibt lange in der Schwebe. Der Jungbauer wiederum fragt erst einmal beim Holzspalten seine Schwester um Rat, bevor er mit Anna selbst darüber spricht.
„Milch ins Feuer“ zeigt in gelassenem Tempo das Leben auf dem Land, ohne jede Larmoyanz, stattdessen stellenweise mit ironischem Blick auf Klischees und Vorurteile. Die Blicke und Fragen der vorbeikommenden Freizeitradler werden kritisch kommentiert: „Die Leute wissen nicht, wie es bei ihnen vor der Haustür aussieht.“
Das 4:3-Bildformat vermeidet kitschige Landschaftspanoramen und verstärkt den Eindruck des Dokumentarischen: Als habe man es hier mit einer kleinen Reportage fürs alte Fernsehen zu tun. Dass die Protagonistinnen – Männer tauchen nur am Rande auf – Hohenlohisch sprechen, von der traditionellen Mundart der Oma (gespielt von Regisseurin Bauers eigener Großmutter) bis zur modernisierten Art der Enkelinnen, verstärkt den Eindruck von Unmittelbarkeit.
Bauer hat für den Dreh vor allem mit Laiendarstellerinnen gearbeitet, Katinka und ihre Schwestern werden von Geschwistern gespielt; Johanna Wokalek fügt sich als Bäuerin organisch in dieses Ensemble ein.
Der Rhythmus des Lebens ist von der Arbeit bestimmt: Katinka kann erst später auf eine Party gehen, sie muss noch nach dem Heu schauen. Als kleiner Snack teilen Bäuerin und Töchter sich Tomaten, während sie die Kühe anschauen und mit wenigen Worten Zukunftsfragen mehr in den Raum stellen als wirklich diskutieren.
Es entsteht der Eindruck, dass es die Frauen sind, die die bäuerliche Kultur tragen und fortsetzen und dabei allen Widrigkeiten trotzen. Mit anderen Worten: Frauen bilden hier die eigentliche Traditionslinie. Trotzdem sind es die Männer, die erben.
Das führt dazu, dass die Frauen für sich Entscheidungen treffen, sich fortbewegen, neue Wege suchen müssen (während die Männer das gemachte Nest bewirtschaften). Zugleich beschäftigt sie das Thema Fortpflanzung. Um die dreht sich hier wirklich alles. Um die geht es. Um ihre Begrenzung, Einhegung, die geordnete Struktur der Fortpflanzung. Vielleicht, überlegen die jungen Frauen, sollte man alle Männer auch einfach kastrieren? Bei den Rindern jedenfalls ist das sinnvoll, es macht sie ruhiger …
Das sind so scherzhafte Erwägungen, die im Kontrast zur Sachlichkeit stehen, mit der dann die tatsächliche Kastration eines Tieres gezeigt wird. Und wenn der Film Erzählungen davon, wie früher überzählige Katzenbabys umgebracht wurden, motivisch mit Annas Gedanken zu ihrer Schwangerschaft verbindet, deuten sich Tiefen und Sorgen an, Zwänge und Freiheiten, die in historischen Linien stehen und zugleich ganz und gar modern und selbstbewusst neu betrachtet werden.
Irgendwann setzen Störche zum Flug an, ein Bauer löscht ein selbst gelegtes Feuer mit Milch, um auf die verzweifelte Lage der Landwirt*innen hinzuweisen – und die Pressefotografin fängt dafür doch nur das Bild händchenhaltender Bauernkinder ein. Die Außenwelt bleibt ahnungslos, wie gestellt das Bild auf dem Joghurtglas ist. Denn auf dem Feld kommt die Arbeit, die im Jahreskreis nötig ist, immer zuerst, sei die menschliche Tragödie noch so groß.
Rochus Wolff
Deutschland 2024, Regie: Justine Bauer, Kinostart: 07.08.2025, FSK: ab 12, Empfehlung: ab 16 Jahren, Laufzeit: 79 Min., Buch: Justine Bauer, Kamera: Pedro Carnicer, Musik: Cris Derksen, Ton: Fatih Aydin, Schnitt: Justine Bauer, Semih Korhan Güner, Produktion: Semih Korhan Güner, Verleih: Filmperlen Filmverleih, Besetzung: Karolin Nothacker (Katinka), Johanna Wokalek (Marlies), Pauline Bullinger (Anna), Anne Nothacker (Emma), Sara Nothacker (Emilie)






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