Don’t Give a Fox
Vier unangepasste, selbstbewusste Skaterinnnen im Porträt. Und zugleich ein Film über das Erwachsenwerden.
Brave Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen kommen fast überall hin. Nicht, dass Sofie, Line, Signe und die anderen jungen Frauen in „Don’t Give a Fox“ böse wären, aber brav sind sie ganz bestimmt nicht. Sie sind tätowiert, trinken gerne mal ein Bier zu viel, finden Spaß wichtiger als Karriere und wollen skateboarden, möglichst oft und am liebsten zusammen. Bei den „Girls-Skate-Tage“, die Sofie 2016 in einem Vorort von Kopenhagen ins Leben gerufen hat, haben sie sich gefunden. Sofie, etwa Anfang 20, fühlt sich seitdem – durchaus widerwillig – wie „die Mama“ der Clique. Die junge Frau ermutigt, schleift Boards, tröstet, ist immer ansprechbar und manchmal damit überfordert. Aber ohne die Mädchen will sie auch nicht sein.
„High Five für jeden Sturz!“, diese Regel hat sie eingeführt. „Weil man was Neues ausprobiert hat“. Blaue Flecken gehören dazu, wenn man einen Ollie oder Fliptrick übt und zuweilen schmettert es Skaterinnen so heftig auf den Boden, dass schon das Zusehen schmerzt. „Skaten macht mich mutiger“, sagt eine beim Gespräch, „ich kann ich selbst sein“. Das Skateboard wird zu einem Instrument der individuellen und auch weiblichen Selbstbehauptung, denn auf ihren Boards dringen die jungen Frauen in einen Bereich hinein, in dem immer noch überwiegend Jungs den Ton angeben.
Für diese Jungs, denen man etwa in Jonah Hills autobiografisch gefärbtem Regiedebüt „mid90s“ (2018) begegnet oder am Rande auch in Crystall Moselles semi-dokumentarischen Kurzfilm „That One Day“ (2016), interessiert sich der dänische Filmemacher Kaspar Astrup Schröder allerdings nicht. Männer bleiben bei ihm draußen. In seinem Dokumentarfilm begibt er sich voll und ganz in die Welt der „Skater-Girls“, die sich als Gruppe Don’t Give a Fox nennen. Sein Film wirkt mitunter wie ein begeistertes Amateurvideo: Zeitraffer, Zeitlupen, Wackelbilder und immer wieder Detailaufnahmen, dazu treibende Musik, vor allem Punk und Rock. Mit der Kamera begleitet er die Mädchen bei einem Sommertrip durch Jütland in einem rosa Kleinbus, der mit allerlei Glitzersteinen, Plüsch und Nippes liebevoll dekoriert ist. Man sitzt mit im Bus und kommt dort den Mädchen recht nahe, die immer mal wieder selbst die Kamera übernehmen, was mit einem Wechsel des Bildformats einhergeht und die Distanz noch mehr verringert.
Der filmische Blick ist allerdings nie voyeuristisch, hat man doch den Eindruck, dass die Protagonistinnen genau wissen, wie viel sie von sich preisgeben wollen. Sofie etwa hockt anfangs unter der Bettdecke und heult, weil sie mit einem gebrochenen Fuß ein paar Monate aussetzen muss und nun fürchtet, den Anschluss zu verlieren. Kaum genesen, schlägt sie den anderen deshalb eine Reise vor, die sie schließlich noch mehr zusammenschweißen wird. Die kurzhaarige Signe erzählt davon, wie sie als Kind gemobbt wurde, später als Teenagerin ihr Coming-out erlebt hat und wie erschreckend-schön das Gefühl ist, das sie für ihre Freundin empfindet. Und Line hat in der Jugendpsychiatrie gesessen und in der Musik ihre Sprache gefunden. „Ich bin wie ich bin und komme jeden Tag besser mit mir klar“, weiß sie nun und ist selbst verwundert, dass ihr In-den-Tag-Hineinleben plötzlich ein konkretes Ziel hat: Sie will als Musikerin ihr Geld verdienen. Dass die Frauen ihre Verletzlichkeit, ihre Ängste und Wunden zeigen, zeugt durchaus von ihrer inneren Stärke. Zugleich spürt man, dass sie noch am Suchen sind, nach ihrem eigenen Ich, nach ihrem Platz in einer Gesellschaft, die einen „in eine Schublade voller Erwartungen steckt“.
„Don’t Give a Fox“ ist damit mehr als ein unterhaltsames Porträt einer Handvoll Skaterinnen, sondern erzählt vielmehr vom Erwachsenwerden und speziell davon, wie die Mädchen es erleben. „Ich war noch nie brav“, erzählt Line, die mit ihrem Aussehen, mit ihrer Lebenseinstellung sicher oft genug aneckt. Das Unangepasste, die unbändige Lebenslust und der Zusammenhalt der jungen Frauen haben den Regisseur offensichtlich fasziniert, denn ein wenig mehr Abstand oder das eine oder andere kritische Nachfragen hätte dem Film mitunter gutgetan. Doch auf der anderen Seite macht es auch einfach großen Spaß, mit diesen „Riot Girls“ unterwegs zu sein und zuzusehen, wie sie Frauenbilder in Frage stellen und zugleich ihr Frausein ganz selbstverständlich leben. Am Ende ist „Don’t Give a Fox“ eben auch ein Film über eine Handvoll Freundinnen, die sehr verschieden sind, die das Skateboarden zusammengebracht hat und die sich gegenseitig stark machen für ein Leben, das sie selbstbestimmt führen wollen.
Kirsten Taylor
Don’t Give a Fox - Dänemark 2019, Regie: Kaspar Astrup Schröder, Kinostart: 04.07.2019, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 87 Min., Buch: Kaspar Astrup Schröder. Kamera: Kaspar Astrup Schröder, Mathielde Algreen, Maud Lervik Grotland, Frederik Marbell. Schnitt: Michael Bauer. Musik: Martin Juel Dirkov. Produktion: Patricia Drati. Verleih: Rise and Shine Cinema
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