Nico
Sie führt ein glückliches Leben. Bis ein rassistisch motivierter Überfall Nicos Leben verändert. Karate soll ihr zurück ins Leben helfen.
Dieses Langfilmdebüt ist ein richtiges Teamprojekt! Drei Filmemacherinnen haben nicht nur gemeinsam das Drehbuch geschrieben, sondern auch darüber hinaus eng zusammengearbeitet: Eline Gehring hat Regie geführt, Francy Fabritz stand hinter der Kamera, Sara Fazilat spielt die Nico und zeichnet sich zugleich für die Produktion verantwortlich. Und um eines direkt vorwegzunehmen: Dass die drei so eng und intensiv mit ihrer Filmarbeit verbunden waren, hat sich definitv gelohnt.
Selbstbewusst und offen ist sie, die junge Deutsch-Perserin Nico. Sie lebt in Berlin und arbeitet als Altenpflegerin. Durch ihre direkte, fröhliche Art ist sie bei allen beliebt. Für jeden hat sie ein Ohr, sei es für die Liebesgeschichten der alten Brigitte oder für Fernandez, der so gern tanzt. Nach der Arbeit trifft sie sich mit ihrer besten Freundin Rosa und streift durch die Gegend. Doch dann wird sie eines Abends von einem Mädchen und zwei Jungen aus dem Nichts heraus angerempelt, beleidigt und zusammengeschlagen. Schwerverletzt wird Nico liegengelassen. Sie erwacht auf der Intensivstation. Langsam heilen ihre äußeren Verletzungen, doch im Inneren ist sie völlig aus der Bahn geworfen. Immer wieder wird sie von ihren Erinnerungen an den Überfall eingeholt. Sie zieht sich von allen zurück. „Mäuschen, das Leben ist zu kurz für so ein langes Gesicht“, versucht Brigitte sie aufzumuntern – ohne Erfolg. Selbst Rosa kann sie nicht aus ihrem Tief herausholen. Bis sich Nico beim Karatetraining anmeldet. Sie will kämpfen und sich verteidigen lernen. „Nie wieder kriegst du Keile! Nie wieder wirst du angegriffen! So will ich dich haben!“, ruft der strenge Karate-Weltmeister Andy ihr immer wieder ins Gedächtnis. Doch bei aller Härte muss Nico zuallererst ihre Wut in den Griff bekommen und ihr inneres Gleichgewicht wiederfinden.
„Nico“ erzählt eindringlich und bemerkenswert authentisch von den inneren Verletzungen, dem Trauma einer jungen Frau nach einer schrecklichen Gewalterfahrung. Der Film wirkt so wenig inszeniert, dass man manchmal den Eindruck hat, hier handelt es sich um einen Dokumentarfilm. Dazu trägt auf jeden Fall das natürliche, teilweise auch improvisierte Spiel von Hauptdarstellerin Sara Fazilat und Javeh Asefdjah als Rosa bei, genauso das von Karate Meister Andreas Marquardt oder von Brigitte Kramer als pflegebedürftige Brigitte. Besonders eindrücklich sind die Bilder des rassistisch motivierten Überfalls, bei denen wenig Konkretes zu sehen ist, was eine unglaublich beängstigende Wirkung erzeugt. Sofort ist klar: Nico wird diesen Angriff nie vergessen. Wie auch? Genau diese Atmosphäre brennt sich ins Gedächtnis ein, ebenso wie Nicos Kampf mit diesem Schicksal irgendwie umzugehen, ihr unbeschwertes, angstfreies Leben zurückzugewinnen. „Die Realität des Films wurde nicht selten auch zu unserer Realität“, heißt es im Statement des Filmteams – nicht zuletzt die enge Verknüpfung von Fiktion und Wirklichkeit macht diesen Film so sehenswert.
Barbara Felsmann
Übrigens: „Nico“ und andere tolle Filme sind Teil des Themendossiers „Migration“. Werfen Sie doch mal einen Blick rein.
Nico - Deutschland 2021, Regie: Eline Gehring, Kinostart: 12.05.2022, Homevideostart: 28.10.2022, FSK: ab 12, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 79 Min., Buch: Sara Fazilat, Eline Gehring, Francy Fabritz, Kamera: Francy Fabritz, Schnitt: Eline Gehring, Musik: Zeina Azouqah, Doro Bohr, Produktion: dffb/Third Culture Kids, Verleih: UCM.One, Besetzung: Sara Fazilat (Nico), Javeh Asefdjah (Rosa), Sara Klimoska (Ronny), Andreas Marquardt (Andy), Brigitte Kramer (Brigitte), Isidoro Fernandez Mompelier (Fernandez), Sabrina Tannen (Toni)
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