Supa Modo
Nach der Festivaltournee endlich regulär im Kino: Ein zu Herzen gehender Film über die Fantasie, das Kino und den Tod.
Gerade hat sie noch über die Kamera hinweg gelächelt, dann plötzlich fällt sie und fehlt: die Hauptfigur – dabei ist der Film noch längst nicht zu Ende gedreht. So schlicht und erschütternd erzählt „Supa Modo“ davon, wie erschütternd und schlicht der Tod eintreffen kann. Überraschend kommt er hier aber für niemanden, weder für die Zuschauer*innen noch die Figuren, auch für die bezaubernde Hauptdarstellerin des Films im Film nicht.
Eine der ersten Szenen zeigt, wie die neunjährige Jo aus einem kenianischen Kinderkrankenhaus abgeholt wird. Während ihre Mutter Kathryn und ihre ältere Schwester Mwix im Flur eine Auseinandersetzung dazu anreißen, ob das die richtige Entscheidung ist und ob sie Jo sagen sollten, dass ihr nicht mehr viel Lebenszeit bleibt, packt Jo ihre Sachen zusammen, rollt einige Plakate der Action- und Superheldenfilme ein, die sie so sehr liebt. „Kush, I’m leaving“, sagt sie zu einem ihrer Freunde im Krankenhaus. Sie hält ihm dabei als Abschiedsgeschenk eines ihrer Plakate hin, und es ist diese Geste und die Art, wie Jo ihn ansieht und mit welcher Ernsthaftigkeit sie diesen einfachen Satz ausspricht, die deutlich machen, dass sie nicht (nur) davon redet, das Krankenhaus zu verlassen. „We will all leave someday“, antwortet Kush.
Man kann es nicht beschönigen: Dieser Film ist im wahrsten Sinne des Wortes todtraurig. Und trotzdem ist es kein Film über das Sterben, sondern über das Weiterleben und über Trost, auch wenn man dies erst allmählich begreift. Jos und Kushs etwas kryptischer, letzter Dialog im Krankenhaus scheint sich rückblickend ebenso sehr an das Kinopublikum zu richten wie an Jos Familie, die zum innerfilmischen Publikum werden wird: „They don’t get it, do they?“ - „We need to show them.“
Vorerst aber setzt sich die Auseinandersetzung zwischen Kathryn und Mwix fort: Die Mutter möchte Jo vor allem bei sich zu Hause vor allen Gefahren und vor dem Wissen um den bevorstehenden Tod beschützen, Jos Schwester will, dass sie in ihrer verbleibenden Zeit noch möglichst viel Spaß hat. Heimlich ermuntert sie Jo dazu, an eigene Superkräfte zu glauben und spannt immer mehr Dorfbewohner*innen ein, um für Jo Situationen zu inszenieren, in denen sie zu einer Heldin wird, die sogar die Zeit anhalten kann. Als es dabei beinah zu einem Unglück und zu einem offenen Streit zwischen Jos Mutter und ihrer Schwester kommt, sind beide gleichermaßen überrascht zu erfahren, dass Jo das Spiel längst durchschaut und vor allem deswegen teilgenommen hat, weil es nicht allein sie, sondern auch die Menschen um sie herum glücklich gemacht hat. Endlich ist ihre Familie bereit, nicht weiter über Jos Kopf hinweg darüber zu urteilen, was das Beste für sie wäre, sondern sie nach ihrem Wunsch zu fragen.
So beginnt mit einfachsten technischen Mitteln und einer Menge Spielfreude eine große Gruppe der Dorfgemeinschaft, mit Jo als Drehbuchautorin und titelgebender Hauptfigur den Superheldenfilm „Supa Modo“ zu drehen. Und dann, just als bei den Dreharbeiten der zentrale Wendepunkt der Geschichte erreicht ist, passiert es, einfach so: die Hauptdarstellerin fällt. Und fehlt fortan. Der eigentliche Film jedoch geht weiter und erzählt davon, wie auch das Leben irgendwie weitergeht, obwohl zunächst vor lauter Trauer kein Trost möglich scheint. Bis Mwix eine Idee hat, um Jos Film doch noch fertigzustellen und dafür erneut auf die Unterstützung der anderen Dorfbewohner*innen zurückgreift. Wieder erweist sich der Film im Film als wunderbar poetische Möglichkeit, eine Botschaft zu vermitteln, ohne sie unbeholfen verbalisieren zu müssen: dass Trost zu finden bedeuten kann, für die unvollendete Erzählung einen neuen Sinnzusammenhang zu suchen.
„Supa Modo“ erzählt mehr über den emotionalen Prozess der Erwachsenen, die zu Hinterbliebenen werden, als über die Entwicklung des Kindes, ist aber dennoch ein Film, zu dem Kinder einen Zugang finden. Das zeigt etwa die lobende Erwähnung, die ihm durch die Kinderjury der Berlinale zuteil wurde. Und natürlich reflektiert „Supa Modo“, dessen pan-afrikanisches Filmteam um den Regisseur Likarion Wainainadurch vorbereitende Workshops der deutschen Produktionsfirma „One Fine Day Films“ und der „DW Akademie“ sowie durch renommierte Mentor*innen unterstützt wurde, nebenbei auch das Medium selbst und führt unter anderem vor, dass es keines großen Budgets und keiner aufwendigen Effekte bedarf, wenn man eine überzeugende Geschichte zu erzählen hat. Und dass ein Superheldenfilm keine Überlänge braucht, um noch lange nachzuhallen.
Natália Wiedmann
Supa Modo - Kenia, Deutschland 2018, Regie: Likarion Wainaina, Festivalstart: 18.02.2018, Kinostart: 18.04.2019, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 9 Jahren, Laufzeit: 74 Min., Buch: Silas Miami, Mugambi Nthiga, Wanjeri Gakuru, Kamau Wa Ndung'u, Likarion Wainaina, Kamera: Enos Olik, Schnitt: Charity Kuria, Musik: Ibrahim Sidede, Produktion: Sarika Hemi Lakhani, Marie Steinmann-Tykwer, Tom Tykwer, Ginger Wilson, Guy Wilson, Verleih: Sächsischer Kinder- und Jugendfilmdienst e.V., Besetzung: Stycie Waweru (Jo), Marrianne Nungo (Kathryn), Nyawara Ndambia (Mwix), Johnson Gitau Chege (Mike), Humphrey Maina (Pato) u. a.
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