Lovecut
Drei lose ineineinander verwobene Geschichten über Jugendliche aus Wien, die sich in Sachen Sex und Liebe erproben.
Wie ist das, wenn man sich mehr Nähe wünscht, als man von seinem Gegenüber bekommt? Interessiert sich der andere noch für einen, wenn man sich mit all seinen Schwächen offenbart? Und was, wenn ein riskanter Spaß leichtsinnig immer weiter getrieben und zum Problem wird? Sechs Teenager*innen aus Wien probieren sich in Sachen Liebe und Sex aus. Online zu sein, spielt dabei immer eine Rolle – sei es um jemandem kennenzulernen, auf Abstand zu halten oder um seine Grenzen auszutesten. Die Fragen, die dabei aufkommen, stellen sich jedoch nicht nur in der Onlinewelt.
Luka wünscht sich Freiheit. Mit ihren Eltern versteht sie sich nicht, zeltet lieber im Garten. Und tindert, um Jungs kennenzulernen, ohne dabei eine Beziehung zu suchen. Sie lernt Ben kennen, der seine eigenen Probleme mit sich rumträgt oder auch lieber beiseite schiebt. Er kennt sich mit Einbruch und Motorradiebstahl aus, ist auf Bewährung und schwer angezählt. Denn bald ist er volljährig und beim nächsten krummen Ding droht ihm Gefängnis. Luka gefällt ihm mehr, als gut für ihn ist, und lässt ihn Gefahr laufen, wieder etwas Dummes zu tun. Lukas Freundin Momo unterdessen kennt Alex nur per Videochat, ist mit ihm aber dort schon intim geworden. Sie würde Alex endlich gern real treffen und mit ihm schlafen. Doch Alex blockt ab. Er hat Momo nicht gesagt, dass er querschnittsgelähmt ist, und hadert damit, sich ihr zu offenbaren. Die 16-jährige Anna und ihr etwas älterer Freund Jakob sind dagegen schon eine Weile zusammen. Als Jakob auf die Idee kommt, sie beide beim Sex zu filmen und das Ganze online zu stellen, sind sie fasziniert von der Resonanz und der Möglichkeit, mit solchen Videos Geld zu verdienen. Tatsächlich filmen die beiden weiter und Anna bekommt immer neue Ideen, was man zeigen könnte. Doch Jakob fühlt sich immer unwohler damit.
Die Filmemacherinnen Iliana Estanol und Johanna Lietha erzählen diese Geschichten in „Lovecut" lose miteinander verwoben und bleiben dabei ganz nah an ihren Hauptfiguren. Diese manchmal fast dokumentarisch anmutende Nähe ist die große Stärke des Films, ebenso wie das junge und frische Schauspielensemble. Immer wieder entstehen so wunderbare Momente, in denen man Einblicke in die Gefühle der sechs Jugendlichen, ihre Hoffnungen, Sorgen und Ansichten bekommt. So zum Beispiel wenn Ben nicht den Sinn darin sieht, sich einen Job zu suchen. Oder wenn Alex sich die Hilfe einer Sexual-Assistentin sucht, um Mut für sein erstes Mal zu sammeln. Erwachsene tauchen nur am Rande des Geschehens auf, sie spielen einfach keine große Rolle – eine Perspektive, die auch die erfolgreiche Serie „Druck" erzählt. Positiv fällt auch auf, dass klischeehafte Rollenbilder aufgebrochen werden. „Lovecut" zeigt Jungs, die empfindsam sind und mit sich hadern, und Mädchen, die nicht in die Opferrolle rutschen, sondern das Spiel mit dem Risiko selbst vorantreiben. Der Film traut sich zudem, nicht alle Figuren zu einer Erkenntnis und Läuterung zu führen, sondern es auszuhalten, dass das Ende offen bleibt. Ein sehenswertes Debüt, das zu Recht beim Festival Max-Ophüls-Preis 2020 mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde.
Kirsten Loose
Lovecut - Österreich 2020, Regie: Iliana Estañol, Johanna Lietha, Homevideostart: 16.10.2020, FSK: ab 16, Empfehlung: ab 16 Jahren, Laufzeit: 90 Min. Buch: Iliana Estañol, Johanna Lietha. Kamera: Steven Heyse, Georg Geutebrück. Musik: Michael Sauter. Schnitt: Sebastian Longariva, Lisa Geretschläger. Produktion: Everything is Film, Silverio Films. Anbieter: Meteor Film. Darsteller*innen: Luca von Schrader (Luka), Max Kuess (Ben), Valentin Gruber (Alex), Melissa Irowa (Momo), Sara Toth (Anna), Kerem Abdelhamed (Jakob) u. a.
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