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Crescendo

Bei den Proben für ein gemeinsames Konzert müssen Jugendliche aus Israel und den palästinensischen Gebieten ihren Hass überwinden.

Sport, Musik und allgemein die Kultur, der auch Filme zuzurechnen sind, können alle politischen, religiösen und ideologischen Grenzen überwinden – allzu gerne wollen wir daran glauben, auch wenn die Realität sich dieser Hoffnung immer häufiger verweigert. Manchmal klappt es aber dennoch mit Verständigung und Toleranz bei vollkommen unterschiedlichen Lebensweisen, Einstellungen und Systemen – nicht nur im Bereich des Films. Der israelische Dirigent Daniel Barenboim beispielsweise gründete 1999 zusammen mit dem palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said und dem deutschen Kulturmanager Bernd Kaufmann das Orchester des West-östlichen Divan, das aus israelischen und palästinensischen Musiker*innen gleichermaßen bestand und für eine Annäherung der verfeindeten Volksgruppen im Nahostkonflikt eintrat. An dieses Projekt mitsamt filmischer Dokumentation, das Barenboim viel Ruhm, seitens des israelischen Parlaments aber auch viel Ärger einbrachte, fühlt man sich zwangsläufig im Film des 1959 in Tel Aviv geborenen und seit 1991 in Berlin lebenden Filmemachers Dror Zahavi erinnert. Er nimmt 20 Jahre später ein ganz ähnlich gelagertes Musikprojekt zum Thema – mit dem Unterschied allerdings, dass hier kein Feelgood-Movie mit Happy End erzählt und dennoch ein Zeichen der Hoffnung gesetzt wird.

Eduard Sporck ist nicht nur ein berühmter Dirigent, er unterrichtet an einer Frankfurter Hochschule auch den musikalischen Nachwuchs. Damit gilt er bei seinen Auftraggebern als Idealbesetzung für ein Projekt, das Jugendliche aus Palästina und Israel zusammenbringen soll, um in einem gemeinsamen Konzert ein Zeichen gegen den Hass zu setzen und Friedensverhandlungen zwischen den beiden Ländern vorzubereiten. Sporck lässt sich nach einigem Zögern schließlich auf dieses Unterfangen ein, obwohl oder vielleicht auch gerade, weil er sich als Sohn eines Arztes und einer Ärztin, die im KZ skrupellos dem NS-Regime gedient haben, vorbelastet fühlt. Die ersten Proben in Israel enden in einem Fiasko, weil die jungen Musiker*innen aus den palästinensischen Gebieten nicht nur gegen den Widerstand ihrer Familie ankämpfen müssen, sondern beim Grenzübergang nach Israel aufgehalten und schikaniert werden. Im Unterschied zu den israelischen Musiker*innen haben sie nur selten eine professionelle Ausbildung genossen und sind eher Autodidakten. Die Konflikte zwischen den in so unterschiedlichen Lebensverhältnissen aufgewachsenen Jugendlichen sind vorprogrammiert und der Hass aufeinander scheint unüberbrückbar, zumal es auf beiden Seiten in den Familien bereits Opfer und sogar Tote gab. Die einzige Chance, das Projekt noch zu retten, ist ein Umzug des gesamten Teams in die abgeschiedene Bergwelt Südtirols. Mit viel Geduld und seiner charismatischen Autorität gelingt es dem Dirigenten, die beiden verfeindeten Gruppen aneinander zu gewöhnen und über die klassische Musik einen Zugang zueinander finden zu lassen. Sogar eine Liebesbeziehung zwischen einem Jugendlichen aus den palästinensischen Gebieten und einer Israelin bahnt sich an. Doch es scheint so, als würden die zerstörerischen gruppendynamischen Kräfte die Oberhand gewinnen und sich als stärker erweisen als die Kraft der Musik.

Dror Zahavi realisierte seinen Film nach einem gemeinsam mit Johannes Rotter verfassten Drehbuch und nach einer Idee von Alice Brauner und Stephen Glantz. Wenn er gerade in einem „immer lauter werdenden“ Crescendo, also in Zeiten, in denen der Frieden undenkbar scheint und selbst Friedensverhandlungen zwischen den beiden Völkern in weite Ferne gerückt sind, dennoch überzeugt und emotional anrührt, liegt das zum Teil an den Darsteller*innen. Allen voran Peter Simonischek in der Rolle des Dirigenten, wobei er und einige der Schauspieler*innen nicht einmal Musiker*innen sind und von Coaches auf ihre Rolle vorbereitet werden mussten. Es liegt zum anderen Teil daran, dass die aktuellen Probleme und Konflikte im Nahostkonflikt, die natürlich auch ihre historischen Wurzeln haben, wirklich umfassend beim Namen genannt werden, statt sie zu verbrämen oder aus politischen Erwägungen heraus unter den Tisch fallen zu lassen. Beide Seiten kommen nicht ungeschoren davon und es wäre völlig fehl am Platz, sich hier als Schiedsrichter*in aufspielen zu wollen. Die schräge Dissonanz in der Gruppe reibt sich an der harmonischen Konsonanz der Musik. Daraus entstehen neue Probleme, aber auch die Bereitschaft, einander zuzuhören und aufeinander zuzugehen. Viel mehr kann ein Film in der heutigen Zeit des um sich greifenden Pessimismus kaum leisten.

Holger Twele

© Camino
14+

Crescendo - Deutschland, Italien, Israel 2019, Regie: Dror Zahavi, Kinostart: 16.01.2020, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 102 Min. Buch: Dror Zahavi, Johannes Rotter. Kamera: Gero Steffen. Musik: Martin Stock. Schnitt: Fritz Busse. Produktion: Alilce Brauner. Verleih: Camino. Darsteller*innen: Peter Simonischek (Eduard Sporck), Bibiana Beglau (Karla de Fries), Daniel Donskoy (Ron), Sabrina Amali (Layla), Mehdi Meskar (Omar), Eyan Pinkovich (Shira), Götz Otto (Bellmann) u. a.

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