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So damn easy going

Im Kino: Momente voller Leichtigkeit und Verzweiflung, dazwischen Chaos im Kopf und Schmetterlinge im Bauch in einem tollen Coming-of-Age-Film.

Joanna hat viele Probleme. Aber vor allem sind jetzt ihre Tabletten alle und die Rezeptrechnungen nicht bezahlt. Ihr ADHS ist manchmal so stark, in ihrem Kopf blitzt und funkt es, als ob tausende Stroboskoplichter eingeschaltet würden, und alles an ihrem Körper ist dann in Bewegung. Unverbindlicher Sex mit Mitschüler Matheus hilft ein bisschen, Schwimmen auch. Im Wasser ist sie frei, plötzlich hat sie das Gefühl, alles erreichen zu können, und ist ganz bei sich. Und dann ist da die neue Mitschülerin Audrey. Sie ist ruhig und selbstbewusst, und wie durch ein unerklärliches Wunder interessiert sie sich für die Klassen-Außenseiterin Joanna. „Was für eine Art Mensch bist du?“, fragt sie Audrey augenzwinkernd. Als wenn Joanna darauf eine Antwort hätte.

Der tragikomische Jugendfilm basiert auf dem schwedischen Roman „Easy going“ der Erfolgsautorin Jenny Jägerfeld. Das wilde Auf und Ab von Joannas chaotischem Alltag in der Schule, zu Hause mit dem depressiven Vater und beim Kampf, alles in den Griff zu bekommen, wird aus ihrer Perspektive erzählt. Seit dem Tod der Mutter geht der Vater nicht mehr aus dem Haus. Apathisch sitzt er den ganzen Tag vor dem Fernseher und sieht Quizshows. Joanna muss alles selbst erledigen: das Geld für die Rezepte auftreiben, dafür sorgen, dass der Strom wieder angestellt wird. Ihre innere Unruhe, das ständige Gehetztsein und Vertuschen ihrer Probleme, ihre nervösen Ticks, alles das fängt der Film in schnellen Schnitten und einem treibenden Rhythmus ein.

Trotzdem liegt über allem eine Leichtigkeit, denn Joannas unverblümte und nervöse Art führt auch zu vielen skurril-lustigen Situationen. Sie plappert oft schneller als sie denkt, auf eine Art ist sie tatsächlich verdammt einfach in ihrer Direktheit. Dabei versteckt sie ihre wahren Gefühle hinter einem dicken Panzer. Sarkasmus und zarte Feinfühligkeit, existenzielle Probleme und einfache Lebensfreude, die ganz großen Fragen und die kleinen Freuden – bei diesem Coming-of-Age Film werden viele Gegensätze mit spielerischer Leichtigkeit aufgelöst. Mit Audrey bahnt sich eine wahrhaftige Liebesgeschichte an, an einem Abend gehen sie feiern mit Audreys Freundinnen und plötzlich sind es nicht die Lichter in Joannas Kopf, sondern die im Club, die durch sie hindurch wirbeln und die alles ganz einfach machen, zum Beispiel das mit der Liebe. Aber Joanna ist ziemlich gut darin, alles mit einem Schlag kaputt zu schlagen. Schließlich klaut sie ihrem Kumpel Matheus sogar Gras, um an das dringend benötigte Geld für die Tabletten zu kommen.

Neben den fieberhaften Szenen aus Joannas Leben findet der schwedische Regisseur Christoffer Sandler bei seinem Langfilmdebüt starke und überhöhte Bilder, wenn Joanna endlich zur Ruhe kommt. In Schwarz getaucht wirken dann das Schwimmen im endlosen Wasser oder eine zärtliche Umarmung mit der Freundin wie surreal aus der Wirklichkeit enthoben. Diese Einstellungen spiegeln, wie Joanna zur Ruhe und zu sich kommt, aber auch ihre wahren Sehnsüchte – nach Geborgenheit, nach Freiheit. Es wirkt, als könnte die getriebene Joanna in diesen Momenten endlich vergessen, wer sie ist. Dabei muss sie den Weg zu sich selbst überhaupt erst antreten. Das kann nur gelingen, wenn sie über ihren Schatten springt und sich öffnet. Das zu lernen ist eine Mammutaufgabe und mit dieser Erkenntnis ist Joanna ganz gewiss nicht allein. Finde heraus, wer du bist, und akzeptiere dich, egal wie viele Fehler und Unzulänglichkeiten du hast – dieses Plädoyer steht schließlich am Ende. Dem Jugendfilm gelingt es fast wie nebenbei, die komplexe und widersprüchliche Gefühlswelt seiner Heldin ebenso alltäglich wie poetisch einzufangen.

Christiane Radeke

© Salzgeber
13+
Spielfilm

So damn easy going - Schweden, Norwegen 2022, Regie: Christoffer Sandler, Kinostart: 12.01.2023, FSK: ab 12, Empfehlung: ab 13 Jahren, Laufzeit: 91 Min. Buch: Christoffer Sandler, Linda-Maria Birbeck, Lina Åström, Jessika Jankert, nach dem Roman „Easy going“ von Jenny Jägerfeld. Kamera: Nea Asphäll. Musik: Gustaf Spetz. Schnitt: Jens Christian Fodstad, Robert Krantz. Produktion: Cinenic Film, Film i Väst, Hummelfilm, SVT. Verleih: Salzgeber. Darsteller*innen: Nikki Hanseblad (Joanna), Melina Paukkonen (Audrey), Emil Algpeus (Matheus), Shanti Roney (Papa), Zara Martinsson (Mikaela) u. a.

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