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Astrid

Ein Blick auf die Jugendjahre der berühmten schwedischen Schriftstellerin - und zugleich das Porträt einer modernen Frau.

„Vieles ist ausgedacht. Das finde ich respektlos“, hat Karin Nyman kürzlich über den Film geurteilt, der über die Jugend ihrer Mutter Astrid Lindgren erzählt. Die Zeit, in der sie ihren wesentlich älteren ersten Liebhaber kennenlernt und von diesem ein uneheliches Kind erwartet. „Sie hat uns zwar davon erzählt, aber niemals, niemals über die Zeit von Lasses Vater“, so Nyman weiter. Die Regisseurin Pernille Fischer Christensen versucht dennoch eine Interpretation der biografisch verbürgten Tatsachen und lässt uns teilhaben an den bewegten Jugendjahren einer großen Autorin.

Zu Beginn sitzt die gealterte Astrid Lindgren an ihrem Schreibtisch und liest Geburtstagsgrüße aus der ganzen Welt. Die Briefe werden im Off von Kindern vorgelesen und eines fragt: „Wieso kennst du dich so gut aus mit dem, was Kinder wollen?“ Um die Frage zu beantworten, tauchen wir in die Welt der 16- jährigen Astrid ein, die in den 1920er-Jahren auf dem schwedischen Landstrich Näs eine anstrengende, aber glückliche Jugend verbringt, mit dem älteren Bruder, zwei jüngeren Schwestern, der streng gläubigen Mutter und dem Vater, der stets ihr heimlicher Unterstützer ist. Er ist es auch, der Astrid als Volontärin an die Zeitung des benachbarten Orts vermittelt. Dass der Vater sie zur Lokalredaktion schickt, ist in dieser Zeit und in diesem Milieu sehr ungewöhnlich, denn normalerweise war – zumal für Mädchen - nach drei Jahren Grundschule die Ausbildung abgeschlossen. Astrid aber durfte länger zur Schule gehen.

Wir lernen die junge Frau als Wirbelwind kennen. Sie mag sich nicht unterordnen. Als sie an einem Tanzabend niemand auffordert, bringt sie zu Swing-Rhythmen das Parkett kurzerhand allein zum beben. Selbst in diesem kleinen entlegenen Ort in Schweden sind die Roaring Twenties angekommen, nicht nur mit der Musik, sondern auch in Form des Magazins „Die moderne Frau“, das der Redakteur seiner Assistentin eines Tages auf den Tisch legt. Es wirkt wie eine Offenbarung dessen, was Astrid bereits im Inneren verspürt und mit ihren kleinen Ausbruchsversuchen längst zu leben versucht. Wir sehen es der Mimik der jungen Frau so deutlich an, wie sehr sie sich mit den abgebildeten Damen identifiziert. Es scheint, als habe sie auf solch eine Bestätigung nur gewartet. Nun muss sie sich nicht mehr „falsch“ fühlen, wenn sie wieder einmal rebelliert. Nein, es ist genau richtig! Der nächste Schritt ist der zum Friseur. Ab mit den alten Zöpfen und her mit dem Bob!

Der jungen Schauspielerin Alba August gelingt es, die darstellerische Bandbreite dieses lebensfrohen Mädchens vom Kind, das noch begeistert mit Kartoffeln um sich wirft, bis hin zur neugierigen Verführerin abzubilden. Ihre ganze Mimik und Körperhaltung strahlt in jeder Einstellung die Sehnsucht nach mehr aus. Nach mehr Leben, mehr Spaß, mehr Anerkennung, mehr Frau-sein. Astrid ist auch beim nächsten Tanzabend wieder das Mauerblümchen. Diesmal kann sie jedoch ganz gelassen – sie wirkt beinahe ein wenig überheblich – auf ihrem Stuhl sitzen bleiben. Denn sie hat bereist ihre ganz eigene Erfahrung mit dem Herrn Redakteur gemacht, die sie in die größte Krise ihres jungen Lebens stürzen wird.

Mit 18 Jahren bekommt sie ein Kind, niemand darf von dieser Schande erfahren, ihre Schwangerschaft bedeutet ganz praktisch gesehen ein Risiko für die gesamte Familie, denn die hat ihr Land von der Kirche gepachtet. So ist es die eigene Mutter, die rät, das Kind wegzugeben, und beide Eltern sorgen dafür, dass Astrid das Kind weit weg von zu Hause auf die Welt bringen wird. Eine allein erziehende ledige Mutter – zur damaligen Zeit ist das ein Skandal. Und trotzdem wird Astrid genau das sein, nachdem sie ihren fast dreijährigen Sohn Lasse endlich zu sich holt. Sie ist sich immer ihrer Stärke bewusst und hat mit Herrn Lindgren einen äußerst verständnisvollen neuen Chef in Stockholm.

Aus diesen frühen dramatischen Erfahrungen hat Astrid Lindgren ihre Themen geschöpft, einerseits von glücklichen Kindheiten erzählt, aber häufig auch von Tod und Verlassenheit. Nicht wenige ihrer Kinderfiguren sind ganz auf sich allein gestellt, allen voran Pippi Langstrumpf, auch Mio und die Brüder Löwenherz. „Astrid“ versucht auf die klugen Fragen der Kinderpost eine Antwort zu finden. Die Briefe werden weiterhin wie Kapitelüberschriften vorgelesen und wir begreifen nun eine berühmte Autorin, deren jähes Ende ihrer glücklichen Kindheit und Jugend sie stark geprägt hat. Wir folgen ihr gebannt in diesem Zusammenschnitt einer spannenden Epoche, in der es die erste Anwältin für Frauenrechte in Schweden gab und weitere starke Frauen den Weg der jungen Astrid kreuzen. Katrin Nyman kann stolz sein. Der Film verneigt sich tief vor dem Andenken an ihre Mutter Astrid Lindgren.

Katrin Hoffmann

© dcm
13+
Spielfilm

Unga Astrid - Deutschland, Schweden, Dänemark 2018, Regie: Pernille Fischer Christensen, Kinostart: 06.12.2018, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 13 Jahren, Laufzeit: 123 Min., Buch: Kim Fupz Aakeson, Pernille Fischer Christensen, Kamera: Erik Molberg Hansen, Schnitt: Åsa Mossberg, Kasper Leick, Musik: Nicklas Schmidt, Produktion: Anna Anthony, Maria Dahlin, Lars G. Lindström, Verleih: dcm, Besetzung: Alba August (Astrid), Trine Dyrholm (Marie), Magnus Krepper (Samuel), Maria Bonnevie (Hanna), Henrik Rafaelsen (Blomberg) u. a.

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