Captain Nova
Auf Netflix: Durch ein Wurmloch reist eine Pilotin in die Vergangenheit – und muss als zwölfjähriges Mädchen die Klimakatastrophe abwenden.
Die Lage ist furchtbar, nur ein radikaler Schritt verspricht Hoffnung: Im Jahr 2050 hat die Welt die Klimakatastrophe schon hinter sich, die staubtrockene Erde ist in orangenes Licht gehüllt. Vögel gibt es nur noch als Gerippe, ihre zarten Knochen sind eine Seltenheit und ein besonderer Fund für den Sohn der 37-jährigen Pilotin Nova Kester. Durch ein Wurmloch wird diese 25 Jahre in die Vergangenheit reisen, um im Jahr 2025 – das klingt so futuristisch und ist doch gar nicht mehr so lang hin aus unserer Gegenwart von 2022 – eine Entscheidung zu verhindern, die das Unglück unausweichlich machte. Nur tritt sie am Ende ihrer Zeitreise leider als junges Mädchen aus dem Cockpit. Als Nebeneffekt der Zeitreise ist sie jünger geworden, ein identisches Abbild von sich selbst, zwölf Jahre alt.
Das wird schnell zum Problem, denn von den Erwachsenen nimmt kaum jemand eine Zwölfjährige ernst. Die Manager eh nicht, an die sich ihre Botschaft richtet, fast alle „alte weiße Männer“. Einen Verbündeten findet sie nur im 15-jährigen Nas, der den Absturz ihres Raumschiffs beobachtet hat und fasziniert ist von diesem so entschlossenen, ungewöhnlich erwachsen agierenden Mädchen.
Es ist vielleicht schon ein wenig zu viel der politischen Analogie: Ein ernst dreinschauendes blondes zwölfjähriges Mädchen, das den „Erwachsenen“ eine, hier im wörtlichen Sinne, Botschaft aus der Zukunft überbringt und sie zum Einhalten bringen will. Wer da nicht wenigstens kurz an Greta Thunberg denkt, hat in den vergangenen vier Jahren wohl den Kopf in den Sand gesteckt. Aber die herablassenden Botschaften, die Thunberg und „Fridays for Future“ statt Argumenten zu hören bekommen, sie passen nur zu genau auf die Handlung dieses Films. Niemand will die (gar nicht mehr so kleinen) Kinder ernst nehmen, die Erwachsenen haben es sich gemütlich eingerichtet in Wahrscheinlichkeitsrechnungen und Profitorientierung. Da passt der Nachwuchs nicht rein, den kann man abtun: „Das sind Erwachsenendinge. Vielleicht, wenn du dich in der Schule anstrengst …“
Lotte Tabbers und Regisseur Maurice Trouwborst halten sich in ihrem Drehbuch nicht lange mit Begründungen und Erklärungen auf; der Klimawandel verlangt hier sofortige Entscheidungen, sofortiges Umdenken. Die beiden haben schon bei der Science-Fiction-Serie „Zenith – Supercharged Family“ zusammengearbeitet, und man merkt, wie das Genrekino auch diesen Film durchdringt. Da sind weite Maisfelder, die an die von Trockenheit und Mangel heimgesuchte Erde aus Christopher Nolans „Interstellar“ (2014) erinnern. Der orangene Staub des Jahres 2050 erinnert an „Blade Runner 2049“ (Dennis Villeneuve, 2017) ebenso wie an Dystopien der Trockenheit, „Hell“ (Tim Fehlbaum, 2011) ist da ein typisches Beispiel. Einmal ziehen im Jahr 2025 vermummte und schwer bewaffnete Einsatzkräfte an einer sehr modernen, vollverglasten Villa auf. Polizist*innen mit Maschinenpistolen vor futuristischen Glasfassaden, dazu gibt es einen kleinen, künstlich intelligenten Roboter und ein elegant abgerundetes, schwebendes Raumschiff: Das filmische Instrumentarium, die visuellen und narrativen Bezugspunkte entstammen dem Sci-Fi- und Polizeithriller, die Botschaft aber dem dystopischen Endzeitkino.
Zugleich ist das alles sehr klein und überschaubar gehalten, in Personal und Umfeld. Die Staatsmacht wird vor allem durch eine Offizierin repräsentiert, die durchaus empathisch agiert und dem Konzept von Zeitreisen erstaunlich offen gegenübersteht – ein Konzept, dessen Komplexitäten und Widersprüchlichkeiten hier allerdings nicht weiter ausgebreitet werden. Es gibt keine wilden Schießereien und Verwicklungen – ein Regisseur wie Christopher Nolan hätte da mehr Bombast rausgeholt, aber die Figuren auch nicht so nahbar gehalten.
Denn das ist es, was „Captain Nova“ bei all seinen kleinen Schwächen (es gibt ein paar sehr große Wurmlöcher im Plot, und vor allem macht sich der Film ein paar Sachen doch ein wenig einfach) so angenehm und menschlich macht: Es bleibt in Sorgen und Perspektive sehr nah bei seinen Protagonist*innen und damit beim angepeilten Zielpublikum. Nicht mehr Kinder, noch nicht erwachsen. Und in ihrem klaren Blick auf die Verhältnisse lassen sie sich von Gewinnstreben und Traditionen nicht aufhalten. Dazu passt die schönste Idee des Films, Novas Handfeuerwaffe, mit der sie Menschen und Maschinen in einem Pausenzustand fixieren kann. Unbeweglich, aber lebendig, „damit sie Zeit zum Nachdenken haben“. Denn es muss etwas geschehen. „Captain Nova“ bietet zunächst eine etwas einfache Lösung – da grüßt das Actiongenre mit seinem einen, einzigen Bösewicht, der besiegt werden muss. Aber am Ende macht der Film dann auch die größere Perspektive auf: Wie viele Botschaften aus der Zukunft brauchen wir, um umzudenken?
Rochus Wolff
Captain Nova - Niederlande 2021, Regie: Maurice Trouwborst, Homevideostart: 01.04.2022, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 12 Jahren, Laufzeit: 96 Min. Buch: Lotte Tabbers, Maurice Trouwborst. Kamera: Robbie van Brussel. Musik: Alexander Reumers. Schnitt: Pelle Asselbergs. Produktion: Koji Nelissen, Derk-Jan Warrink. Anbieter: Netflix. Darsteller*innen: Kika van de Vijver (Nova), Marouane Meftah (Nas), Hannah van Lunteren (Claire), Robbert Bleij (Simon Valk jr.), Joep Vermolen (Koen) u. a.
Altersempfehlung 10-13 Jahre
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