Youth Unstoppable – Der Aufstieg der globalen Jugend-Klimabewegung
Im Kino: Eine jugendliche Umweltaktivistin greift zur Kamera.
Die Geschichte der globalen Jugend-Klimabewegung beginnt lange vor Greta Thunberg und Fridays for Future. 1992 spricht auf dem Umweltgipfel in Rio die zwölfjährige Severn Cullis Suzuki vor den Vereinten Nationen. Und 1992 wird Slater Jewell-Kemker geboren. Als Elfjährige bekommt sie von ihren Eltern, beide Filmemacher*innen, eine Kamera geschenkt. Das und die Begegnung mit dem Meeresbiologen Jean-Michel Cousteau legen den Grundstein für den Film, den Jewell-Kemker mit 15 beginnt – nicht ahnend, dass sie über die folgenden zwölf Jahre den Aufstieg eben jener weltweiten Jugend-Klimabewegung dokumentieren würde.
„Youth Unstoppable“ ist dabei gleichermaßen auch Zeugnis von Jewell-Kemkers persönlichem Reifeprozess. 2008 sehen wir sie als kanadische Jugendvertreterin auf dem G8-Gipfel in Japan, ein unsicher lächelnder Teenager im Interview mit Kanadas Umweltminister und beim Fototermin. Frustriert und enttäuscht darüber, dass die geladenen Jugendlichen für PR-Zwecke missbraucht und nicht ernstgenommen werden. Eine Erfahrung, die sich über die Jahre wiederholen wird.
Aber hier trifft sie auch auf Gleichgesinnte und findet Freund*innen fürs Leben, etwa Abrar aus Bangladesh oder Alina aus Nepal. Einige Klimakonferenzen später wird Jewell-Kemker beschließen, sich selbst ein Bild von den konkreten Auswirkungen des Klimawandels zu machen. Sie besucht Alina in ihrer Heimat, wo extreme Dürre und Überschwemmungen die Existenz der Menschen bedrohen. Auch zu den Ölsänden in der westkanadischen Provinz Alberta reist sie. Aus der Luft werden die obszönen Dimensionen sichtbar (entsprechend 40% der Fläche Deutschlands). Die Umweltzerstörung ist verheerend. Mit dem hier ansässigen Teil von Jewell-Kemkers Familie, der seinen Lebensunterhalt in der Ölindustrie verdient, ist man über die Umweltproblematik zerstritten. Ihre Kontaktversuche bleiben unerwidert. Das Politische ist immer auch privat.
„Youth Unstoppable“ profitiert davon, dass die junge Filmemacherin Teil der Bewegung ist. Hier haben keine Außenstehenden die Kamera auf „die Jugend von heute“ gerichtet. Jewell-Kemker ist eine von ihnen, ihr öffnen sich die Aktivist*innen vorbehaltlos. Wenn sie sich vor ihrer Kamera selbst vorstellen, sind die Ernsthaftigkeit ihres Engagements, ihre Solidarität und nicht zuletzt ihr fundiertes Wissen zutiefst beeindruckend. Mitunter erschlagen die vielen dichten O-Töne. Kurze grafische Exkursionen wiederum helfen bei der Vermittlung wichtiger Fakten – etwa, was es mit den geforderten 1,5 Grad auf sich hat. So entsteht ein Gefühl für die Zusammenhänge von Politik, Globalisierung und Klimagerechtigkeit.
Keiner journalistischen Objektivität verpflichtet ist Jewell-Kemkers emotionale Perspektive ein unmittelbares Identifikationsangebot ans (junge) Publikum. Entstanden ist ein lebendiges Zeugnis der vielfältigen Jugend-Umweltbewegungen aus aller Welt, die sich trotz aller Widerstände und Rückschläge organisiert haben und zunehmend selbstbewusst Mitspracherecht einfordern. Im Rückblick auf die Klimakonferenz 2010 in Mexiko bestätigt Jewell-Kemker als mittlerweile Erwachsene der Bewegung Widerstandskraft und Relevanz: „Es brauchte Kinder, damit die Erwachsenen den Klimanotstand eingestehen (…)“. Es ist auch das Verdienst der Jugend, dass Klimawandel nun als relevantes Thema in den Mainstream-Medien angekommen ist. Und es ist die Hoffnung, dass Greta Thunberg und Fridays for Future noch viel bewegen werden. Denn, vorsichtig formuliert, ist es ernüchternd, wie wenig erreicht worden ist seit 1992, und beängstigend, wie schlimm es um den Planeten steht. Umso mehr ist „Youth Unstoppable“ als Aufruf zum eigenen Engagement zu verstehen, im Kleinen wie im Großen. Am Ende steht Jewell-Kemkers Appell: „Ich hoffe, dass ihr euch uns anschließt, denn (…) ich glaube fest daran, dass eine andere Welt möglich ist.“ Erst den Film ansehen, dann mitmachen. Noch ist es nicht zu spät.
Ulrike Seyffarth
Youth Unstoppable – The Rise of the Global Youth Climate Movement - Kanada 2019, Regie: Slater Jewell-Kemker, Kinostart: 30.09.2021, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 12 Jahren, Laufzeit: 88 Min. Buch: Slater Jewell-Kemker. Kamera: Slater Jewell-Kemker, Wendy Jewell, Nick Taylor, Daniel Bekerman. Musik: Brendan Canning, Ohad Benchetrit, Moby, Thom Yorke (Radiohead). Schnitt: Mike Munn, Nick Taylor. Produktion: Scythia Production, Reckless Production, Creative Visions, Film4Climate. Verleih: BJF
Altersempfehlung 10-13 Jahre
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