Kritiken > Filmkritik
Kritiken > Festival > Die Flaschenpost-Insel

Die Flaschenpost-Insel

Entdeckt beim Max-Ophüls-Preis: Wer waren Lainis leibliche Eltern? Ein altes Fotoalbum könnte das Rätsel lösen.

Es geht auch ohne öffentliche Filmförderung, Fernsehsender oder Verleihgarantie. Das zeigt der Kinderfilm „Die Flaschenpost-Insel“, den der Regisseur Toni Kurtin mit Hilfe vieler lokaler Unterstützer*innen und einem Minibudget von 120.000 Euro im Raum Wiesbaden inszeniert hat. Der Film ist das Resultat eines ambitionierten partizipativen Projekts des gemeinnützigen Vereins Oscar e.V., an dem mehr als 300 Kinder und Jugendliche aus der Region mitgewirkt haben. Einige von ihnen lieferten sogar Ideen für das Drehbuch. Koproduziert wurde der Film von der Mainzer Produktionsfirma Spektrumfilm. Von der Ideenfindung über die Dreharbeiten bis zur Postproduktion nahm das Projekt mehr als drei Jahre in Anspruch. Im Herbst 2018 eröffnete „Die Flaschenpost-Insel“ das renommierte Filmfestival „Lucas“ in Frankfurt am Main, zuletzt lief der Film in der Kinderfilmsektion des Filmfestivals Max Ophüls Preis in Saarbrücken.

Laini lebt bei ihren Adoptiveltern Anni und Henning in Wiesbaden. Das Waisenmädchen ist schon seit langem auf der Suche nach ihren familiären Wurzeln. Zahlreiche Flaschen mit Botschaften an ihre Eltern hat sie schon in den Rhein geworfen, aber nie eine Antwort erhalten. Zu ihrem zwölften Geburtstag überreichen Anni und Henning ihr ein zerfleddertes Fotoalbum, das unter anderem Fotos von Lainis schwarzafrikanischen Eltern beinhaltet, die bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen sind. Doch das mysteriöse Album wirft viele Fragen auf, enthält verschwommene Bilder und eigenartige Wörter. Was haben sie zu bedeuten? Sind es verschlüsselte Botschaften? Weder ihre Adoptiveltern noch Lainis beste Freundin Babsi wissen darauf eine Antwort.

Hilfe erhält Laini von dem 13-jährigen Paul, dem sie zufällig am Rheinufer begegnet. Der hochbegabte Junge wohnt mit seinem Vater, einem US-Soldaten, und der deutschen Mutter in einer amerikanischen Kaserne und erkundet gerne die Umgebung. Er ist technikbegeistert und bastelt nach der Schule in einer benachbarten Autowerkstatt an einer Seifenkiste, mit der er an einem Rennen teilnehmen möchte. Doch dann erfährt er, dass sein Vater plant, mit der Familie in die USA umzuziehen.

In der Schule gerät Laini zwischenzeitlich mit dem gleichaltrigen Michael aneinander, der das Asperger-Syndrom hat und die Emotionen anderer Menschen oft nicht richtig einschätzen kann. Deswegen fühlt sich Michael als Außenseiter und ist oft genervt von seiner stets besorgten Mutter, die ihn ständig vor angeblichen Gefahren schützen will.

Die Kinder freunden sich an und finden mit vereinten Kräften schließlich heraus, dass es sich bei dem Rätsel um eine geheimnisvolle Insel im Rhein handelt und begeben sich auf eine abenteuerliche Reise dorthin. Auf der Insel angekommen, gewinnt Laini in einer Höhle eine wichtige Erkenntnis über ihre Vergangenheit und kann mit ihrem Schicksal Frieden schließen.

Einen Teil seiner jungen Darsteller*innen rekrutierten die Filmemacher*innen an der privaten Wiesbadener Schauspielschule Scaramouche Academy. An der Schule haben sowohl Teanna Weiß, die Laini mit beachtlicher Souveränität spielt, als auch die Babsi-Darstellerin Lara Winde Kurse besucht. Ein großes Lob verdient Aurelio Pokorski, der mit großer Sensibilität einen schüchternen Jungen mit Asperger-Syndrom verkörpert, dem es schwer fällt, nonverbale Signale wie Gestik oder Mimik zu deuten und zu senden.

Einige Holprigkeiten in Dramaturgie, Dialogen und Inszenierung zeigen, dass es dem 26-jährigen Regisseur Toni Kurtin, der an der Hochschule Mainz das Fach zeitbasierte Medien studiert und als Filmdozent tätig ist, und seinem Team noch an Erfahrung fehlt. Die machen Kurtin und seine Mitstreiter*innen jedoch mit viel Herzblut und Engagement wett. Zudem erzählt der Film mit dem Charme des Unperfekten stets aus Sicht der jungen Protagonist*innen, unterstützt von einer Kamera, die ihnen konsequent auf den Fersen bleibt.

Vor allem zeigt die dramatische Geschichte anschaulich, wie die drei Heranwachsenden sich abmühen, die Kommunikationsprobleme in ihren Familien zu überwinden, und wie es ihnen schließlich gelingt, mit vereinten Kräften Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Und Probleme haben die Protagonist*innen genug: die Suche nach Geborgenheit und Liebe, das Streben nach Identität, die Furcht vor einem Heimatverlust, die Sehnsucht nach Akzeptanz und Toleranz. Ohne allzu plakativ den pädagogischen Finger zu erheben, vermittelt der Film die sympathische Botschaft, dass man Schwierigkeiten im Team viel besser lösen kann als allein.

Reinhard Kleber

© Spektrumfilm
8+
Spielfilm

Die Flaschenpost-Insel - Deutschland 2018, Regie: Toni Kurtin, Festivalstart: 20.09.2018, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 8 Jahren, Laufzeit: 89 Min. Buch: Toni Kurtin, Theresia Dittrich, Luise Köhler. Kamera: Felix Harjans. Musik: Jan Crenner. Schnitt: Daniel Alznauer. Produktion: Corinna van Eijk. Darsteller*innen: Teanna Weiß, Jan-Niklas Thomsen, Aurelio Pokorski, Lara Winde, Alexander Kroll u. a.