Club der roten Bänder – Wie alles begann
Alles auf Anfang: Das Kinoprequel erzählt die Vorgeschichte zur erfolgreichen gleichnamigen Fernsehserie.
2015 war dem Sender VOX ein Überraschungshit gelungen: Seine erste eigenproduzierte Serie „Club der roten Bänder“ eroberte die Herzen der Zuschauer*innen, holte bis 2017 steigende Einschaltquoten und generierte eine wachsende Fangemeinde in den sozialen Medien. Zudem sammelte die Dramedy-Serie über sechs schwerkranke Jugendliche in einem Krankenhaus etliche Auszeichnungen ein, darunter den Deutschen Fernsehpreis, den Grimme Preis, die Goldene Rose und den International Emmy Award. Der Kinofilm erzählt nun, was vor der ersten Staffel geschah, wie die sechs Hauptfiguren sich trafen und den titelgebenden Patientenclub bildeten. Regie führt Felix Binder, der schon bei den drei Staffeln mitgewirkt hat – und die Fans der Serie dürfen sich über ein Wiedersehen mit den jungen, vorher wenig bekannten Hauptdarsteller*innen freuen.
Serie und Film beruhen auf den Erlebnissen des Spaniers Albert Espinosa, bei dem mit 14 Jahren Krebs diagnostiziert wurde. Durch die Erkrankung verlor er ein Bein und einen Lungenflügel und verbrachte zehn Jahre im Krankenhaus. Seine Erinnerungen hielt er in dem Roman „Glücksgeheimnisse aus der gelben Welt“ (2008) fest. Darin schildert er unter anderem, wie er mit Hilfe seiner Freund*innen und mit Lebenslust den Krebs besiegte. Das in mehr als 40 Sprachen übersetzte Buch bildete auch die Vorlage für mehrere Fernsehserien wie etwa die katalanische Fassung „Polseres vermelles“ (2011). Espinosa, der nach seiner Heilung Ingenieurwissenschaft studierte, begann parallel dazu als Drehbuchautor und Schauspieler zu arbeiten. Zudem brachte er mit Studienkolleg*innen das Theaterstück „Los Pelones“ (Die Glatzköpfigen) auf die Bühne. Das Stück bildete auch die Basis für sein erstes Drehbuch, das Antonio Mercero 2004 unter dem Titel „Planta 4“ verfilmte. Mit „Stationspiraten“ erschien 2010 ein sehenswertes Remake des Schweizer Regisseurs Mike Schaerer.
Das Kino-Prequel „Club der roten Bänder – Wie alles begann“ setzt nun mit Leo ein, der gerne Fußball spielt, aber eines Tages auf dem Spielfeld zusammenbricht. Die Ärzte stellen fest, dass in seinem Bein ein unheilbares Krebsgeschwür wuchert. Da die Chemotherapie nicht anschlägt, muss das Bein amputiert werden. In dem älteren Bettnachbarn Benni, einem glatzköpfigen, schwer tätowierten Raubein, findet er einen Patienten, der ihm nach anfänglichen Reibereien über die größte Not hinweghilft. Im Albertus-Klinikum begegnet Leo auch der hübschen, aber magersüchtigen Emma, die es ihren Eltern immer recht machen will, sich aber nicht genug geliebt fühlt und daher Drogen nimmt.
Eine Krebsdiagnose erhält unterdessen ebenfalls der freundliche Jonas, der stets gute Noten schreibt, aber unter den Schikanen seines ruppigen älteren Bruders leidet. Dann ist da noch der hübsche Alex, der aus der Bahn geworfen wird, als er erfährt, dass sein Vater eine Affäre mit seiner Lehrerin hat. Toni wiederum hat aufgrund einer autistischen Störung Schwierigkeiten, Emotionen anderer Menschen einzuschätzen. Zum Glück findet er in seinem Großvater eine große Stütze. Als Toni mit einem Motorrad verunglückt, bricht er sich beide Beine. Als guter Geist fungiert der junge Hugo, der vor anderthalb Jahren beim Sprung vom Zehnmeterturm verunglückt ist und seitdem im Koma liegt. Passend zur Figur begleitet Hugo als allwissender Erzähler aus dem Off das Geschehen, wobei seine Kommentare die Episoden verbinden.
Der Kinofilm kann erfreulicherweise für sich allein stehen, er funktioniert auch ohne Kenntnis der Serie. Allerdings werden Kenner*innen der Serie den Film mit größerem Gewinn sehen, erhellt er doch etliche Motive und Vorgeschichten der Figuren. Das Drehbuch rückt den Club-Anführer Leo, von Tim Oliver Schultz solide verkörpert, eindeutig in den Mittelpunkt, über sein Schicksal erfährt man bei weitem am meisten, während die Lebenswege der anderen fünf Protagonist*innen nur knapp angerissen werden. Obwohl die Exposition etwas zu lang geraten ist und manche Figuren zwischendurch für längere Zeit aus der Erzählung verschwinden, saugt das Drama die Zuschauer*innen dennoch rasch ins melodramatische Geschehen.
Trotz des tristen Themas wirkt die im Cinemascope-Format gefilmte Inszenierung nie deprimierend oder rührselig, weil es ihr gelingt, das heikle Gleichgewicht zwischen ernsten und heiteren Momenten auszubalancieren. Eindrucksvoll zeigt der Film, welche Energie die Heranwachsenden entwickeln können, um sich in einer wenig aussichtsreichen Situation nicht unterkriegen zu lassen.
Die Streitgespräche zwischen Leo und Benni, aber auch impulsive Glücksmomente wie bei einem Ausflug auf einen Rummelplatz oder exaltierte Ausbrüche der Lebenslust wie bei einem Wettrennen auf Rollstühlen sorgen für ein Wechselbad der Gefühle, zu dem auch fantastische Sequenzen beitragen, in denen die Protagonist*innen auf verstorbene Personen treffen, die ihnen Trost spenden können. Auch wenn das Prequel nicht die Schicksalsschere und den Tiefgang der Serie und der anderen Filmfassungen bietet, die in viel größerem Umfang im Krankenhaus spielen, so zeigt es doch, wie man schwere Stoffe leicht erzählen kann und wie man intelligent unterhält, ohne traurige Schicksale zu trivialisieren.
Reinhard Kleber
Club der roten Bänder – Wie alles begann - Deutschland 2019, Regie: Felix Binder, Kinostart: 14.02.2019, FSK: ab 12, Empfehlung: ab 14 Jahren, 111 Min. Buch: Arne Nolting, Jan Martin Scharf mit Albert Espinosa. Kamera: Thomas Schinz. Musik: Jens Oettrich. Schnitt: Anne-Kathrein Thiele. Produktion: Gerda Müller, Jan Kromschröder. Darsteller*innen: Tim Oliver Schultz (Leo), Damian Hardung (Jonas), Luise Befort (Emma), Ivo Kortlang (Toni), Timur Bartels (Alex), Nick Julius Schuck (Hugo), Jürgen Vogel (Benni) u. a.
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