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Our Eternal Summer

Als Lola im Meer ertrinkt, ist für ihre Clique nichts mehr wie zuvor. Insbesondere für ihre beste Freundin!

„Ich dachte, wir wären unsterblich“, sagt Lise, als sie aus dem Off die letzten unbekümmerten Sommerferientage kommentiert. Die 18-Jährige, ihre beste Freundin Lola und einige Freund*innen haben gerade das Abitur gemacht und verbringen entspannte Sommertage am Mittelmeer in Marseille. Sie hängen am Strand ab, hören Musik, feiern, genießen die letzten relaxten Tage, bevor ein neuer Lebensabschnitt beginnt.

An einem Abend brechen alle nach Hause auf, aber Lises Freund Malo möchte noch ein Mal hinausschwimmen. Lola begleitet ihn, wird jedoch nicht ans Ufer zurückkehren. Ihr Tod reißt die Clique aus ihrer unschuldigen Heiterkeit heraus, stürzt die jungen Leute in einen Gefühlsmix aus Trauer, Leere und Verzweiflung. Besonders Lise weiß nicht, wie sie den schmerzlichen Verlust verstehen, geschweige denn bewältigen soll. Wie nur weitermachen ohne Lola?

Mit bewundernswertem Einfühlungsvermögen beschreibt die junge französische Regisseurin und Autorin Émilie Aussel die seelischen Folgen einer ersten schweren Traumatisierung. Ihr sensibler Coming-of-Age-Film ist konsequent aus der Sicht von Lise erzählt, die mit Hilfe eines Off-Kommentars Einblicke in ihre schrittweise Verarbeitung der tragischen Erfahrung gewährt und zeitweise in einen fiktiven Dialog mit der ertrunkenen Freundin tritt.

Doch nicht nur Lise muss irgendwie damit klarkommen, dass nichts mehr so ist wie zuvor. Nach dem Unglücksfall wird die existienzielle Erschütterung aller immer dann besonders gut sichtbar, wenn die Freund*innen die filmische Illusion durchbrechen, indem sie direkt in die Kamera sprechen und dabei ihre Gefühle offenbaren, die oft zwischen Trauer und Verwirrung, Schuldgefühlen und Fehlersuche schwanken.

Durch die direkte Ansprache entfaltet der poetische Film ein beträchtliches Identifikationspotenzial, gerade für junge Zuschauende, die sich in einer Phase folgenreicher persönlicher Umbrüche befinden. Sympathisch wirkt dabei, dass die Regisseurin nicht alles ausbuchstabiert und manches in der Schwebe hält. So bleibt etwa offen, ob die Leiche von Lola überhaupt gefunden wurde oder worin genau die Traumatisierung der erwachsenen Rita besteht, die für Lise zu einer wichtigen Bezugsperson wird. Dass Lise sich auf ihrem Weg der Trauerbewältigung zunächst von ihrer Jugendclique zurückzieht und sich für einige Tage bei einer Gruppe experimenteller Theateraktivist*innen um Rita und den charismatischen Schauspieler Cosmo einquartiert, ohne dies ihren Eltern zu sagen, wirkt zwar etwas konstruiert, lässt sich aber verschmerzen.

Vier Kurzfilme über Jugendbanden hat Aussel bereits in und um Marseille gedreht. Dass die Inszenierung in „Our Eternal Summer“ so authentisch wirkt, liegt allerdings nicht nur daran, dass sie die Schauplätze sehr gut kennt. Vielmehr hat die Filmemacherin als Teenagerin selbst zwei enge Freunde verloren. Die existenzielle Erschütterung und die zeitweise Desorientierung der Heranwachsenden im Film spiegeln sich auch in der schillernd-nervösen elektronischen Musik des Duos Postcoitum, mit dem Regisseurin schon in ihren Kurzfilmen zusammengearbeitet hat.

Mit „Our Eternal Summer“, der auf dem Filmfestival in Locarno den Spezialpreis der Jury in der Programmreihe „Filmemacher der Gegenwart“ gewann, ist Aussel nun eine sehenswerte Studie über das Erwachsenwerden gelungen, die vor allem mit ihren ausdrucksstarken jungen Darsteller*innen punktet, allen voran Agathe Talrich. Am Ende geht ihre Figur Lise wieder schwimmen, trifft in der Phantasie noch einmal Lola und sagt ihr: „Ich will leben. Ich werde für uns beide leben.“ Die Wunde ist nicht geheilt, aber sie tut nicht mehr so weh.

Reinhard Kleber

© Filmdienst
14+
Spielfilm

L' ÉTÉ L'ÉTERNITÉ - Frankreich 2021, Regie: Emilie Aussel, Homevideostart: 11.03.2024, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 75 Min., Buch: Emilie Aussel, Yacine Badday, Emmanuelle Bayamack-Tam, Kamera: Mathieu Bertholet, Schnitt: Vincent Tricon, Musik: Damien Ravnich, Bertrand Wolff, Produktion: Shellac Films, Kinomatik, Verleih: Sooner, Besetzung: Agathe Talrich (Lise), Marcia Feugeas (Lola), Matthieu Lucci (Malo), Idir Azougli (Marlon), Nina Villanova (Rita), Antonin Totot (Cosmo), Rose Timbert (Eve), Louis Pluton (Elias)

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