Tori & Lokita
Zwei unbegleitete Minderjährige kommen aus Afrika nach Belgien. Dort haben sie vor allem nur eines: sich.
„Unser Film erzählt die Geschichte einer Freundschaft – einer schönen und intensiven Freundschaft, nicht einer verratenen Freundschaft, sondern einer unerschütterlichen Freundschaft“, schrieben die Brüder Dardenne in ihrer Konzeption zum Film „Tori & Lokita“. Er lief 2022 in Cannes und wurde mit dem Sonderpreis zum 75. Jubiläum der Filmfestspiele ausgezeichnet. Nun kommt „Tori & Lokita“ in Originalfassung mit deutschen Untertiteln in unsere Kinos.
Der Film handelt in der Tat von einer ganz besonderen Freundschaft zwischen zwei jungen Menschen aus Afrika, aber nicht nur: Die jugendliche Lokita aus Kamerun und der elfjährige Tori aus Benin lernen sich auf der Flucht kennen und geben sich in Belgien als Geschwister aus. Nur so kann Lokita eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Denn Tori als verfolgtes „Hexenkind“ hat das Recht auf Asyl, das dann auf seine „Schwester“ ausgeweitet werden kann. So proben sie vor jeder Anhörung ihre erdachte Familiengeschichte, wie Lokita ihren „Bruder“ aus dem Waisenhaus gerettet hat. Doch die Anhörungen, die bei Lokita Panikattacken hervorrufen, sind nicht der einzige Druck, der auf dem Mädchen lastet. Sie muss regelmäßig Geld an ihre Mutter schicken und außerdem die Schulden von 620 Euro bei der Schlepperbande tilgen. Dafür jobben sie und Tori in einer Pizzeria, wo sie fünf Euro für zehn Minuten Singen erhalten, aber abends außerdem losziehen, um Drogen für den Koch Betim zu vertickern. Trotzdem reicht das Geld vorn und hinten nicht. Als dann die Behörde beschließt, die beiden „Geschwister“ einem DNA-Test zu unterziehen, flieht Lokita aus dem Wohnheim. Für gefälschte Papiere lässt sie sich für ein paar Wochen in ein abgelegenes Lagerhaus, eine illegale Cannabisplantage, einschließen. Ohne Kontakt zur Außenwelt und sich ganz allein überlassen, muss sie dort unter menschenunwürdigen Bedingungen die Pflanzen pflegen. Doch Tori gibt keine Ruhe, bis er seine „Schwester“ gefunden hat, und bringt damit eine unheilvolle Lawine ins Rollen.
Der Film ist keine leichte Kost. Er wühlt auf und bedrückt, zeigen doch die Brüder Dardenne realistisch und schonungslos die Probleme auf, mit denen unbegleitete Geflüchtete in Europa zu kämpfen haben. Ihr Film spielt in Belgien, könnte aber ebenso gut in Frankreich oder Deutschland angesiedelt sein. Von allen Seiten werden die jungen Menschen unter Druck gesetzt. Da ist die Angst vor der Abschiebung, da müssen oftmals die Familien in den Heimatländern finanziell unterstützt werden und da sind die Schleuserbanden, die nicht wenig Geld erpressen. Die Gefahr, dass unbegleitete Geflüchtete so in kriminelle Machenschaften verwickelt und ausgebeutet werden, ist groß. Tori und vor allem Lokita geraten in diesen Strudel von Not und Kriminalität. Stück für Stück beleuchten die Brüder Dardenne diese Spirale, die die beiden immer mehr in die Ausweglosigkeit bringt. Das ist schwer auszuhalten, wird hier doch ein Stück Wirklichkeit gezeigt und nicht ein fiktiver Thriller. Dagegen aber stehen die Szenen, in denen Tori und Lokita wie enge Freund*innen, ja wie Geschwister miteinander agieren. Diese Bilder trösten, versöhnen und geben ein kleines Stück Hoffnung.
Barbara Felsmann
Tori et Lokita - Belgien, Frankreich 2022, Regie: Jean-Pierre und Luc Dardenne, Kinostart: 26.10.2023, FSK: ab 16, Empfehlung: ab 16 Jahren, Laufzeit: 88 Min. Buch: Jean-Pierre und Luc Dardenne. Kamera: Benoît Dervaux. Schnitt: Marie-Hélène Dozo. Produzent*innen: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne, Denis Freyd, Delphine Tomson. Produktion: Les Filmes du Fleuve, Archipel 35, Savage Film. Verleih: Cinejoy Movies. Darsteller*innen: Pablo Schils (Tori), Joely Mbundu (Lokita), Marc Zinga (Firmin), Nadège Ouedraogo (Justine), Charlotte De Bruyne (Margo) u. a.
Altersempfehlung 14-18 Jahre
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