Mini-Zlatan
Entdeckt beim „Schlingel‟: Ella freut sich auf viel Zeit mit ihrem Lieblingsonkel. Doch dann funkt dessen Freund dazwischen. Geht ja gar nicht!
Ella ist ein aufgewecktes Kind mit einer starken Persönlichkeit und der Überzeugung, dass Menschen einfach nicht zusammenpassen. Für sie selbst gilt das ganz besonders, mit einer Ausnahme: Mit ihrem Onkel Tommy versteht sie sich perfekt. Sie teilen denselben Humor, eine Vorliebe für Monster und sind als Karaoke-Duo einfach unschlagbar. Einziger, verzeihlicher Makel des Lieblingsonkels ist seine fehlende Fußballbegeisterung. Ella, die das gelbe Fußballtrikot nie auszieht und ihren Fußball sogar mit ins Bett nimmt, wird von Tommy liebevoll Mini-Zlatan genannt, nach dem schwedischen Nationalspieler Zlatan Ibrahimović. Diese besondere Beziehung sieht Ella durch Tommys neuen Freund Steve gefährdet, der plötzlich zu Besuch kommt und eindeutig zu viel von Tommys Aufmerksamkeit und Zeit beansprucht. Fortan versucht sie, den Eindringling loszuwerden und ihren Platz als Tommys BFF (Best Friend Forever) zu verteidigen.
Freundschaft ist ein Kernthema des norwegischen Filmemachers Christian Lo („Thilda und die beste Band der Welt“, 2018, „Rafiki – Beste Freunde“, 2009). In seiner Familienkomödie „Mini-Zlatan“ löst Freundschaft nun Eifersucht und andere ambivalente Gefühle bei seiner jungen Protagonistin aus. Der Film zeichnet sich vor allem durch das große Verständnis aus, das er für sie hegt. Empathisch und auf Augenhöhe begleitet er Ella durch das Chaos von Eifersucht, Enttäuschung, Verlustangst und Wut. Sie darf egoistisch und schadenfroh sein, Mitleid mit einem Regenwurm haben und dann wieder ohne Skrupel zum Rasierer greifen. Kleine besitzergreifende Gesten machen klar, dass Ella ihren Lieblingsonkel mit niemandem teilen will. Ganz ohne erklärende Worte kommt der Moment aus, in dem Ella schließlich begreift, was sie mit ihrer ichbezogenen Haltung anrichtet. Das alles wirkt sehr echt und überzeugend – auch durch das umwerfend natürliche und minimalistische Spiel von Agnes Colliander als Ella – und ist auch für jüngere Kinder gut nachvollziehbar.
Ein kluger Einfall der Drehbuchautorinnen ist die Sprachbarriere, die mal Ella, mal den aus den Niederlanden stammenden Steve ausschließt, so dass sich die Machtverhältnisse ständig verschieben. Dass der erklärte Feind eigentlich lustig und nett ist und obendrein auch noch Fußball spielen kann, macht es Ella nicht leichter.
Tatkräftige Unterstützung für ihre Streiche und Aktionen gegen Steve bekommt Ella von ihrem Mitschüler Otto, mit dem sie dafür eine Zweckgemeinschaft eingeht. Der klassische Sidekick ist ebenfalls eine Erfindung des Drehbuchs, die Figur gibt es in dem Bilderbuch „Luzie Libero und der süße Onkel‟ von Pija Lindenbaum, auf dem der Film beruht, nicht. Otto hat keine Freund*innen, aber nicht aus freien Stücken wie Ella, die sämtliche Kontaktversuche anderer Kinder einfach ignoriert. Mit seinem Einzelgänger-Schicksal hat Otto sich zwar arrangiert, gibt aber die Hoffnung nicht auf, dass sich das eines Tages ändern wird. Und natürlich bleibt diese Haltung nicht ohne Wirkung auf Ella.
„Mini-Zlatan“ schlägt keine filmischen Kapriolen. Manche Nebenfiguren wie die synchron agierenden Drillingsonkel bedienen Klischees, Ellas Streiche sind recht brav und merkwürdig altbacken, eine Furzmaschine ist natürlich immer ein Garant für Lacher. Insgesamt aber verzichtet die Komödie auf stereotypen Klamauk und Action ist auf ein angenehmes Maß reduziert von Pija Lindenbaum.
Was den Film heraushebt, ist ein Aspekt, der den Regisseur zur Adaption des gerade mal 34 Seiten umfassenden Bilderbuchs motiviert hat: Wie in allen Kinderbüchern der schwedischen Autorin Pija Lindenbaum werden hier Geschlechterrollen hinterfragt, ist Diversität ein fester Bestandteil. In der Verfilmung bleiben Tommys und Steves gleichgeschlechtliche Beziehung und diverse Menschen wie Majsa aus dem Friseursalon beiläufig erzählte Tatsachen. Ella in ihrem Fußballtrikot könnte ebenso gut ein Junge sein, das ist letztlich egal. Gelebte Vielfalt, ganz selbstverständlich etabliert, ohne explizit thematisiert zu werden, das ist so wünschenswert wie selten – nicht nur im Kinderfilm.
Ulrike Seyffarth
Lill-Zlatan och Morbror Raring/Mini-Zlatan and Uncle Darling - Schweden, Norwegen, Niederlande 2022, Regie: Christian Lo, Festivalstart: 09.10.2022, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 7 Jahren, Laufzeit: 81 Min. Buch: Ella Lemhagen, Janne Vierth, Sara Sjöö nach dem Bilderbuch „Luzie Libero und der süße Onkel‟ von Pija Lindenbaum. Kamera: Simon Olsson. Musik: Stein Berge Svendsen. Schnitt: Arild Tryggestad. Produktion: Snowcloud Films, Filmbin, Sveriges Television, Filmpool Nord, Filminvest, Saperi Film, Viking Film. Verleih: offen. Darsteller*innen: Agnes Colliander (Ella), Simon J. Berger (Onkel Tommy), Tibor Lukács (Steve), Danyar Zeydanioglu (Otto) u. a.
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