Kritiken > Filmkritik
Kritiken > Altersempfehlung 14-18 Jahre > Schwimmen

Schwimmen

Ein ungemein authentischer Debütfilm, in dem aus einem Mobbing-Opfer eine Täterin wird.

Aus unerfindlichen Gründen blutet die 15-jährige Elisa häufig aus der Nase und fällt kurz in Ohnmacht, wenn sie oder andere nicht sofortige Gegenmaßnahmen einleiten. Unterstützung und Mitgefühl ihrer Klassenkamerad*innen sollten auch ohne eindeutige Diagnose selbstverständlich sein, sind es aber nicht. Stattdessen nutzen einige von ihnen die Situation aus, legen sich in der Dusche neben die Ohnmächtige, entkleiden sie teilweise, stellen die Aufnahmen ins Internet. Der Spott der ganzen Schule ist Elisa sicher. Die überforderten Lehrer*innen und andere Erwachsene bekommen unterdessen von alledem nicht das Geringste mit, nicht einmal dann, als Elisa von einigen Jungen im Schwimmbad wiederholt unter Wasser gedrückt wird. Elisas Eltern wiederum, die sich kurz zuvor getrennt haben, sind gar nicht in der Lage, ihre Tochter zu verstehen und zu unterstützen.

In der heutigen Generation Smartphone verschwimmen die Grenzen von „Gut“ und „Böse“ immer mehr, aus Opfern werden ohne Umschweife Täter*innen und umgekehrt, die Digitalisierung des Alltags macht es möglich. Elisa freundet sich mit ihrer neuen Mitschülerin Anthea an, die wie Elisa zur Außenseiterin wird. Ihre wilde Freundschaft muss selbstverständlich dokumentiert werden, Handy-Videos dienen nicht zuletzt der Selbstvergewisserung einer ansonsten brüchig erlebten Realität. Und mehr noch: Elisa beginnt, bald auch ihre Mitschüler*innen heimlich in verfänglichen Situationen zu filmen. Sie stellt die Videos anonym ins Internet und setzt sich auf diese Weise gegen ihr erlittenes Mobbing zur Wehr. Rache ist süß und der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Nun sind es die anderen, die am eigenen Leib schmerzlich erfahren, was Cybermobbing bedeutet. Elisa allerdings bekommt dann doch Gewissensbisse, zumal einer ihrer Mitschüler bei einer Mutprobe beim Schwimmen im See beinahe ertrinkt. Anthea ist da weniger zimperlich und so muss sich Elisa entscheiden, was sie wirklich will und was ihr die Freundschaft mit Anthea bedeutet.

Für ihren fulminanten Abschlussfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg gewann Luzie Loose bereits den Förderpreis der Caligari-Filmstiftung in Höhe von 5000.- Euro. Auf den Hofer Filmtagen kam dann der erstmals vergebene Hofer Goldpreis der Friedrich-Baur-Stiftung für die beste Regieleistung bei einem ersten Langspielfilm in memoriam Heinz Badewitz in Form eines zertifizierten Goldbarrens im Wert von rund 35.000 Euro dazu. Kein schlechter Start für die berufliche Karriere der Regisseurin, die in ihrem Coming-of-Age-Film die klassischen Herausforderungen der Jugend aufgreift, aber in teils überraschende neue dramaturgische Zusammenhänge stellt. Das betrifft nicht zuletzt die Form und die extrem subjektive Perspektive ganz in Augenhöhe der Jugendlichen selbst. Loose zufolge wollen ihre beiden Protagonistinnen „aktiv an der Bilderflut teilnehmen, die im Netz verbreitet wird“. Da ihre Handyvideos ein wichtiger Bestandteil in ihrem Leben geworden sind, fließt das von ihnen gedrehte Material unmittelbar in den Film mit ein. Solche kleinen Filme im Film sind zwar nicht neu, aber sie machen diese Geschichte um ganz neue Formen von persönlicher Schuld und Verantwortung sowie den Druck, der durch die sozialen Medien entsteht, weitaus authentischer als bemühte Versuche, jugendliche Lebensgefühle etwa mit wackeliger Handkamera vorzutäuschen.

Für einen Abschlussfilm spielt sich das Drama an ungewöhnlich vielen, optisch attraktiv in Szene gesetzten Schauplätzen ab. Beispielsweise wurden einige Szenen bei einem Rave am 1. Mai in Berlin oder auf echten Partys gedreht und auch die Mitschüler*innen wurden nicht eigens für den Film gecastet, sondern gehen tatsächlich dort auch zur Schule. All das verleiht dem Film fast schon eine dokumentarische Note. Vor allem aber trägt sich der Film durch die beiden Hauptdarstellerinnen, insbesondere durch Stephanie Amarell, die im Alter von elf Jahren von Michael Haneke für seinen Film „Das weiße Band“ entdeckt worden ist. Ihr gelingt es, Elisa so authentisch zu spielen, als wäre sie es selbst

Holger Twele

Die Kritik wurde anlässlich der Festivalaufführung im Rahmen der Hofer Filmtage 2018 verfasst.

© UCM.ONE
14+
Spielfilm

Schwimmen - Deutschland 2018, Regie: Luzie Loose, Festivalstart: 26.10.2018, Kinostart: 12.09.2019, FSK: ab 12, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 102 Min., Buch: Luzie Loose, Kamera: Anne Bolick, Schnitt: Marco Rottig, Produktion: Christoph Holthof-Keim, Daniel Reich, Verleih: UCM.ONE, Besetzung: Stephanie Amarell (Elisa), Lisa Vicari (Anthea), Alexandra Finder (Anna), Jürg Plüss (Ralph), Jonathan Berlin (Pierre), Deborah Kaufmann (Thekla), Christian Heiner (Sigurd), Bjarne Meisel (Constantin) u. a.

Schwimmen - Schwimmen - Schwimmen -

Altersempfehlung 14-18 Jahre

» Der schöne Sommer

» Samia

» Tiger

» Nicht eine mehr

» Gasoline Rainbow

» Dead Boy Detectives

» Boy

» Our Eternal Summer

» Berlin Bytch Love

» Mein Sommer mit Irène

» Ellbogen

» Norwegian Dream

» Maboroshi

» Animalia

» How To Have Sex

» Die Sirene

» Reservation Dogs – Season 3

» Dead Girls Dancing

» Elaha

» Bottoms

» Forever

» Tori & Lokita

» Sorcery

» Sex Education – Staffel 4

» L‘amour du monde – Sehnsucht nach der Welt

» Water Lilies

» Boyz

» Fanfic

» Suzume

» The Ordinaries

» Sara Mardini – Gegen den Strom

» Sonne und Beton

» We Will Not Fade Away

» Girls Girls Girls

» Wann wird es endlich wieder so wie es nie war

» Die Fabelmans

» Reservation Dogs – Season 2

» Kalle Kosmonaut

» Goodbye, Don Glees!

» Sonne

» Wednesday

» Die Schwimmerinnen

» Beautiful Beings

» High School

» The Sleeping Beast

» Märzengrund

» Sing a Bit of Harmony

» Stranger Things 4

» North Hollywood

» Belle

» Nico

» 1 Meter 20

» Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann

» Kind Hearts

» Soul of a Beast

» Platzspitzbaby – Meine Mutter, ihre Drogen und ich

» Lingui – Heilige Bande

» Reservation Dogs

» Dear Future Children

» Happiness

» Everbody’s Talking About Jamie

» Sex Education – Staffel 3

» Je suis Karl

» Ein nasser Hund

» Räuberhände

» CODA

» Freda

» Lola und das Meer

» Sommer 85

» Frühling in Paris

» Sweet Tooth

» Shadow Game

» Things We Dare Not Do

» Invincible

» Fighter

» Ninjababy

» Une colonie

» We are who we are

» Moxie. Zeit, zurückzuschlagen

» Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (2021)

» Jugend

» Port Authority

» Stichtag

» Sechzehn Stunden Ewigkeit

» Eighth Grade

» Yes, God, Yes – Böse Mädchen beichten nicht

» Wildherz – Auf der Reise zu mir selbst

» Und morgen die ganze Welt

» Lovecut

» Grand Army

» Zombi Child

» Mein etwas anderer Florida Sommer

» Milla Meets Moses

» Niemals Selten Manchmal Immer

» Futur Drei

» Nackte Tiere

» Mulan (2020)

» Yalda

» Normal People

» Gretel & Hänsel

» All die verdammt perfekten Tage

» Sunburned

» Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte

» I’m no longer here

» Home Before Dark

» Monos – Zwischen Himmel und Hölle

» Away – Vom Finden des Glücks

» Sommerkrieg

» Acasă, My Home

» Scheme Birds

» All Day and a Night

» Children Of The Sea

» Giant Little Ones

» I Am Not Okay With This

» Sweet Thing

» Jumbo

» Notre-Dame du Nil

» Little Women

» Crescendo

» Auerhaus

» Ich habe meinen Körper verloren

» Liz und der blaue Vogel

» Nevrland

» Zwischen uns die Mauer

» Harajuku

» Systemsprenger

» Ein leichtes Mädchen

» Paranza: Der Clan der Kinder

» Don’t Give a Fox

» Stranger Things 3

» Drei Schritte zu dir

» Orangentage

» Roads

» The Sun is also a Star

» mid90s

» The Hate U Give

» Stupid Young Heart

» Der verlorene Sohn

» Rekonstruktion Utøya

» Club der roten Bänder – Wie alles begann

» Raus

» Verlorene

» Yuli

» Mary Shelley

» Mellow Mud

» Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot

» Fünf Dinge, die ich nicht verstehe

» Schwimmen

» Blue My Mind

» Girl

» Schmeißt die Schlampe in den Fluss

» Winterfliegen

» Ava

» Der wilde Planet

» I Kill Giants

» Genesis

» Letztendlich sind wir dem Universum egal

» 303

» Love, Simon

» Your Name

» Mustang

» Bande de Filles

» Persepolis

» Fucking Åmål