I’m no longer here
Ein Jugendlicher flieht aus Mexiko in die USA. Die Liebe zur Cumbia-Musik gibt ihm ein wenig Halt.
Filme und Serien aus unterschiedlichen Ländern und Regionen der Welt können ihr Publikum in Geschichten und Milieus führen, die von ihrem eigenen Alltag mitunter weit entfernt sind. Eine ungewöhnliche Subkultur stellt auch Regisseur und Drehbuchautor Fernando Frías de la Parra in seinem Drama „I’m no longer here“ vor, das von einem jungen Mann namens Ulises handelt. Der 17-Jährige lebt in der nordmexikanischen Stadt Monterrey und ist Anführer der „Los Terkos“-Gang, die sich mit großer Leidenschaft der verlangsamten Cumbia, einer besonderen Musikrichtung, widmet. Fast jede Minute ihrer Freizeit nutzen die aus ärmlichen Verhältnissen kommenden Jugendlichen, um gemeinsam zu tanzen. Eines Tages gerät Ulises allerdings auf die Abschussliste eines lokalen Verbrechersyndikats und muss in die USA fliehen, wo er der asiatischstämmigen Lin begegnet.
Frei von jeglicher Hollywood-Verklärung und auf fast dokumentarische Weise präsentiert, beschreibt der nichtchronologisch aufgebaute Film, was genau man sich unter dem Begriff „Heimat“ vorstellen kann und wie schmerzhaft es ist, diese gezwungenermaßen zu verlassen. Die in Monterrey spielenden Szenen illustrieren, dass Ulises und seine Freunde Teil der sogenannten Kolombia-Gegenkultur sind und sich über ihre Liebe zur Cumbia, ihre eigenwilligen Frisuren und ihren speziellen Kleidungsstil definieren. Das Gefühl der Gemeinschaft, des Dazugehörens weicht nach der Ankunft in New York einer schmerzenden Verlorenheit, die sich auch dann nicht auflösen will, als die neugierige Lin den Kontakt zu Ulises sucht, der kein Wort Englisch spricht.
Am Rande streut der Regisseur durchaus politische Kommentare ein. Das große Ganze will er jedoch keineswegs erklären, sondern eine ganz persönliche Erfahrung von Migrant*innen schildern. „I’m no longer here“ ist nicht immer leicht zugänglich, verlangt den Zuschauer*innen einiges an Geduld ab, versprüht stellenweise aber eine ansteckende Energie. Nicht zuletzt dann, wenn Fernando Frías de la Parra der hierzulande wenig bekannten Cumbia-Musik breiteren Raum gibt und so das Lebensgefühl von Ulises und seiner Clique konkret spürbar macht.
Christopher Diekhaus
Ya no estoy aquí - Mexiko, USA 2019, Regie: Fernando Frías de la Parra, Homevideostart: 27.05.2020, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 16 Jahren, Laufzeit: 112 Min. Buch: Fernando Frías de la Parra. Kamera: Damián García. Musik: Joe Rodríguez, Javier Nuño. Schnitt: Yibran Asuad, Fernando Frías de la Parra. Produktion: Fernando Frías de la Parra, Alberto Müffelmann, Gerry Kim, Gerardo Gatica. Anbieter: Netflix. Darsteller*innen: Juan Daniel García (Ulises), Angelina Chen (Lin), Jonathan Espinoza (Jeremy), Coral Puente (Chaparra), Leo Zapata (Isaí) u. a.
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