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Stranger Things 4

Auf Netflix: Die Retro-Serie ist im Genre des Teen-Slashers angekommen. Leider fehlen die leisen Töne.

Es gab mal Zeiten, da wurde über ganze Sternenkriege, über den Aufstieg und den Fall von Imperien, unzählige Planetenbesuche und Familiengeschichten in etwa sechs Stunden erzählt. Und wenn man sich die in jeder Hinsicht überlange vierte Staffel von „Stranger Things‟ ansieht, dieser an sich wirklich schönen Retro-Jugend-Horror-Serie, dann wünscht man sich, dass nicht nur der Achtziger-Jahre-Style kopiert worden wäre, sondern auch die Qualität, auf den Punkt zu kommen.

„Stranger Things 4‟ beginnt unter ungünstigen Vorzeichen. Die mittlerweile zahlreichen Hauptfiguren der Serie befinden sich seit dem Ende der dritten Staffel nicht mehr alle an einem Ort. Während Mike, Dustin, Lucas, Max, Nancy, Steve und Robin in Hawkins geblieben sind, lebt Will mit seiner Familie und Eleven in Kalifornien. Und dann war ja in der Post-Credit-Szene von Staffel 3 noch die Rede von einem Amerikaner in einem Gefängnis im Kamtschatka. Die ersten Verbindungen stellt die Serie her, als Mike seine Freundin Eleven in Kalifornien besucht. Ein ernüchterndes Wiedersehen. Denn Eleven geht es dort nicht gut. Während Will, noch viel schüchterner und zurückhaltender als je zuvor, sich unter dem Radar bewegt, ist Eleven zur Zielscheibe arroganter Mitschülerinnen geworden, die sie mit Mobbingattacken bloßstellen. Erinnerungen an das Blutbad aus dem Finale von Brian de Palmas Stephen-King-Verfilmung „Carrie‟ (1976) werden wach – nur dass es dazu nicht kommt. Denn Eleven, die als Versuchsobjekt in einem Labor groß wurde, hat ihre übersinnlichen Fähigkeiten längst verloren.

In Szenen wie diesen scheint die Serie für einen kurzen Moment ihren alten Drive wiedergefunden zu haben. Da geht es um die Figuren und welche Sorgen sie gerade im Alltag haben, und gleichzeitig werden Anspielungen auf die Popkultur der Achtziger Jahre in die Geschichte eingewoben, ohne dass das aufgesetzt wirken würde. Rückblickend waren es ja ohnehin solche Zwischenszenen, die das Herz der gesamten Serie ausgemacht haben, von Dungeons & Dragons-Sessions im Keller bis zum Umherstreifen mit BMX-Rädern durch die Kleinstadt. „Wir sind keine Kinder mehr‟ war das Motto der dritten Staffel – und so ging es dann entsprechend auch viel um das erste Verliebtsein und den Abschied von der Kindheit. Die dramatischen, gruseligen Szenen in der höllischen Parallelwelt, die sich unter dem idyllischen Hawkins auftat, konnten dagegen meist einpacken. Diese Gewichtung hat sich nun allerdings verändert. Über Figurenentwicklungen erzählt die Serie kaum noch. Schon allein deshalb, weil das Ensemble nun so groß geworden ist, dass die Handlungsstränge unmöglich allen Figuren gerecht werden können. Will und Mike etwa, Kernbesetzung der ersten beiden Staffeln, spielen hier nur noch Nebenrollen. Dafür setzt „Stranger Things 4‟ mehr auf visuelle Effekte und Horrorelemente. Was irgendwo zwischen „E.T.‟ und den „Goonies‟ (Richard Donner, 1985) begann, ist nun bei „A Nightmare on Elm Street‟ (Wes Craven, 1984) angekommen.

Als in Hawkins eine Jugendliche gewaltsam ums Leben kommt, wird Eddie Munson zum Hauptverdächtigen – was nicht sonderlich verwundert: ein Typ mit langen Haaren, der Metal liebt, in der Schule ein Versager und überdies Vorsitzender eines Rollenspielclubs ist, passt dafür einfach wie die Faust aufs Auge. Während die Erwachsenen nach irdischen Motiven und Tätern suchen, erkennen Dustin, Max, Lucas, Nancy, Robin und Steve, dass hinter dem Mord, auf den bald ein weiterer folgt, ein Wessen aus dem Upside Down verantwortlich ist, das die seelischen Verletzungen mancher Jugendlicher ausnutzt. Wie in den Staffeln zuvor geben die Rollenspielnerds der Gruppe dem Monster einen Namen, den sie aus ihren D&D-Runden kennen: Vecna. Und so wird das Unbegreifliche erneut zu einem Wesen, mit dem man irgendwie umgehen kann.

„Stranger Things‟ hatte schon immer ein Faible für die Nerds. Doch noch nie wurden diese so sehr zur klamaukigen Hauptattraktion wie jetzt. Der Humor wirkt auf einmal viel platter als zuvor. Aus dem Schmunzeln über die Eigenheiten wird ein Schenkelklopfer, wie schade. Zur Last fällt der Serie auch der Wunsch, alles bislang Geschehene zu einer stimmigen Geschichte zu bündeln. Doch während Querverbindungen geschaffen werden, erlischt allmählich auch das Interesse an dieser Welt, die plötzlich viel zu sehr erklärt wird. Das Böse wird nicht bedrohlicher, wenn es einen Masterplan hat. Vollkommen überflüssig sind zudem die langen Szenen mit ausschließlich erwachsenem Cast in Kamtschatka, wobei die Darstellung der „bösen Russen‟, die in der dritten Staffel noch ein ironischer Rückblick auf die Zeit des Kalten Kriegs und damalige Feindbilder war, angesichts gegenwärtiger politischer Ereignisse überhaupt nicht mehr komisch wirkt.

In Erinnerung von dieser Staffel wird vor allem Max bleiben, die um ihren ums Leben gekommenen Stiefbruder trauert und Kraft aus dem schönen Kate-Bush-Song „Running up that hill‟ bezieht. Und Will, der in einer kleinen Szene eine ungeheuer berührende und ehrliche Liebeserklärung macht – und dabei ganz allein bleibt.

Stefan Stiletto

 

© Netflix
16+
Spielfilm

Stranger Things 4 - USA 2022, Regie: Matt Duffer, Ross Duffer, Shawn Levy, Nimród Antal, Homevideostart: 01.07.2022, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 16 Jahren, 9 Folgen, 64 bis 150 Min. Buch: Matt Duffer, Ross Duffer, Paul Dichter, Kate Trefry, Caitlin Schneiderhan, Curtis Gwinn. Kamera: Caleb Heymann, Lachlan Milne, Brett Jutkiewicz. Musik: Kyle Dixon, Michael Stein. Schnitt: Dean Zimmerman, Nat Fuller, Katheryn Naranjo, Casey Cichocki. Produktion: Matt Duffer, Ross Duffer, Rand Geiger, Paul Dichter, Lampton Enochs, Kate Trefry. Verfügbarkeit: Netflix. Darsteller*innen: Winona Ryder (Joyce Byers), Finn Wolfhard (Mike Wheeler), Millie Bobby Brown (Eleven), Gaten Matarazzo (Dustin Henderson), Caleb McLaughlin Lucas (Lucas), Noah Schnapp (Will Byers) u. a.

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