Wonderland – Das Königreich im Keller
Ein Anime auf den Spuren von Alice in Wunderland – allerdings ohne große Irritationen.
Es beginnt ein wenig wie „Alice im Wunderland‟. Während in der Geschichte von Lewis Carroll ein Mädchen einem weißen Kaninchen in ein Erdloch folgt und in einer märchenhaften Welt landet, liegt der Eingang in diesem Anime jedoch verborgen unter einem alten Teppich in einem Antiquitätengeschäft. Die Jugendliche Akane besucht dort einen Tag vor ihrem Geburtstag ihre etwas seltsame Tante, als plötzlich ein Mann mit ziemlich altbackenem Schnurrbart und Hut aus dem Keller auftaucht. In Akane erkennt er sofort etwas Besonderes. Bei ihr, da ist er sich sicher, muss es sich um die Göttin der grünen Windes handeln. Und die hat Großes zu leisten. Denn das Land, das sich jenseits der Kellertreppe befindet, leidet unter drastischem Wassermangel – und die einzige Hoffnung auf Rettung ist die sagenumwobene Göttin.
Auch wenn Keiichi Hara es nie in die Liga von Anime-Regie-Stars wie Hayao Miyazaki, Makoto Shinkai oder Mamoru Hosoda gebracht hat, sind im Laufe der vergangenen Jahre doch ein paar bemerkenswerte Animes unter seiner Führung entstanden, vom sommerlich verträumten Märchen „Summer Days with Coo‟ (2007), in dem er bereits mit der ökologischen Botschaft auf den Spuren von Miyazaki wandelte, bis hin zum eigenwilligen Künstlerinnenporträt „Miss Hokusai‟ (2015). Derart kunstvoll ist „Wonderland‟ nun leider nicht geworden. Er wirkt vielmehr in jeder Hinsicht ein wenig zu vertraut und die Magie will nicht überspringen. Alle wichtigen Elemente sind vorhanden: Es gibt ein schräges Gegenspielerpaar, einen Prinzen im Tiefschlaf, einen differenzierten Schurken mit einer tragischen Hintergrundgeschichte, ein wenig Slapstick, fantasievolle Schauplätze – und eine junge Heldin, die eigentlich gar keine Heldin sein will, im Laufe des Films aber ohne es zu merken trotzdem ein klein wenig erwachsener und selbstbewusster wird. Allerdings entwickelt sich die Geschichte nicht flüssig und hangelt sich vielmehr von Ereignis zu Ereignis. Das ist nett anzusehen, fesselt aber auch trotz mancher toller Bilder kaum und hält nur wenige Überraschungen bereit.
In der Geschichte von Alice hatte das Wunderland der Heldin regelrecht den Boden unter den Füßen weggezogen und ihr erst einmal jede Sicherheit genommen; sogar die von Clyde Geronimi, Wilfred Jackson und Hamilton Luske inszenierte Disney-Version aus dem Jahr 1951 nutzte dies für einige surreal anmutende Sequenzen. Solche Irritationen fehlen sowohl erzählerisch als auch gestalterisch in „Wonderland‟ und lassen das Land unter der Kellertreppe doch recht brav wirken. Einmal abgesehen von einer etwas derben Szene, in der Akane in der fantastischen Welt ihrem (riesigen) Hauskater begegnet – und dieser die Gelegenheit beim Schopfe packt, Akane am eigenen Leib erfahren zu lassen, wie gemein sie manchmal zu ihm ist.
Stefan Stiletto
Birthday Wonderland - Japan 2019, Regie: Keiichi Hara, Homevideostart: 18.06.2020, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 9 Jahren, Laufzeit: 112 Min. Buch: Miho Maruo, nach dem Roman „Chikashitru Kara no Fushigi na Tabi‟ („Strange Journey from the Basement‟) von Sachiko Kashiwaba. Musik: Harumi Fuuki. Anbieter: KSM.
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