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Away – Vom Finden des Glücks

Eine Heldenreise ohne Worte. Und ein virtuoser Animationsfilm, der funktioniert wie ein Computerspiel.

Der Junge hängt nach einem Flugzeugabsturz mit seinem Fallschirm im Baum fest. Als eine riesige schwarze Gestalt ihn befreit, rennt er los und flieht. Denn ob der Dämon ihm gut gesinnt ist, mag der namenlose Held zu bezweifeln. Es beginnt eine einzigartige Heldenreise, die völlig ohne Sprache auskommt und uns mitnimmt auf den Weg über die Insel, durch unterschiedlichste Landschaften und Wetterphänomene. Ganz allein hat der 25-jährige lettische Regisseur Gints Zilbalodis den Film auf die Beine gestellt, von der Computeranimation (mit Maya) über die Musik, den Schnitt und die Produktion. Dreieinhalb Jahre hat er an seinem Langfilmdebüt gearbeitet.

Der Aufbau der Story erinnert an ein Computerspiel, denn der Held muss verschiedene Hürden bewältigen, bis er an sein Ziel gelangt. Nachdem er zunächst zu Fuß flieht, findet er ein Motorrad und schließlich einen Rucksack mit Hilfsmitteln, um der bedrohlichen Silhouette zu entkommen. Durch eine vergilbte Landkarte hat er eine Vorstellung des Ortes und eine klare Richtung, die er einschlagen muss: Einmal längs über die Insel, denn am anderen Ende ankern im Hafen die rettenden Schiffe. In regelmäßigen Abständen kreuzen steinerne Torbogen seinen Weg, durch die er hindurch fahren muss, sie wirken wie Zielmarken, die es zu erreichen gilt, ganz so wie die Level in einem Computerspiel, die sich in ihrem Schwierigkeitsgrad immer mehr steigern. Obwohl das Publikum hier lediglich passiv zuschauen kann, ist der ästhetisch eigenwillige Film spannend geworden.

Der schwarze Riese, der an das Ohngesicht aus „Chihiros Reise ins Zauberland“ (Hayao Miyazaki, 2002) erinnert, bleibt dem Flüchtenden mit behäbigen Schritten immer auf den Fersen. Wie Ohngesicht hat auch er nur zwei große weiße Augenhöhlen im Umriss einer menschenähnlichen Kreatur. Zu Beginn rettet der Abgestürzte einen kleinen gelben Vogel, der ihn über eine weite Strecke begleitet und ihm später einen großen Dienst erweisen wird. Weitere Tiere kreuzen regelmäßig seinen Weg, denen er freundlich und hilfsbereit begegnet, ganz so als sammle er positives Karma für seine schwierige Tour.

Unterteilt in vier Kapitel, die etwa „Forbidden Oasis“ oder „Mirror Lake“ heißen, wird der Reisende jeweils mit ganz unterschiedlichen Problemen konfrontiert. Einmal fällt er in komatösen Schlaf, nachdem er von einem Brunnen getrunken hat, ein anderes Mal kreuzt auf dem Spiegelsee eine Elefantenherde seinen Weg, die gemächlich an ihm vorüberzieht: Ein virtuos gestaltetes Bild in Blau und Weiß, über dem Motorrad ziehen weiße Wolken und weiße Vögel, unter ihm der gefrorene blaue See, in dem sich der weißgetupfte Himmel spiegelt. Jede Region der Insel hat eine ganz andere Anmutung, die eine ist in leuchtendes Orange getaucht, die nächste dominiert von weißen Schneebergen, eine weitere von prächtig grünen Pflanzen. Dabei fällt überraschend auf, wie viele Klimazonen auf diesem winzigen Eiland vereint sind und wie abwechslungsreich sich die Vegetation gestaltet.

Einzige vernehmbare Geräusche sind das sonore Brummen des Motorrads und das Piepen des Vogels. Manchmal ist es ausnahmslos still oder es rauscht nur der Wind, dann wieder sind einzelne Szenen mit einem orchestralen Score unterlegt, der die Dynamik des Vorwärtskommens unterstreicht. Gerade durch die abwesende menschliche Stimme werden die anderen Töne extrem dominant und dienen der Orientierung im Filmraum. Der junge Held bleibt stumm. Wir blicken in seine großen Augen hinter der Motorradbrille, Mund und Nase sind lediglich angedeutet. Aber trotz der kargen Charakterisierung seines Gesichts erkennen wir in ihm den Champion, der unbeirrt seinen Weg fortsetzt, bis er im letzten Level einen verschneiten eisigen Berg vor sich sieht, den er kaum mit der Maschine hinauffahren kann. Hinter dem Berg liegt weit unten in der glitzernden Bucht der Hafen. Aber ob das die Rettung sein wird, wissen wir nicht. Vielleicht war alles nur ein böser Alptraum und morgen geht das Ganze wieder von vorne los. Das Gefühl der Ausweglosigkeit mag den jungen Zuschauer*innen aus schwierigen Situationen bekannt sein, hier erleben sie, dass es sich lohnt, nie aufzugeben. Das Leben geht umso erfolgreicher weiter, je mehr man sich auf ungewohnte Herausforderungen einlässt und sie zu bewältigen sucht.

Katrin Hoffmann

© Der Filmverleih/Meteor Film
14+
Animation

Away - Lettland 2019, Regie: Gints Zilbalodis, Kinostart: 05.03.2020, Homevideostart: 15.05.2020, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 75 Min. Buch: Gints Zilbalodis. Musik: Gints Zilbalodis. Schnitt: Gints Zilbalodis. Produktion: Gints Zilbalodis. Verleih: Filmverleih. Anbieter: Meteor Film

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