Der Sommer, als ich fliegen lernte
Sofijas Welt steht Kopf: Auf einer Reise mit ihrer Großmutter kommt mehr als ein gehütetes Familiengeheimnis ans Licht.
Anstatt mit ihren Freund*innen ins Sommercamp zu fahren, soll Sofija die schulfreie Zeit mit ihrer übervorsorglichen Großmutter Marija bei ihrer Großtante Luce in Kroatien verbringen. Ihre Hoffnung auf einen aufregenden Sommer, in dem sie möglichst viel Zeit mit ihrem geheimen Schwarm Marko verbringt, ist damit dahin. Doch sowohl Sofija als auch die Zuschauer*innen merken schnell: Diese Familienreise wird aufregender, als zunächst gedacht.
Es sind 25 Jahre vergangen, seitdem Großmutter Marija aus Kroatien fliehen und in Belgrad neu beginnen musste. Über die Geschichte ihrer Oma weiß Sofija nicht viel. Für die 12-Jährige ist sie vor allem eines: die rüstige Frau, die ihr ständig Vorschriften macht – „Vergiss das Eincremen nicht!“, „Trink genügend Wasser!“, „Setz deinen Hut auf, du holst dir einen Sonnenstich!“ Sofija strebt nach Unabhängigkeit, nach Freiheit, aber weder das eine noch das andere lassen sich erreichen, wenn die Großmutter einem ständig Sonnencreme ins Gesicht patscht.
Ganz anders ist Luce, Marijas Schwester. Sie ist lebensfroh, gelassen, reißt Witze und lässt Sofija mehr Freiraum: „Geh, mein Kind, hab Spaß!“ Die ständig zankenden Schwestern sind wie Tag und Nacht. Während Luce gern und viel über die Familie spricht, versucht Marija das Thema zu vermeiden. Immer dann, wenn Sofija versucht, an der harten Schale ihrer Großmutter zu kratzen, wird diese zornig, zieht eine Mauer um sich hoch.
Doch diese wird den Urlaub nicht standhalten! Als Sofija den hilfsbereiten Luka kennenlernt, ist ihre Hoffnung auf ihren ersten Kuss geweckt – zumindest bis herauskommt, dass er ihr Cousin ist. Das ist der Moment, an dem die Fassade der älteren Generation zu bröckeln beginnt.
„Der Sommer, als ich fliegen lernte“ erzählt mehr als die Geschichte eines Sommers. Er greift die Vergangenheit einer Familie auf, die von Verlust und Entfremdung gezeichnet ist. Trotz Längen gelingt dem Film eine bemerkenswerte Balance zwischen kindlicher Leichtigkeit, schweren Emotionen, familiärer Nähe und dem Wunsch nach Freiheit.
Es dauert, bis Marija das Familientrauma beim Namen nennt: der Krieg in Kroatien. Dieser und damit die Vergangenheit der Schwestern flackert nur subtil auf. Marija spricht in separaten Szenen von ihrer Flucht, einem Streit unter Geschwistern, einer Beerdigung, der sie fernbleiben musste. Der Krieg hatte nicht nur die Länder, sondern auch Familien entzweit.
Sofija ahnt von all dem nichts. Obwohl sie aufgeweckt und neugierig ist, viele Fragen stellt, erhält sie von ihrer Oma keine Antworten. Deutlich wird: Die Tragödie, die damals die Familie entzweite, hat auch heute noch das Potenzial, die Familie zu entzweien. Und damit Auswirkungen auf Familienmitglieder späterer Generationen, die den Krieg nicht miterlebt haben.
Nachdem ihre Großtante einen Zusammenbruch erleidet, soll Sofija einige Tage bei demjenigen Teil der Verwandtschaft bleiben, von dem ihre Oma sich einst entfremdete. Großonkel Nikola kann mit Sofija zunächst nicht viel anfangen. Sie ist eine Person, die ihm fremd ist, keine Familie. Seine Kinder sehen das zum Glück anders! Sofijas Cousin Luka und Cousine Ana schließen „die Neue“ schnell ins Herz, erkennen Sofija als ebenbürtigen Teil der Familie an.
Und darum geht es in „Der Sommer, als ich fliegen lernte“ letztlich auch: um Familie, ihre Eigenarten, ihre Einzigartigkeit, ihre emotionalen Nuancen. Darüber, wie düster ein farbenfroher Sommer plötzlich sein kann, wenn der Schmerz der Vergangenheit seine Schatten auf die Gegenwart wirft. Aber es geht eben auch um Zusammenhalt, der stärker als Kummer ist, und der die Familie letztlich wieder vereint.
Julia Hinrichsen
Leto kada sam naučila da letim - Serbien, Kroatien, Bulgarien, Slowakei 2022, Regie: Radivoje Andrić, Kinostart: 31.08.2023, Homevideostart: 16.12.2023, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 12 Jahren, Laufzeit: 93 Min., Buch: Ljubica Luković (nach dem Roman von Jasminka Petrović), Kamera: Dušan Joksimović, Schnitt: Dejan Urošević, Musik: Vasil Hadžimanov, Produktion: Sense Production, Kinorama, Art Fest, Silverart, Verleih: Der Filmverleih GmbH, Besetzung: Klara Hrvanović (Sofija), Olga Odanović (Marija), Snježana Sinovčić (Luce), Žarko Laušević (Nikola), Luka Bajto (Luka), Ema Kereta Rogić (Ana), Benjamín Lacko (Timotej)





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