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Sex Education – Staffel 4

Auf Netflix: Divers, sexpositiv, warmherzig, komisch – die bestechend leichtfüßige Serie geht in ihr Finale.

Die vierte und letzte Staffel der Jugend-Kultserie zeigt wieder Herz, Humor, Skurriles und Alltägliches in einem bunten, progressiven und durch und durch sexpositiven Serienkosmos. Das letzte Schuljahr begehen Otis, Maeve, Eric und all die anderen liebgewonnenen Serienfiguren an einer neuen Schule: die Cavendish Highschool ist ein wahres Schüler*innen-Paradies. Nicht nur Mobbing, sogar Tratsch ist verpönt, LGBTQ+ Schüler*innen sind ebenso an der Tagesordnung wie Nachhaltigkeit und Mitbestimmung, oder sagen wir besser: Selbstverwaltung. Lehrer*innen tauchen fast gar nicht mehr auf, und wenn der Direktor versucht, das Wort zu ergreifen, wird schnell klar, dass er eigentlich nichts zu sagen hat. Otis rasselt in seine erste herbe berufliche Krise, da seine Mitschülerin O hier bereits eine fluorierende Sex-Therapie anbietet. Eric findet einen neuen Freundeskreis mit den Transgender-Persönlichkeiten Abby und Roman, während Maeve neue Schritte in den USA dank eines Literaturstipendiums wagt und Adam nicht weiß, was er nach seiner vermurksten Schullaufbahn mit dem Leben anfangen soll. Währenddessen versucht Adams Vater mit wenig Erfolg, ein besserer Mensch zu werden, und Jean, Otis’ Mutter und Sex-Therapeutin der ersten Stunde, kämpft mit ihrem Dasein als frisch gebackene Mutter jenseits der 50.

Die Cavendish Highschool ist vielleicht ein bisschen zu bunt und wundervoll, aber warum nicht einfach mal die grenzenlos positive Utopie einer neuen Schulform entwerfen? Frei nach dem Motto: seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche. Konflikte lösen sich in der 4. Staffel episodisch schnell auf, Turbulenzen gibt es zunächst nur aufgrund von Otis’ Konkurrenzgehabe mit der andere Sex-Therapeutin an der Schule. Später gerät er dann sowohl mit Maeve als auch mit Eric in eine ernstzunehmende Beziehungskrise, die schwer zu bewältigen scheint und ihn schließlich auf sich selbst zurückwirft. Identitätsprobleme gibt es für andere auch, Cal verzweifelt fast daran, dass sie immer noch im Körper einer Frau leben muss, und Jackson, der von einem lesbischen Paar großgezogen wurde, macht sich auf die schmerzhafte Suche nach seinem Erzeuger. Die nur scheinbar oberflächliche Ruby muss sich einer Mobbing-Erfahrung aus der frühen Schulzeit stellen. So wird gekämpft, geliebt, gestritten und sich versöhnt. Anrührend ist vor allem die Entwicklung der naiven, empathischen Aimee, die in der letzten Staffel ihre Stimme finden und ihr Missbrauchs-Trauma auf künstlerische Art verarbeiten darf.

Das alles wird gewohnt unterhaltsam, turbulent und mitunter mit schrägem Humor aufbereitet, im Großen und Ganzen vielleicht ein bisschen zu gefällig. Manch ein Konflikt, wie etwa Erics Auseinandersetzung mit seiner christlichen Gemeinde, wird ebenso leichtfüßig und rührig aufgelöst wie andere doch recht existenzielle Krisen. Es hätte der Serie nicht geschadet, ein bisschen mehr Spannungen und Härten des Lebens auszuhalten. Andererseits bleibt sich „Sex Education“ auf diese Art treu: die rundweg aufbauenden Botschaften, die Selbstverständlichkeit mit welcher hier Diversität in jeder Hinsicht gefeiert wird, und die liebevolle Zeichnung aller Charaktere macht auch die letzte Staffel zu einem Feel-Good-Erlebnis mit Mehrwert.

Showrunnerin Laurie Nunn erklärte in einem Interview, sie habe eine Serie machen wollen, die einige Fragen, die wir an Liebe, Sex, Freundschaft und unsere Körper hätten, beantwortet. Etwas, das unseren inneren Teenager*innen geholfen hätte, sich ein bisschen weniger allein zu fühlen. Das gelingt auch im Serienfinale mit Herzenswärme und viel Einfühlungsvermögen für die Entwicklungsthemen dieser besonderen und herausfordernden Zeit im Leben.

Christiane Radeke

© Samuel Taylor/Netflix © 2023 Netflix, Inc.
14+
Spielfilm

Sex Education – Season 4 - Großbritannien 2023, Regie: Dominic Leclerc, Michelle Savill, Alyssa McClelland, Homevideostart: 21.09.2023, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 8 x 45-60 Min. Buch: Laurie Nunn, Troy Hunter, Krishna Istha u.a.. Kamera: Jamie Cairney, Oli Russell. Musik: Matt Viffa, Ciara Elwis, Ruby Wasmuth, u.a.. Schnitt: Steve Ackroyd, David Webb, Calum Ross. Produktion: Jamie Campbell, Laurie Nunn, Ben Taylor. Anbieter: Netflix. Darsteller*innen: Asa Butterfield (Otis), Gillian Anderson (Jean), Emma Mackey (Maeve), Ncuti Gatwa (Eric), Aimee Lou Wood (Aimee) u. a.

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