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Noch nie in meinem Leben ... – Staffel 2

Auf Netflix: Eine sympathische Fortsetzung der Serie, auch wenn die Protagonistin sich kaum weiterentwickelt.

Devi Vishwakumar ist zurück, und sie ist ganz die alte: impulsiv, chaotisch und nie um eine Ausrede verlegen. Das hat ihr den Spitznamen „Crazy Devi“ bei ihren Mitschüler*innen an der Highschool im kalifornischen Sherman Oaks eingebracht, worüber sie nicht sehr glücklich ist. Dabei hatte sich am Ende der ersten Staffel vieles zum Guten gewendet: Es kam zu einer vorsichtigen Annäherung zwischen Devi und ihrer Mutter. Devi und ihre besten Freundinnen Eleanor und Fabiola haben ihr erklärtes Ziel erreicht und stecken in richtigen Beziehungen – jedenfalls fast alle. Für Devi gab es eine klassische Happy End-Szene mit Kuss. An diese knüpft nun die zweite Staffel nahtlos an, nur um sie sogleich auf den Kopf zu stellen. Denn natürlich ist nichts einfacher geworden. So ist jede Menge hausgemachter Katastrophen vorprogrammiert und viel Spaß mit Devi & Co. garantiert.

In der ersten Staffel war dies mit erfrischenden Figuren sowie einem sicheren Gespür für Situationskomik und schlagfertige Dialoge bestens gelungen. Die Schöpferinnen Mindy Kaling und Lang Fisher setzen daher für die Fortsetzung ihrer Coming-of-Age-Comedy-Serie auf die bewährten Mittel. Größtenteils können sie die Erwartungen erfüllen, wenn auch mit einigen Abstrichen. Beispielsweise gibt es in den tendenziell etwas längeren Folgen gefühlt weniger Wortgefechte und pointierte Kommentare.

Wie gehabt lässt Devi (wieder mit umwerfendem Mutterwitz gespielt von Maitreyi Ramakrishnan) grundsätzlich kein Fettnäpfchen aus. Sie zieht die falschen Schlüsse, sei es noch so offensichtlich. Dieses Mal muss sie sich zwischen zwei potentiellen festen Freunden entscheiden. Devi wäre aber nicht Devi, wenn sie sich an die Regeln hielte. So manövriert sie sich, tatkräftig unterstützt von ihren Freundinnen, mit ausgefeilten Ablenkungsmanövern in herrlich abstruse Situationen.

Das überschaubare Figurenarsenal bleibt bis auf wenige Neuzugänge identisch. Mit der Einführung der indischstämmigen Mitschülerin Aneesa erhält Devi ein wichtiges Gegenüber, das widerstreitende Gefühle in ihr auslöst. Der gemeinsame indische Background bedeutet einerseits, dass endlich jemand diesen Teil von ihr versteht. Andererseits macht es Devi bewusst, dass ihre mangelnde Beliebtheit in der Schule kein Fall von Diskriminierung ist. Eine Erkenntnis, die wie zu viele weitere explizit ausgesprochen wird, schlimmstenfalls im Dialog der Figuren, bestenfalls als launiger Kommentar aus dem Off. Den liefert wieder John McEnroe, auch wenn er seine „Daseinsberechtigung“ als Devis Seelenverwandter etwas verliert, weil das verbindende aufbrausende Temperament nicht länger Devis hervorstechendste Eigenschaft ist.

Erneut ist eine Folge einer anderen Figur gewidmet: „Victoria’s Secret“-Model Gigi Hadid darf für Paxton Hall-Yoshida sprechen, den Supersportler und Mädchenschwarm, der zum ersten Mal in seinem Leben in einer tiefen Sinnkrise steckt. Insgesamt wird den einzelnen Charakteren mehr Raum für ihre Konflikte und Entwicklung gegeben. Alles dreht sich um Lebensentwürfe und das eigene Selbstverständnis. Wie für Devi gilt für alle das Prinzip des Trial and Error: Fabiola überfordert sich mit dem Spagat zwischen der hippen, queeren Clique ihrer Freundin Eve und ihrem geliebten nerdigen Robotics-Team. Eleanor verfällt einem (überdeutlich toxisch angelegten) ehemaligen Kinderstar und will nicht akzeptieren, dass ihre Stiefmutter Sharon eigentlich richtig nett ist. Bei der Organisation des Umzugs nach Indien stellt Devis Mutter Nalini fest, dass sie neben Mutter, Witwe und Ärztin auch noch Frau ist – Auslöser für eine neue Mutter-Tochter-Krise. Cousine Kamala sieht sich als einzige (und indische) Frau im Forschungslabor den Schikanen eines mindestens sexistischen Laborleiters ausgesetzt. Ihre Erkenntnis, dass es „ganz gut tut, mal kurz Devi zu sein“, taugt als Fazit zu dieser Staffel: Für kurz ist es gut, aber auf Dauer kann Devi ziemlich anstrengend sein.

In der ersten Staffel war Devis Verhalten noch gerechtfertigt durch den Tod ihres Vaters und ihre Weigerung, zu trauern. Diese Phase der Verdrängung ist nun aber überwunden und entfällt als Erklärung oder Entschuldigung. Zusätzlich büßt Devi den Charme des Neuen ein. Es ist nicht immer nur lustig, wie Devi taktiert, manipuliert und die Schuld ausschließlich bei den anderen sucht. Mit ihrer egoistischen Denk- und Handlungsweise verletzt sie die Gefühle ihrer Mitmenschen. Devi setzt unüberlegt ein Gerücht über Magersucht in die Welt und richtet mit ihrer pompösen Entschuldigung nur noch mehr Schaden an. Devi ist auch Eleanor und Fabiola gegenüber unaufrichtig. Allerdings rechnet Eleanor auch harsch mit Devi und Fabiola ab. Man fragt sich schon, worauf genau eigentlich ihre Freundschaft beruht.

Es ist nicht so, dass nicht auch Devi leiden würde. Sie fühlt sich unverstanden, sucht Trost in den Erinnerungen an ihren Vater, für den sie „perfekt“ war. Devi würde gerne erwachsener mit ihren ambivalenten Emotionen umgehen. In diesem Ringen ist die Figur nach wie vor glaubwürdig, ebenso in ihrer Bereitschaft, für die lang ersehnte feste Beziehung einen faulen Kompromiss einzugehen. Es bleibt Devis größte Lektion, sich zu entschuldigen und mehr noch, Verantwortung zu übernehmen. Wünschenswert wäre eine Devi, die dafür nicht künstlich im bekannten Verhaltensmuster verharrt. Da war sie am Ende von Staffel 1 schon weiter. Mal sehen, was die – noch ohne Termin – angekündigte dritte Staffel an Überraschungen bereithält.

Ulrike Seyffarth

 

© Netflix 2021
12+
Spielfilm

Never Have I Ever ... – Season 2 - USA 2020, Regie: Kabir Akhtar, Lena Khan, Claire Scanlon, Anu Valia, Lang Fisher, Maggie Carey, Kim Nguyen u. a., Homevideostart: 15.07.2021, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 12 Jahren, Laufzeit: 10 Folgen, je 27-32 Minuten. Buch: Mindy Kaling, Lang Fisher, Akshara Sekar, Amina Munir, Ben Steiner u.a. Kamera: Rhet Bear. Musik: Joseph Stephens. Schnitt: Mat Greenleaf, Jessica Sisk, Jonathan Pledger u.a. Produktion: Netflix, Universal Television. Anbieter: Netflix. Darsteller*innen: Maitreyi Ramakrishnan (Devi Vishwakumar), Darren Barnet (Paxton Hall-Yoshida), Jaren Lewison (Ben), Ramona Young (Eleanor), Lee Rodriguez (Fabiola), Richa Moorjani (Kamala), Poorna Jagannathan (Devis Mutter Nalini), Ranjita Chakravarty (Nirmala, Devis Oma) u. a.

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