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Sex Education – Staffel 3

Auf Netflix: Sie dritte Staffel erzählt gewohnt humorvoll und offen über Liebe und Sex. Und natürlich über Otis und Maeve.

Die ersten beiden Staffeln der Dramedy-Erfolgsserie „Sex Education“ hatten Suchtpotential. Die Jugendserie um den unbeholfenen Schüler Otis, der gemeinsam mit der Schulrebellin Maeve anderen Jugendlichen Sextipps gegen Geld anbietet, aber selber mit seiner Sexualität überhaupt nicht klar kommt, hat eine große Fangemeinde. Wie geht es nun weiter mit Otis und Maeve, mit Eric, Adam, Ola und all den anderen liebgewonnen Figuren aus diesem Serienkosmos? Werden neue, unerwartete Wege beschritten – oder die alten einfach breit ausgetreten, ein Phänomen, das schon so manche Serie ereilt hat? Zum Glück nicht, so viel sei vorab verraten. Auch Staffel 3 versprüht wieder viel Sexpositivismus und feiert Gendergrenzen sprengende Diversität, wartet dabei mit neuen Konflikten und Perspektiven auf, die nebenbei auch immer die relevanten gesellschaftlichen Themen der gegenwärtigen Zeit spiegeln. Sie schickt ihre Figuren einmal mehr durch Höhen und Tiefen, durch die ungefilterte Energie und die bodenlosen Abgründe, die die Zeit der Adolszenz so mit sich bringt. Alle, wirklich alle in der dritten Staffel kämpfen mit der Liebe. Denn Sex ist dann doch nicht alles. Das gestaltet sich wieder ziemlich turbulent und unterhaltsam.

Maeve und Otis’ Freundschaft liegt auf Eis, seit Otis ihrer inoffiziellen Sexberatung an der Schule eine Absage erteilt und Maeve nicht auf eine Nachricht reagiert hat, in der Otis ihr seine Liebe gestanden hat. Während Maeve sich in Isaac verliebt, ihren im Rollstuhl sitzenden Nachbarn aus dem Trailerpark, stolpert Otis völlig unerwartet in eine seltsame Liason mit Ruby, dem begehrtesten Mädchen der Schule. Ruby gibt vor reich zu sein, aber das ist alles nur Fassade. Sie steckt den unbedarften Otis, der sich mittlerweile sogar ein Schnurrbärtchen stehen lässt, in absurd geckenhafte Klamotten. Schließlich ist es ganz schön peinlich, dass sie den Schulnerd als Sexualpartner auserkoren hat. Otis’ bester Freund Eric muss sich zwischen zwei Jungen entscheiden. Adam wiederum hadert immer noch damit, zu seinem Schwulsein zu stehen. Der Stern von Schülersprecher und Schulstar Jackson ist am sinken. Dann verliebt er sich in die/den anderen Neuzugang der Schule: Cal. Aber Cal, die/der sich als non-binär bezeichnet, will nicht, dass er in ihr/ihm das Mädchen sieht, das sie/er nicht mehr sein will und auch im Inneren nie gewesen ist. Die Sache mit der Identität ist für alle eine große Herausforderung. So auch für die naive Aimee. Im Bus wurde sie sexuell belästigt, seitdem ist sie traumatisiert, bis sie den Feminismus als Rettungsanker für sich entdeckt. Fortan backt sie Cupcakes in Form kleiner Vulven und macht sich auf die schwierige, aber lohnenswerte Reise zu sich selbst.

Noch dazu bekommt die Moordale Secondary eine neue Schulleiterin, die nur auf den ersten Blick cool und locker wirkt. Hope hat überaus ehrgeizige Ziele. Ganz nach dem Motto „teile und herrsche“ stiftet sie Irritation und Rivalität unter der Schüler*innenschaft und möchte nach negativer Presse über den Chlamydien-Ausbruch und die Aufführung eines schockierenden „Sex-Musicals“ die sogenannten „Sexschule“ zu einem Hort der Enthaltsamkeit und wissenschaftlichen Exzellenz machen, inklusive hässlicher grauer Schuluniformen. Sogar vor Schau-Prozessen macht sie keinen Halt. Die Schüler*innen machen das erstaunlich lange mit. Fragt sich nur, wie lange das gut gehen kann.

Die dritte Staffel setzt noch einen drauf. Ganz selbstverständlich finden auch pansexuelle und non-binäre Personen ihren Platz im Ensemble und Emanzipation ist nicht nur an der Tagesordnung, sondern der einzig mögliche Weg zu sich selbst und einem erfolgreichen Leben. Lebensnahe Figuren und Dialoge, Situationskomik und Botschaften wie Toleranz, Diversität, Gleichberechtigung werden hier in vielen Facetten durchdekliniert. Herkunfts- und Hautfarbe-Debatten sind vollständig aufgelöst. Die beliebtesten Schüler*innen sind allesamt People of Color, was aber an keiner Stelle thematisiert wird, sondern einfach so ist. Die erwachsenen Figuren derweil gehen durch ihre eigenen Probleme, ungewollte Schwangerschaft, Scheidung, Trennung und dann noch die jugendlichen Kinder, die sich nichts mehr sagen lassen. Nicht nur die Schüler*innen habe ihre Entwicklungsherausforderungen, auch die Erwachsenen erleben ihr zweites Coming-of-Age.

Die Showrunnerin der Serie, Laurie Nunn, erklärt in einem Interview, dass der Stoff endlose Möglichkeiten hergebe. Dem kann man nur zustimmen. Eine vierte Staffel wurde bereits in Auftrag gegeben.

Christiane Radeke

 

© Netflix
14+
Spielfilm

Sex Education – Season 3 - Großbritannien 2021, Regie: Ben Taylor, Runyararo Mapfumo, Homevideostart: 17.09.2021, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 8 x 45 – 60 Min. Buch: Laurie Nunn, Sophie Goodhart, Alice Seabrigth, Selina Lim u. a. Kamera: Oli Russel, Jamie Cairney Musik: Oli Julian, Ezra Furman. Produktion: John Jennings, Jamie Campbell, Laurie Nunn, Ben Taylor. Anbieter: Netflix. Darsteller*innen: Asa Butterfield (Otis), Gillian Anderson (Jean), Emma Mackey (Maeve), Ncuti Gatwa (Eric), Aimee Lou Wood (Aimee) u. a.

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