Kritiken > Filmkritik
Kritiken > Serie > Invincible

Invincible

Auf Amazon Prime: Ein jugendlicher Superheld zwischen Alltag, Weltrettung und übermächtiger Vaterfigur.

Auch wenn es in Superheld*innenfilmen und -serien oft um gewaltige Bedrohungen geht, sieht es manchmal so aus, als sei das Ganze bloß ein großes Spiel. In ihrer bunten Aufmachung verschleiern vor allem die Marvel-Leinwandwerke, was es wirklich bedeutet, wenn Städte in sich zusammenstürzen und Landstriche verwüstet werden. Dass die Arbeit der übermenschlichen Retter*innen in Wahrheit überaus blutig und dreckig ist, unterstreicht die Animationsserie „Invincible“, die auf der gleichnamigen Comicreihe von „The Walking Dead“-Schöpfer Robert Kirkman und den Illustratoren Cory Walker und Ryan Ottley basiert. Deftige Superheld*innen-Action wird hier kombiniert mit den Fallstricken des Erwachsenwerdens. Ein spannender Aspekt, der im Genre bereits ab und an beleuchtet wurde – etwa in den „Spider-Man‟-Filmen mit Tom Holland in der Titelrolle.

Der 17-jährige Mark Grayson könnte ein stinknormaler Teenager sein, wenn da nicht sein Vater Nolan wäre, der ständig zwischen Familienalltag und akuten Rettungsmissionen hin- und herpendelt. Was bis auf seinen Sohn und seine Ehefrau Debbie niemand weiß: Nolan stammt vom Planeten Viltrum und steckt im Kostüm von Omni-Man, dem stärksten Superhelden auf der Erde. Den sogenannten Guardians of the Globe, einer Einsatztruppe, deren Mitglieder ebenfalls über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügen, greift er zwar immer mal wieder unter die Arme. Anschließen will er sich der von der Global Defense Agency koordinierten Gruppe allerdings nicht.

Marks Leben nimmt eine krasse Wendung, als er bemerkt, dass auch in ihm Superkräfte schlummern. Endlich kann er Nolan nacheifern, zu dem er stets bewundernd aufgeschaut hat. Komik zieht „Invincible“ zu Beginn vor allem aus der Diskrepanz zwischen dem Eifer des Jugendlichen und den harten Anforderungen, die sein Vater an ihn stellt. Ein Superheld zu sein, ist kein Zuckerschlecken, wie Mark schon bald nach dem Start des Trainings feststellen muss. Und nicht nur das: Bei seinem ersten Einsatz als Invincible werden seine naiven Vorstellungen des „Jobs“ auf dramatische Weise erschüttert. Eine solche Berufung anzunehmen, heißt, menschliches Leid und grausame Verstümmelungen hautnah mitzubekommen.

Marks knifflige Herausforderung besteht fortan nicht nur darin, sich mit den düsteren Seiten seines neuen Metiers vertraut zu machen. Zugleich muss er auch die Fassade des gewöhnlichen Highschool-Teenagers aufrechterhalten. Ins Schwitzen bringt ihn dabei besonders die aufkeimende Romanze mit seiner Mitschülerin Amber Bennett, der er permanent neue Ausreden auftischt, warum er sich zu einer Verabredung verspätet hat.

Einen zentralen Konflikt, der sich erst in der letzten Folge voll entfalten wird, etabliert „Invincible“ bereits am Ende der ersten Episode. Dort kommt es nämlich zu einer überraschenden Gewaltexplosion, die die Gemeinschaft der Superheld*innen in einen Schockzustand versetzt und das vermeintlich klare Gut-Böse-Schema aufbricht. Für Mark, der seine Identität als übermenschlicher Retter noch festigen muss, ist das grausame Ereignis auf jeden Fall von existenzieller Tragweite – so viel sei an dieser Stelle verraten.

Der Charakterbogen der zwischen zwei schwer zu vereinbarenden Welten navigierenden Hauptfigur ist zweifelsohne reizvoll. Hier und da hätte sich die Serie allerdings ruhig stärker vom üblichen Remmidemmi des Superheld*innen-Genres und manchen klassischen Mustern lösen können. Gerade die beiden finalen Folgen verlaufen in stark vertrauten Bahnen und legen viel Gewicht auf ausgedehnte Kampf- und Zerstörungssequenzen. Kritisch hinterfragen darf man auch, wie grafisch es in „Invincible“ phasenweise zugeht. Die explizite Darstellung zermalmter oder grausig malträtierter Körper soll das Geschehen gezielt entglorifizieren. In einigen Szenen erscheinen die blutigen Exzesse aber arg selbstzweckhaft. Über jeden Zweifel erhaben ist hingegen die nah an den Comicvorlagen bleibende Optik, die einen schönen Kontrast zum fotorealistischen Stil vieler anderer Animationsarbeiten bildet. Wer sich sprachlich gut gerüstet fühlt, sollte unbedingt auf die markante englische Originalfassung zurückgreifen, in der unter anderem Oscar-Preisträger J. K. Simmons als Nolan Grayson zu hören ist.

Christopher Diekhaus

© Amazon Prime Video
18+
Animation

Invincible - USA 2021, Regie: Jeff Allen, Paul Furminger, Robert Valley, Homevideostart: 26.03.2021, FSK: ab 18, Empfehlung: ab 18 Jahren, Laufzeit: 42-49 Min. Schöpfer: Robert Kirkman, nach den gleichnamigen Comics von Robert Kirkman, Cory Walker, Ryan Ottley, Bill Crabtree. Musik: John Paesano. Schnitt: Scott Winlaw, Matthew Sipple. Produktion: Maude Lewis. Anbieter: Amazon Prime Video.

Invincible - Invincible - Invincible - Invincible - Invincible - Invincible -