Normal People
Auf Starzplay: Mädchen trifft Jungen. Sie verlieben sich. Und dann wird es schwierig. Obwohl sie sich immer noch lieben.
Manche Filmfiguren versteht man einfach nicht. Weil sie mit ziemlicher Treffsicherheit den falschen Weg einschlagen oder die falschen Entscheidungen treffen, obwohl die richtigen doch so offensichtlich sind – gerade in Liebesfilmen. Marianne und Connell sind so ein Fall. Sie lieben sich, aber trennen sich immer wieder. Sie passen zueinander. Und dann auch wieder nicht.
Schon der Anfang ist schwierig. Connell ist irritiert, als Marianne ihm gesteht, dass sie ihn mag. Ausgerechnet Marianne, diejenige in der Schule, die als arrogante Außenseiterin gilt und keine Freund*innen hat. Interessant findet Connell Marianne trotzdem. Aber als sie sich das erste Mal näherkommen, sind die Regeln klar. Keiner darf erfahren, dass sie ein Paar sind. So lieben sie sich heimlich leidenschaftlich, öffentlich gar nicht. Was besonders manchmal in der Schule zu einem Problem für Connell wird, wenn seine Freunde beginnen, sich über Marianne lustig zu machen. Es geht nicht lange gut, weil die äußeren Umstände es nicht zulassen.
Ausgehend vom Ende der Schulzeit folgt die zwölfteilige Serie nach dem 2018 erschienen gefeierten Roman von Sally Rooney Connell und Marianne über vier Jahre, wobei die Geschichte im Unterschied zur Vorlage chronologisch erzählt wird. Spannend ist besonders der Wechsel zwischen Schule und Studium, verkehren sich dadurch für Marianne und Connell doch die Rollen. Hat die aus einem reichen Elternhaus stammende Marianne in ihrer kleinen irischen Heimatstadt nicht zu den anderen Schüler*innen gepasst, so findet sie in Dublin schnell Anschluss. Der bodenständige Connell hingegen hat es ungleich schwerer, muss sich sogar ein Zimmer mit einem anderen Studenten teilen. Auf einmal ist er ein Außenseiter, weil er aus einer eher armen Familie kommt. Diese Klassenunterschiede spielen in der Serie tatsächlich eine große Rolle und tragen viel dazu bei, eine Kluft zwischen den Figuren zu schaffen. Die Serie hat einen guten Blick für diese Unterschiede, ohne diese allzu sehr in den Mittelpunkt zu stellen.
Getragen wird „Normal People‟ aber von den beiden Hauptfiguren, deren Geschichten ausführlich erzählt werden, wobei der Schwerpunkt von Episode zu Episode bisweilen wechselt. Mal steht Marianne mehr im Vordergrund, mal Connell. Sie finden neue Partner*innen, trennen sich wieder, finden wieder zusammen, trennen sich wieder. On und off und irgendwie doch dauernd on. Nach und nach wird offenbar, wer die beiden wirklich sind und warum sie nicht miteinander und nicht ohne einander können. Hinter der Oberfläche treten die Gefühle der beiden zutage. Sie tragen schwer an ihrer Unsicherheit und der Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen, oder an Verletzungen, die tiefe seelische Wunden hinterlassen haben. Das wirkt ungemein echt – und ist teils sehr melancholisch.
Ab Mitte der Serie allerdings driftet die Handlung leider ein wenig ab, wenn Marianne sich auf eine Beziehung einlässt, in der Schmerz, Unterwerfung und Verletztwerden eine besondere Rolle spielen. Das wirkt ein wenig aufgesetzt angesichts der Natürlichkeit, mit der die Serie zuvor so sehr beeindruckt hat: in den Gesprächen zwischen Connell und Marianne, in den feinen Beobachtungen, ja sogar in den häufigen langen Sexszenen, die hier ein ganz normaler Teil der Liebesbeziehung sind und nicht ausgeblendet werden. Es gibt wahrlich viel, was man in Hollywood von dieser Serie lernen kann.
Marianne – und mehr noch: Connell kommt man in „Normal People‟ sehr nahe. Sie berühren und ziehen, auch dank der Regieleistung von Lenny Abrahamson („Frank‟, „Room‟) und Hettie Macdonald („Beautiful Thing‟), in den Bann. Und am Ende muss man zugeben: Vielleicht versteht man Marianne und Conell doch besser, als man es zunächst glauben mochte.
Stefan Stiletto
Normal People - Großbritannien 2019, Regie: Lenny Abrahamson, Hettie Macdonald, Homevideostart: 17.07.2020, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 16 Jahren, Laufzeit: 12 x 30 Min. Buch: Alice Birch, Mark O'Rowe, Sally Rooney nach dem Roman „Normal People‟ von Sally Rooney. Kamera: Suzie Lavelle, Kate McCullough. Musik: Stephen Rennicks. Schnitt: Nathan Nugent, Stephen O'Connell. Produktion: Catherine Magee, Catherine Dunne. Anbieter: Starzplay. Darsteller*innen: Daisy Edgar-Jones (Marianne), Paul Mescal (Connell Waldron), Sarah Greene (Lorraine), Aislín McGuckin (Denise), Eanna Hardwicke (Rob) u. a.
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