Reservation Dogs – Season 3
Auf Disney+: Es wird Zeit, Abschied zu nehmen von Elora, Bear, Cheese und Willie Jack. Die starke dritte und letzte Staffel der hochgelobten Serie.
„Welcome to the Spirit World“, sagt der traditionell gekleidete Native American William Knifeman zu Beginn feierlich. Er sitzt auf einem Pferd, spricht gewichtige Worte, die ganz zum Klischee passen. Dann will sein Pferd im richtigen Moment nicht losreiten. Und wer die ersten beiden Staffeln von „Reservation Dogs“ gesehen hat, weiß eh schon, was von Knifeman zu halten ist und wie die Szenen mit ihm die Erwartungen immer wieder unterlaufen und brechen. Ja, so hat Hollywood (und mindestens ebenso das europäische Abenteuerkino) sich die amerikanischen Ureinwohner*innen oft vorgestellt. Die Serie greift diese Stereotype selbstironisch auf, macht sie sichtbar und stellt ihnen etwas viel wichtigeres entgegen. Sie erzählt aus der Gegenwart der Menschen, die in den Reservaten leben. „Reservation Dogs“ ist vieles: Kritik und Bestandsaufnahme, Komödie und Drama, manchmal aberwitzig und selbstironisch, dann wieder ganz ernst und hochemotional. Vor allem die dritte und letzte Staffel trifft mit einigen Episoden mitten ins Herz. Im Mittelpunkt stehen erneut die vier Jugendlichen Bear, Elora, Willie Jack und Cheese, auch wenn die finale Staffel sich bisweilen traut, auch anderen Figuren das Feld zu überlassen.
Nach dem ernüchternden Besuch bei Bears Vater in Kalifornien reisen die Jugendlichen wieder zurück nach Okern in Oklahoma – Bear mit einem längeren Abstecher, weil er unterwegs seinen Bus verpasst und niemandem auffällt, dass er nicht mehr mit an Bord ist. Im Grunde befindet sich die Gruppe so wieder zurück an dem Nullpunkt, an dem die Serie begann. Für Cheese, den jüngsten der Clique, und Willie Jack steht eine Rückbesinnung an; sie suchen den Kontakt zu älteren Mitgliedern der Gemeinde und erfahren mehr über deren Geschichten. Auch Bear taucht durch – zugegeben recht merkwürdige Begegnungen – in die Vergangenheit ein. Elora wiederum geht sowohl einen Schritt in die eigene Zukunft, indem sie sich um einen Collegeplatz bewirbt, und einen Schritt zurück, als sie zum ersten Mal Kontakt zu ihrem Vater aufnimmt, den sie noch nie gesehen hat.
Die Episoden dieser Staffel sind weitgehend in sich geschlossen und schlagen ganz unterschiedliche Stimmungen an. Mal folgen sie dem Erzählmuster des Horrorfilms, wenn Bear auf eine mysteriöse Frau mit Ziegenfüßen trifft, die sich auf einem Rachefeldzug befindet. Sie sucht einen der Peiniger ihrer Kindheit in der Boarding School auf, in der aus indigenen Familien verschleppte Kinder systematisch gedemütigt und misshandelt wurden. Eine andere Episode bewegt sich auf den Pfaden eines Gangsterfilms, wenn ein Patient aus einem Krankenhaus entführt werden soll, wobei die Inszenierung sich noch einmal ganz eng an Quentin Tarantinos „Reservoir Dogs“ (1992) orientiert, dessen Titel auch Pate für die Serie stand. Auffallend viele Episoden allerdings, und die besten der Staffel noch dazu, sind sehr ruhig und bestechen durch ihre guten Beobachtungen und den feinen Witz, darunter der Camping-Ausflug von Cheese mit drei „Elders“ und die Begegnung von Elora mit ihrem Vater. Ganz nah ist die Serie in diesen Augenblicken an ihren jungen Figuren, die ihren Weg und ihren Platz in der Gesellschaft und der Welt suchen und die dabei nie eindimensional agieren.
Immer wieder beschwört die Serie die Bedeutung der Gemeinschaft. So steht hier weniger die Freundschaft der Jugendlichen im Zentrum, sondern vielmehr, wie diese sich in ihrer Community verorten. Die Beziehungen zwischen den Generationen nehmen einen großen Stellenwert in dieser Staffel ein, sei es zwischen Eltern und Kindern oder den „Elders“ und den Jugendlichen. Je weiter die Erzählung voranschreitet, desto spürbarer wird, wie wichtig der Zusammenhalt der Menschen ist und welche Stärke und welches Selbstbewusstsein im umfassenden Sinne die Einzelnen daraus beziehen können. So viel es auch um Abschiede geht in dieser Staffel, so wichtig sind auch die Neuanfänge.
Ein Wort für „Goodbye“ gäbe es nicht, heißt es einmal. Die Serie endet dementsprechend konsequent mit einer einzigen knappen Texteinblendung. „Mvto“ – „Danke“ ist da zu lesen, als Verneigung vor den Darsteller*innen und dem Filmteam, das eine neue Perspektive eröffnet hat. Dass die Serie nun endet, war ein Wunsch der Filmemacher*innen und keine kommerzielle Entscheidung. Sie wollten Platz machen für andere indigene Geschichten. Es wäre eine Freude, die jungen Darsteller*innen der Rez Dogs in Zukunft noch öfter in anderen Rollen zu sehen.
Stefan Stiletto
Die dritte Staffel wurde bislang nicht synchronisiert und liegt nur im Original mit optionalen Untertiteln bei Disney+ vor.
Reservation Dogs – Season 3 - USA 2023, Regie: Danis Goulet, Tazbah Chavez, Blackhorse Lowe, Devery Jacobs, Erica Tremblay, Sterlin Harjo, Homevideostart: 29.11.2023, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 10 Episoden mit einer Länge von 23 bis 39 Min. Buch: Sterlin Harjo u. a. Kamera: Mark Schwarzbard. Musik: Mato. Schnitt: Varun Viswanath, Patrick Tuck, David Chang. Produktion: FX Productions. Anbieter: Disney+. Darsteller*innen: Devery Jacobs (Elora), D’Pharao Woon-A-Tai (Bear), Lane Factor (Cheese), Paulina Alexis (Willie Jack), Zahn McClarnon (Big) u. a.