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Das Glaszimmer

Im Kino: Ein Junge am Ende des Zweiten Weltkrieges - zerrissen zwischen dem Glauben an den „Endsieg“ und der grausamen Realität.

Der Spielfilm von Christian Lerch beginnt im Frühjahr 1945. Der elfjährige Felix lebt mit seiner Mutter Anna in München. Vater Bernd, ein bekannter Trompeter, ist an der Front. Als in der Stadt die Bombardements nicht mehr abreißen, fliehen Anna und Felix aufs Land. In Annas niederbayrischem Heimatdorf richten sie sich auf dem Hof einer verstorbenen Tante ein neues Zuhause ein. Dort entdeckt Felix ein geheimnisvolles Zimmer voller funkelnder Glasscherben, in das er sich zurückziehen und den Kriegsalltag vergessen kann. Im Dorf freundet er sich schnell mit Karri, Martha und dem Flüchtlingsjungen Tofan an. Karri ist der Sohn des Ortsgruppenleiters Johann Feik, der hier ein strenges Nazi-Regiment führt. So läuft Karri meist in der Hitlerjugend-Uniform herum, spielt mit Felix und den anderen Kindern „Westfront“ oder „Häuserkampf“ und lässt sie gefährliche Mutproben absolvieren. Immer mehr gerät Felix in Konflikte. Einerseits schreibt er zusammen mit der Außenseiterin Martha aus Sorge um seinen Vater einen Brief an Adolf Hitler, dass er mit dem Krieg aufhören soll. Andererseits eifert er Karri nach und glaubt zunehmend an den „Endsieg“ und all die Naziparolen. Bis eines Tages Vater Bernd völlig abgemagert und zerlumpt vor der Tür steht.

Der Schauspieler, Autor und Regisseur Christian Lerch hat sich vor allem mit seinen Drehbüchern für Filme von Marcus H. Rosenmüller, zum Beispiel „Wer früher stirbt ist länger tot“ (2006) oder „Die Perlmutterfarbe“ (2008), einen Namen gemacht. Für seine neuerliche Regiearbeit hat er das Drehbuch zusammen mit dem Schriftsteller Josef Einwanger verfasst, basierend auf dessen Kindheitserinnerungen. Dabei geht es ihm hauptsächlich darum, „heutigen Kindern und Jugendlichen die innere Mechanik von Verführung und in der Folge die schrecklichen Auswirkungen willkürlicher Machtausübung näherzubringen“.

„Das Glaszimmer“ ist ganz konsequent im Dritten Reich angesiedelt und setzt sich mit der Manipulation von Kindern und Jugendlichen durch die Nazi-Propaganda auseinander. Im Mittelpunkt steht ein elfjähriger Junge, der aus einem liberalen Haushalt stammt. Als er mit seiner Mutter aufs Land fliehen muss, kämpft er in seinem neuen Zuhause um die Anerkennung bei den anderen Kindern, speziell bei dem so stark erscheinenden Karri. Für ihn ist Felix bereit, eigene Gefühle und Empfindungen zu unterdrücken, bis er schließlich mehr und mehr an die Nazi-Parolen seines Freundes glaubt und diese selbst verkündet. Doch die Ereignisse zu Kriegsende holen ihn immer wieder auf den Boden der Realität zurück und fordern humanistisches Verhalten ein.

Christian Lerch erzählt die Geschichte konsequent aus der Sicht des Jungen und zeigt dessen Zerrissenheit auf. Mit seinem Film verfolgt er ein wichtiges Anliegen, das allerdings nicht aus dem historischen Kontext herausführt. So machen es die durch die Naziphrasen ziemlich sperrig wirkenden Dialoge schwer, mit Felix und den anderen Kindern mitzufühlen. Außerdem wirkt einiges, was sich in diesem Dorf zu Kriegsende ereignet, konstruiert und inszeniert, während atmosphärisch schöne Metaphern wie das Glaszimmer, das dem Film den Titel gab, dramaturgisch vernachlässigt werden. Diese hölzerne Erzählweise ist vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass in der Geschichte zu viele Aspekte angerissen werden. So schafft der Film zwar eine gute Ausgangsbasis, um sich mit dem historischen Geschehen auseinanderzusetzen, ein Nachdenken über heutige Gefahren von Manipulation und Desorientierung dagegen provoziert er weniger.

Barbara Felsmann

© Farbfilm Verleih. Jürgen Olcyk
12+
Spielfilm

Das Glaszimmer - Deutschland 2020, Regie: Christian Lerch, Kinostart: 28.04.2022, FSK: ab 12, Empfehlung: ab 12 Jahren, Laufzeit: 93 Min. Buch: Josef Einwanger, Christian Lerch, nach dem autobiografischen Roman „Das Glaszimmer und ein Brief an den Führer‟ von Josef Einwanger. Kamera: Tim Kuhn. Musik: Martin Probst. Schnitt: Valesca Peters. Produzent: Robert Marciniak. Produktion: Lieblingsfilm. Verleih: Farbfilm Verleih. Darsteller*innen: Xari Wimbauer (Felix), Lisa Wagner (Anna), Hans Löw (Bernd), Luis Vorbach (Karri), Philipp Hochmair (Feik) u. a.

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