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Im Himmel ist auch Platz für Mäuse

Im Kino: Preisgekrönter Puppentrickfilm über eine vorlaute Maus und einen schüchternen Fuchs - im Himmel.

Zwei Feinde treffen sich im Jenseits wieder, der junge Fuchs Weißbauch und das Mäusemädchen Dalli. Dalli geht davon aus, dass Weißbauch sie fressen wollte und hält ihn für einen Mörder. Aber Weißbauch schwört, dass er keine Mäuse frisst und weist die Schuld am Tod beider zurück, weil sie gemeinsam von einem Auto überfahren wurden. Diese Diskussion ist der Beginn einer wirklich wunderbaren Freundschaft zwischen zwei Arten, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben dürften und im Tierreich gemeinhin als Fressfeinde gelten. Dass es auch anders geht, zeigt der Film auf sehr einfühlsame Art und Weise.

Dalli versucht das Trauma zu überwinden, dass ihr mutiger Vater sich für sie geopfert hat und von dem Fuchs Mäusefresser statt ihrer verspeist wurde. Ständig gibt sie damit an, wie mutig und schlau sie ist, was sie zu einer einsamen kleinen Maus werden ließ. Weißbauch verlor als Welpe seine Mutter und wurde vom gemeinen Onkel Mäusefresser und dessen Familie großgezogen. Auch er hatte nie die Chance, sich frei zu entfalten, nun stottert er und versucht sich seinen Ängsten zu stellen. Aus kurzen Rückblenden erfahren wir die Hintergründe der beiden, während sie sich im Tierhimmel auf die Suche nach Dallis Vater machen, denn der muss ja schließlich hier oben irgendwo sein.

Im Paradies gibt es keine Feindschaften mehr, den Raubtieren wurden im wahrsten Sinne des Wortes die Zähne gezogen und alle sind eine glückliche Familie, ganz ähnlich wie in der Zukunftsstadt aus „Zoomania“, in der die Tierwelt friedlich versammelt lebt und ein Fuchs mit einem Kaninchen befreundet ist. Trotzdem bleiben stets die alten Vorurteile bestehen. Auch im Himmel ist der Fuchs die Projektionsfläche des hinterhältigen Feindes, denn der Fuchs ist nicht nur gefährlich, sondern obendrein noch schlau und listig, weshalb man ihm überhaupt nicht trauen kann.

Der gemeinsame Weg von Weißbauch und Dalli wird zunächst dadurch erzwungen, dass sie durch einen dummen Zufall aneinander gefesselt werden und sich zusammen durchschlagen müssen. Die Eisenringe um ihre Bäuche, verbunden durch ein langes Metallkabel, zwingt sie, sich zu verständigen und gegenseitig zu helfen. Vor allem Dalli wehrt sich zunächst vehement, Sympathie für Weißbauch aufzubringen, erkennt allerdings langsam, dass er es mit seiner Zuneigung zu ihr ernst meint. Nachdem die Ringe von einer Krabbe durchgezwickt wurden, machen die Abdrücke im Fell der beiden rein optisch weiterhin deutlich, wie sehr sie verbunden sind und zueinander gehören. Ein Detail, das die Präzision dieses Puppentrickfilms unter Beweis stellt. Unter der Regie von Denisa Grimmová und Jan Bubeníček entstand eine warmherzige und originelle Himmelswelt, konstruiert in einer Kombination aus Puppen -und CGI- Animation. Jede einzelne Station ihrer Wanderung durchs Jenseits ist liebevoll gestaltet, wie zum Beispiel die unterschiedlich großen Pools, in denen die Tiere baden und Spaß haben, oder der Vergnügungspark, in dem jedes Tier eine Prüfung ablegen muss. Hier existieren nicht nur Karusselle, sondern auch ein großer Sandhügel, in dem man buddeln kann. Die größte Herausforderung ist der Wald, den alle Tiere durchqueren müssen, womit sie sich eine Eintrittskarte für ihre jeweils ganz eigene Kinovorstellung verdienen.

„Im Himmel ist auch Platz für Mäuse“ verhandelt grundlegende Fragen. Gibt es eine Existenz nach dem Tod? Werden wir möglicherweise wiedergeboren? Und wenn ja, als was? Aber vor allem geht es hier um die Akzeptanz des Anderen. In einer Welt, in der es zunehmend darum geht, sich abzugrenzen und in der Übergriffe auf Menschen geschehen, die anders glauben und anders leben, sendet der Film eine wichtige Botschaft. Genau hinschauen und zuhören, was die anderen sagen. Wenn Dalli sich verteidigt, dass sie Käfer frisst, weil „die nichts fühlen“ kommt der Protest gleich von einem Krabbeltier, das ihr das Gegenteil beweist, und bringt sie in Verlegenheit. Wieder ist sie einen Schritt weiter in der Erkenntnis, dass alles zusammengehört und niemand allein bestehen kann. Sie kann nicht zurück in der Zeit, sondern alles fließt vorwärts, wie ein Fluss. So ist das Universum entstanden und wird sich auf Ewigkeit weiterentwickeln und verändern. Aber jede*r kann einen Teil beitragen und darauf Einfluss nehmen. Auch das ist eine Erkenntnis aus dem Film.

Ob man das Paradies auch auf Erden leben kann, wird sich weisen. Auch wenn vielleicht nicht alle philosophischen Fragen, die hier verhandelt werden, beim jungen Publikum ankommen, so sieht es doch, dass eine ungewöhnliche Freundschaft denkbar ist. Puppentrickfilme sind nicht nur hübsch anzusehen, sondern können, wie diese Produktion zeigt, auch gesellschaftspolitisch relevante Themen sensibel erzählt auf die Leinwand bringen.

Katrin Hoffmann

 

© Landfilm
8+
Animation

I mysi patrí do nebe /Even Mice Belong in Heaven - Tschechische Republik, Frankreich, Polen, Slowakei 2021, Regie: Denisa Grimmová, Jan Bubeníček, Kinostart: 01.12.2022, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 8 Jahren, Laufzeit: 87 Min. Buch: Alice Nellis, nach dem Kinderbuch „Auch Mäuse kommen in den Himmel‟ von Iva Procházková. Kamera: Radek Loukota. Musik: Krzysztof A. Janczak. Produktion: Fresh Films, Les Fims du Cygne, Animoon, Cinemart production, Česká televize, Auvergne-Rhône-Alpes Cinéma, DD Production, Barrandov Studio, EC1 Łódź. Verleih: Landfilm

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