Pettersson und Findus – Findus zieht um
Kater Findus ist größer geworden. Höchste Zeit für die eigenen vier Wände.
Die Geschichten von Sven Nordqvist über den schrulligen, ziemlich menschenscheuen alten Erfinder Pettersson, der in einem entlegenen Haus irgendwo in Schweden lebt, und seinen sprechenden Kater Findus zählen zu den modernen Klassikern der Kinderliteratur. Zu Recht, denn die Bücher bestechen nicht nur durch Illustrationen, die spielerisch mit Raum und Zeit umgehen und durch die Vielzahl ihrer Details lange zum Betrachten einladen, auch die Beziehung zwischen dem Erwachsenen und dem Kater weckt bei Kindern Erinnerungen an die eigene Lebenserfahrung: Pettersson und Findus sind der Inbegriff einer Familie, in der man sich auf Augenhöhe begegnet, sich auch mal streitet und dann wieder verträgt, in der die „Kleinen“ Schabernack anstellen dürfen und die „Großen“ – zumindest meistens – Verständnis haben. Wer die Bücher liest, erhält den Eindruck, dass die Zeit in dieser idyllischen schwedischen Welt stillsteht. Die dritte Realverfilmung jedoch, erneut unter der Regie von Ali Samadi Ahadi, weiß den Aspekt der Zeit auf ganz eigene Art zu nutzen und fügt den Bilderbuchgeschichten eine entscheidende Wendung hinzu. Vor allem Findus ist nicht mehr der Kater, der er noch in „Pettersson und Findus – Kleiner Quälgeist, große Freundschaft“ (2014) war, und muss sich neuen Herausforderungen stellen. Die erste davon ist ganz banal: Das selbstgezimmerte Bett von Findus, das am Fußende von Petterssons großem Bett im Schlafzimmer steht, ist ihm zu klein geworden. Oder anders formuliert mit einem Wechsel der Perspektive: Findus ist dafür zu groß geworden.
Ist in dem gleichnamigen Bilderbuch, das Pate für Teile der Filmhandlung stand, vor allem das lautstarke frühmorgendliche Herumhopsen von Findus auf dem Bett der Grund dafür, dass Findus ausziehen soll, so wird dies im Film mit einem ganz anderen Motiv verbunden. Findus, der vorwitzige kleine Kater, pocht plötzlich darauf, auf eigenen Beinen zu stehen und fordert mehr Selbstständigkeit ein. Mit Freude bezieht er schon bald seine eigenen vier Wände im Garten, für die Pettersson – ausgerechnet – ein altes Plumpsko umbaut und renoviert. Das Großwerden und das Älterwerden hat „Findus zieht um“ so zu seinem Kernthema gemacht und spricht damit schon jüngste Kinobesucher*innen an, die den Drang nach Unabhängigkeit und die Notwendigkeit, das eigene Können den „Großen“ zu beweisen, aus ihrem Alltag nur zu gut kennen. Doch auch hier differenziert der Film: Denn Unabhängigkeit ist nur die eine Seite. Wichtig ist zugleich das Gefühl, trotzdem nicht allein zu sein und jemanden in der Nähe zu wissen, auf den man sich immerzu verlassen kann.
Dramaturgisch verknüpft „Findus zieht um“ die Geschichte über Findus’ Auszug mit Elementen aus dem Band „Pettersson zeltet“, in dem ein mysteriöser großer Fisch für ein wenig Spannung sorgt und Findus zu einer kleinen Heldentat herausfordert. Allzu aufregend aber wird der Film bewusst nicht – weder in den Szenen am See noch in nächtlichen Begegnungen mit einem Fuchs, der sich neugierig für das neue Haus auf Pettersssons Hof interessiert. Mit einem guten Gespür für die Filmwahrnehmung von jungen Kindern inszeniert Samadi auch seinen dritten Film und setzt dabei auf bewährte Elemente, die manchmal geradezu zu einem Best-of der Trilogie werden, die mit „Findus zieht um“ nun ihren Abschluss finden soll. Noch einmal werden die einprägsamen Melodien von Ali N. Askin aus den vorherigen Teilen aufgegriffen und mit neuen Texten versehen. Und wie in den Vorgängern sind auch die Musical-Nummern kein Selbstzweck, sondern erzählen und kommentieren die Handlung auf schwungvolle Weise.
Erneut macht es Spaß, Stefan Kurt bei seiner Interpretation des Eigenbrötlers Pettersson zuzusehen. Dass er dabei die Manierismen von Ulrich Noethen übernimmt, der die Rolle im ersten Teil mit Leben gefüllt hatte, ist kein Nachteil. Dank der bärtigen Maske fällt der Schauspielerwechsel kaum ins Gewicht – und Noethen ist es damals wunderbar gelungen, die Mimik und Gestik der Pettersson-Illustrationen in sein Spiel zu übertragen, das angemessen überdreht ist, aber wo nötig auch zurückhaltend. Kongenial wiederum erweckt das Szenenbild die Welt von Pettersson zum Leben und bietet eine Detailfülle, die auch bei mehrmaligen Sehen interessant bleibt und damit den Illustrationen von Nordqvist sehr nahe kommt. Nach dem etwas unentschlossenen „Pettersson und Findus – Das schönste Weihnachten überhaupt“ erweist sich „Findus zieht um“ wieder als Glücksgriff für das Kinderkino: eine liebenswerte Geschichte, mit einem guten Gespür für filmische Gestaltung und für die relevanten Themen von Kindern erzählt. In Schweden dürfte man neidisch sein auf die deutschen Kinoauftritte der skandinavischen Bilderbuchhelden.
Stefan Stiletto
Pettersson und Findus – Findus zieht um - Deutschland 2018, Regie: Ali Samadi Ahadi, Kinostart: 13.09.2018, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 5 Jahren, Laufzeit: 81 Min., Buch: Thomas Springer, nach dem Bilderbüchern „Findus zieht um“ und „Pettersson zeltet“ von Sven Nordqvist. Kamera: Mathias Neumann. Musik: Ali N. Askin. Schnitt: Andrea Mertens, Produktion: Thomas Springer, Helmut G. Weber, Sonja Ewers, Darsteller*innen: Stefan Kurt (Pettersson), Marianne Sägebrecht (Beda Andersson), Max Herbrechter (Gustavsson), Roxana Samadi (Stimme Findus), Verleih: Wild Bunch.